Startverbot für superdünne Models

Von Gregor Ziolkowski |
Das Pflichtwiegen und -messen am Tag vor dem Start war eine Neuheit im internationalen Geschäft. Willkür war da nicht am Werk. Man folgte den Kriterien, die die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Madrids Modemesse hat sich damit als Flaggschiff im Kampf gegen Magersucht und Bulimie profiliert.
Größer hätte der Effekt kaum sein können: Als die Veranstalter der Madrider Modemesse "Pasarela Cibeles" kurz vor dem Beginn der Defilees bekannt gaben, dass sie schon im Vorfeld rund 30 Prozent der Models aussortiert hatten, weil diese schlicht zu dünn waren, ging ein erstauntes Raunen durch die Szene. Sollte jetzt wahr werden, wovon seit Jahren nur die Rede war? Sollten jene nach Magersucht und Bulimie aussehenden jungen Frauen, die als Schönheitsideale längst die großen Filmdiven vergangener Zeiten abgelöst haben, tatsächlich erstmals auf einer Modemesse mit einem Startverbot belegt werden? Sie sollten.

Das Pflichtwiegen und -messen am Tag vor dem Start – auch dies eine Neuheit im internationalen Geschäft – brachte noch einmal für fünf Kandidatinnen das Aus. Willkür war da nicht am Werk, man folgte immerhin Kriterien, die auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Es geht um den Körpermaß-Index, der sich errechnet aus dem Körpergewicht, das man durch das Quadrat der Körpergröße dividiert. Ergibt sich ein Wert unter 18, gilt die betreffende Person als mindestens ungenügend ernährt. Starmodel Kate Moss, errechnete daraufhin eine spanische Zeitung, käme nach diesen Kriterien auf einen Körpermaß-Index von 15. War das der Grund, warum viele Star-Models gar nicht erst versuchten, zu einem Auftritt auf der "Pasarela Cibeles" zu kommen?

Der Mediencoup war perfekt inszeniert – Madrids Modemesse hatte sich profiliert als Flaggschiff im Kampf gegen Magersucht und Bulimie. Ganz so freiwillig und auf eigene Initiative hin dürfte die Entscheidung gegen die Skelett-Modelle, wie man sie nicht nur in Spanien nennt, allerdings nicht gefallen sein. Denn natürlich wusste man in der Szene, dass das still arbeitende Gesundheitsministerium seit einiger Zeit dabei ist, eine im Jahr 1999 mit der Mode- und Textilbranche ausgehandelte Empfehlung schon bald in ein Gesetz zu verwandeln.

Dessen Kernaussage lautet: Kein Kleidungsstück unterhalb der Konfektionsgröße 38 darf mehr über einen Laufsteg schweben. Neben dem Modemessen-Zirkus ist da auch das Alltagsgeschäft und sind die großen Kaufhausketten wie Zara, Mango oder Cortefiel angesprochen: auch deren Schaufensterpuppen sollen nichts mehr präsentieren, was unterhalb der Größe 38 liegt.

Überhaupt, die Konfektionsgrößen: angestrebt wird neben alldem eine Korrektur der Maße. Sie sollen der Realität angepasst werden, heißt es, und das meint wohl nichts anderes, als dass man Frustrationen vermeiden will: Warum sollte man künftig nicht 38 nennen, was heute noch Größe 40 ist?

Das Gespräch zum Thema mit Ted Linow, Chef der Agentur Megamodels in Hamburg, können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.