Durchs DDR-Unrecht klicken
Stasi-Mitarbeiter berichten über ihre Überwachungsaktion, und MfS-Chef Erich Mielke äußert sich zynisch zum Schießbefehl: Solche Tonaufnahmen sind jetzt in der Online-Mediathek der Stasi-Unterlagenbehörde zu finden.
Vor allem junge Menschen sollen damit angesprochen werden.
Dort wo vor 25 Jahren Geschichte geschrieben wurde – mit der Erstürmung der Stasi-Zentrale – herrscht heute Tristesse. Leerstehende, heruntergekommene Plattenbauten, ein Ärztehaus mit Yogaschule und Sauna – und natürlich die Stasi-Unterlagenbehörde unter Leitung von Roland Jahn.
Roland Jahn: "Uns geht es darum, gerade auch der jungen Generation, Möglichkeiten zu geben, sich dem Thema Stasi, dem Thema SED-Diktatur zu nähern mit Dokumenten, mit Stasiunterlagen aus dem Archiv."
So haben zum Beispiel MfS-Mitarbeiter einen Film über West-Berlin gedreht, der jetzt über das Internetportal "Stasi-Mediathek.de" abgerufen werden kann. Aus dem Auto heraus gefilmt und mit Kommentaren versehen – als Service für diejenigen Spione und Spitzel, die in Westberlin unterwegs waren. Zu hören ist, wie 1989 MfS-Mitarbeiter aus Rostock über eine Demonstration vor ihrem Haus berichten.
Originalton: "So gegenwärtig wird hier unten irgendwie dit Haus im Takt bearbeitet. Offensichtlich die Tür. So, dann kommt noch ein Transparent ´Führungsanspruch der SED? Volksentscheid!` So, Korrektur. Die haben offensichtlich hier nicht eben mit den Fäusten im Takt die Tür bearbeitet, sondern die müssen ne Trommel mitführen."
Ein internes Tondokument belegt den Zynismus von Stasi-Chef Erich Mielke. Er war nicht zufrieden mit der Schießleistung seiner Leute.
Originalton Erich Mielke: "Wenn man schon schießt, dann muss man es so machen, dass nicht der Betreffende nicht wegkommt, sondern dann muss er eben dableiben bei uns. Ja, so ist die Sache. Wat is denn dat? 70 Schuss musste ballern, und der rennt nach Drüben und die machen eine riesen Kampagne."
Die Stasi-Unterlagenbehörde verwaltet insgesamt 111 Regalkilometer Akten, dazu 1,8 Millionen Fotos und Negative. Das, was jetzt unter "Stasi-Mediathek.de" recherchierbar ist, sind gerade einmal 0,0036 Promille davon. Das Online-Archiv wird allerdings kontinuierlich erweitert. Eine Öffentlichkeitsoffensive, die auch mit einer möglichen Abwicklung dieser Bundesbehörde mit derzeit noch 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun hat.
Was wird nach 2019 mit der Stasi-Unterlagenbehörde?
Ist doch ihre Existenz nur bis 2019 gesichert. Bleibt die früher Gauckbehörde genannte Stasi-Unterlagenbehörde weiter eigenständig oder wird sie in das Bundesarchiv integriert? Das ist die entscheidende Frage. Frühere Opfer der DDR-Geheimpolizei haben dazu keine einheitliche Meinung. Tom Sello vom Havemann-Archiv:
"Der Zugang zu den Akten, der soll gewährleistet sein. Also, die Leute sollen Einsicht in ihre Akten nehmen können. Und das ist völlig egal, unter welcher Behörde das ist. Ob das jetzt eine selbstständige Behörde ist, oder ob das jetzt irgendein anderes Archiv ist, welcher Art auch immer."
Eine entsprechende, vom Bundestag eingesetzte Kommission unter Leitung des früheren sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer hat jetzt mit ihrer Arbeit begonnen. Ende des Jahres will sie einen Vorschlag zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde vorlegen. Roland Jahn gibt sich offen für Veränderungen, fordert aber:
"Die Kompetenz und das Wissen, was hier über 20 Jahre erworben worden ist, darf nicht verloren gehen. Forschung und Bildung sollen weitergehen. Und dann ist nur die Frage, welche Strukturen sind am besten geeignet, hier auch effizient Steuermittel einzusetzen."
Zukunftspläne in Berlin-Lichtenberg
Roland Jahn möchte gerne aus der ehemaligen Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg einen Campus für Demokratie machen, sprich einen authentischen Lernort. Das heruntergekommene Areal könnte so belebt werden, der Campus wäre ein möglicher künftiger Arbeitsplatz für die Mitarbeiter der Behörde, die jetzt schon im Bereich politische Bildung tätig sind. Aus der Geschichte lernen, ist die Devise von Roland Jahn. Nicht alle sind von diesem Konzept überzeugt.
So hält zum Beispiel der Vorsitzender des Beirats der Stasi-Unterlagenbehörde, der Theologe Richard Schröder, nichts von diesem Vorschlag.
"Roland Jahn vertritt eben diese merkwürdig Auffassung, jeder besser wir die Diktatur kennen, umso besser können wir Demokratie gestalten. Und ich sage dazu: Der Zusammenhang besteht nicht. Das ist ein Irrtum, dass Zustimmung zur Demokratie so entsteht."
Bei einem groß angelegten Tag der offenen Tür Ende nächster Woche will die Stasi-Unterlagenbehörde zeigen, dass sie – noch – unverzichtbar ist. Mit der Eröffnung der neuen Dauerausstellung wird auch das Dienstzimmer von Erich Mielke wieder öffentlich zugänglich sein.