Stasi-Unterlagen aus Rosenholz-Datei herausgegeben

Von Margarete Limberg |
Die Stasi-Unterlagen-Behörde hat erste Papiere über Bundestagsabgeordnete aus der Zeit von 1969 bis 1972 veröffentlicht. Die Materialien umfassen zunächst 16 Parlamentarier, die als Inoffizielle Mitarbeiter in der so genannten Rosenholz-Datei registriert waren.
Die Leiterin der Behörde für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hat stets vor überzogenen Erwartungen an die Enthüllungskraft der so genannten Rosenholz-Datei gewarnt. Dennoch waren in den letzten Wochen die wildesten Spekulationen über die Brisanz dieser Datensammlung im Zusammenhang mit möglichen Stasi-Kontakten von prominenten Bundespolitikern ins Kraut geschossen.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen steht die Legislaturperiode 1969 bis 1972, in der Willy Brandt Kanzler war. Die Stasi, so behaupteten manche, sei in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten gewesen. Es erweist sich nun, dass dies eine absurde Feststellung ist. Führende Politiker, wie Willy Brandt, Herbert Wehner und Franz Josef Strauss, um die sich zahlreiche Gerüchte rankten, sind entlastet, sie haben nicht mit dem DDR-Geheimdienst zusammengearbeitet, wurden vielmehr beobachtet und abgehört und waren damit Opfer, nicht Täter der DDR-Auslandsspionage.

Bei Herbert Wehner, über den besonders intensiv gemutmaßt wurde, habe die Stasi nicht eine Information registrieren können, das sei eine eindeutige und klare Entlastung, stellte der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, fest. Es sei nichts geflossen und es sei nichts angekommen.

Bisher wurden von der Birthler-Behörde Eintragungen über 45 Bundestagsabgeordnete gesichtet, die von der Stasi abgeschöpft wurden. Klar ist, dass etliche von der Stasi-Identität ihres Gesprächspartners keine Ahnung hatten. Die Birthler-Behörde machte nun die Unterlagen von 16 ehemaligen Parlamentariern auf Antrag Journalisten und Wissenschaftlern zugänglich. Alle diese Dateien tragen den Vermerk IMA. Das heißt im Stasi-Jargon "Informelle Mitarbeiter mit Arbeitsakte". Marianne Birthler zur mutmaßlichen Brisanz dieses Materials:

"Das sagt erst einmal noch gar nicht viel. Da können IMs dabei sein, das können Personen sein, die abgeschöpft wurden, es kann auch sein, dass es sich um Menschen handelt, über die die Stasi Informationen gesammelt hat."

Elf der 16 Betroffenen sind inzwischen verstorben. Aus den Akten dieser 11 Politiker gehe klar hervor, dass sie nicht Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi waren, betont Marianne Birthler. Herbert Ziehm, Mitarbeiter der Stasi-Unterlagen-Behörde zur Methode des Abschöpfens:

"Abschöpfungen geschehen nicht nur im nachrichtendienstlichen Bereich durch inoffizielle Mitarbeiter, auch das MfS hat technische Mittel benutzt, Telefongespräche abgehört, aber auch ganz offizielle Unterlagen wie Zeitungsartikel ausgewertet."

Bei fünf Abgeordneten ist eine Stasi-Mitarbeit seit längerem bekannt. Es handelt sich um den früheren parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Karl Wienand, den SPD-Abgeordneten Gerhard Fläming, den FDP- Politiker William Borm, um Julius Steiner, CDU und Leo Wagner, CSU, die, von der Stasi bezahlt, im April 1972 das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt zum Scheitern brachten. Elf weitere, deren Namen ebenfalls in der Datei als IMA auftauchen, sind inzwischen von der Birthler – Behörde darüber informiert worden und müssen als Betroffene beteiligt werden, ehe ihre Unterlagen zugänglich gemacht werden können.

Die Chefin der Stasi-Unterlagen-Behörde war in den letzten Wochen und Monaten heftig unter Beschuss geraten, sie musste sich z. T. polemische Angriffe gefallen lassen. Man warf der ehemaligen Bürgerrechtlerin vor, die Unterlagen unter Verschluss zu halten, um ihre Wiederwahl durch den Bundestag nicht zu gefährden, sie behindere die Aufklärung über die Untaten der Stasi und die Verstrickung westdeutscher Politiker in deren Machenschaften. Sie habe, so räumt Marianne Birthler ein, die Brisanz der Angelegenheit unterschätzt:

"Ganz offenbar ist es uns nicht gelungen, rechtzeitig klarzumachen, dass diese Dateien, um die es jetzt geht, eben gerade nicht so brisant sind. Also, wenn ich das sehe, wie viel Aufregung jetzt um den Forschungsbericht in der Öffentlichkeit ist, auch, welche Erwartungen bestehen, dann frage ich mich, was hätte ich anders machen können, damit diese Erwartungen gedämpft werden. Ich habe das versucht, aber offenbar ist das Thema so spannend, dass sich daran auch immer Phantasien knüpfen."

Marianne Birthler bestreitet energisch, die Unterlagen allzu zögerlich zugänglich gemacht zu haben:

"Wir haben nichts zurückgehalten. Wir geben Unterlagen nur auf Antrag heraus. Die Recherchen waren innerhalb ganz weniger Wochen abgeschlossen. Die ersten Anträge gingen vor drei, vier Wochen bei uns ein. Jetzt geben wir die ersten Unterlagen heraus. Das ist keine lange Zeit."

Im nächsten Jahr soll der vollständige Forschungsbericht über die Rosenholz-Datei veröffentlicht werden.