Statistik im Ländle

1,2857142 Eier täglich

In einem Supermarkt stehen stehen abgepackte Eier in einem Regal.
Der Durchschnittsbadenwürttemberger und sein Frühstücksei - und sonntags auch mal zwei © Imago / Jochen Tack
Von Wolfgang Zöller |
Der Durchschnittsbadenwürttemberger isst 1,2857142 Eier - Tag für Tag. Herr Sinner wusste ganz sicher, dass er noch nie ein ganzes und hinterher nur 28,57142 Prozent eines Eis gegessen hatte. Doch seine Frau trübte diese Freude - von einem, der durchschnittlicher ist, als er dachte.
Es war einmal der Herr Erwin Steinle, (seine Kollegen nannten ihn: Einsteinle), der in Stuttgart im Statistischen Landesamt beschäftigt war. Seine Personalakte konnte trotz intensiver Suche nicht mehr gefunden werden. Einige frühere Mitarbeiter, die heute alle schon über neunzig Jahre alt sind, erinnern sich aber an seinen häufig zitierten Spruch: Einmal ist keinmal.
Manche sind sich ganz sicher, dass er damit die Nullen und die Einsen meinte, die damals wie heute die Computer steuern. Andere bezweifeln dies.
Herr Erwin Steinle, Einsteinle also, könnte diesen Programmierfehler (Null statt Eins oder Eins statt Null) in den Binärcode eingeschmuggelt haben.
Dieser eine Einser, der eine Null wurde – einmal ist keinmal – könnte das vorbildliche Abschneiden Baden-Württembergs erklären. Bekanntlich heißt es ja das Musterländle und weist immer so mustergültige statistische Ergebnisse auf. Völlig unabhängig davon, um was es sich dreht.
Sein Vorname war vor 30 Jahren der beliebteste
Herr Sinner, ein Enkel von Herrn Steinle, las zufrieden in der Zeitung, dass der Durchschnittsbadenwürttemberger täglich 1,2857142 Eier verspeise. Da er selbst noch nie in seinem Leben 0,2857142 Eier oder 28,57142 Prozent eines Eis gegessen hatte, war er offensichtlich kein Durchschnittsmensch. Das freute ihn.
Doch seine Frau Sinner trübte diese Freude, wenn auch unabsichtlich. Er esse täglich ein Ei, samstags und sonntags aber zwei. Das sind neun Eier in sieben Tagen oder ... und nun nahm sie ihr Handy zu Hilfe, rief das Menu Taschenrechnerfunktion auf, tippte Neun dividiert durch Sieben und las 1,2857142. Das war bis auf die siebte – die letzte – Stelle hinter dem Komma genau die Menge an Eiern, die der Herr Ehemann Sinner und der Durchschnittsbadenwürttemberger verzehrten.
Der Herr Sinner war betroffen. Er – ein Durchschnittsmensch?
Fürderhin wich er dem Thema Durchschnitt aus, wenn er nur konnte. Las er in der Zeitung eine Überschrift, in der von Statistik, Mittelwerten oder ähnlichem die Rede war, überblätterte er lieber die ganze Seite. Vor allem nachdem ihm klar geworden war, dass jemand, der durchschnittlich groß war und durchschnittliche Ess- und Trinkgewohnheiten hatte, zwangsläufig auch ein durchschnittliches Gewicht auf die Waage brachte und... und so weiter.
Jedenfalls bis zu dem Tag, da ihn das Statistische Landesamt anrief, man habe ihn als Kontrollperson ausgewählt. Er habe den Vornamen, der vor dreißig Jahren der beliebteste war: Christian. Er habe einen Familiennamen der aus sechs Buchstaben bestehe, das sei der gewichtete Durchschnitt, und sein Name bestehe aus den fünf Buchstaben, die in allen Texten am häufigsten vorkommen. Auch der Anfangsbuchstabe – das S – sei der häufigste, also der Durchschnittsbuchstabe an sich.