Denkmalsturz in Kiew

Russisch-ukrainische Freundschaft ohne Kopf

04:33 Minuten
Zwei Statuen halten einen Sowjetstern in ihren Händen. Der rechten fehlt der Kopf, er liegt vor ihnen auf dem Boden.
Monument der russisch-ukrainischen Freundschaft in Kiew: nicht in die Umgebung eingebunden. © Imago/NurPhoto/Maxym Marusenko
Yevgenia Belorusets im Gespräch mit Johannes Nichelmann |
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Sollen alle Denkmäler in der Ukraine, die in irgendeiner Weise in Beziehung zu Russland stehen, geschleift werden? Die Künstlerin Yevgenia Belorusets wünscht sich darüber eine tiefere und breitere Debatte.
Seit 1982 stand das Denkmal in Kiew. Es symbolisierte die russisch-ukrainische Freundschaft: Zwei überlebensgroße Arbeiter im Monumentalstil halten einen Sowjetstern. Errichtet wurde es zum 60. Jahrestag der Gründung der Sowjetunion und zum 1.500-jährigen Bestehen Kiews. Jetzt wurde es demontiert, es passt seit dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht mehr in die Zeit.
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, nannte es "symbolisch", dass bei der Demontage der Skulptur einer der beiden Arbeiterköpfe herunterfiel. Weitere Denkmäler sollen rückgebaut werden, die Stadtverwaltung hat etwa 60 im Blick, die mit Russland und der Sowjetunion zusammenhängen.

Ästhetik der Stalin-Ära

Das Ansinnen ist verständlich, doch es gibt auch nachdenkliche Stimmen zu der Frage, ob jetzt systematisch alle Denkmäler, die einen russischen oder sowjetischen Bezug haben, geschleift werden sollen. Man brauche eine "breitere, tiefere und ruhigere Diskussion" darüber, sagt die ukrainische Fotokünstlerin Yevgenia Belorusets, die auf der Biennale in Venedig gerade neben ihren Werken auch ihre Kriegstagebücher ausstellt.
Die Beziehungen der beiden Länder, die sich über Jahrzehnte in das Stadtbild eingeprägt hätten, seien komplex. "Das ist manchmal schwer zu sagen, was eigentlich russisch ist."
Das jetzt abgebaute Monument für die russisch-ukrainische Freundschaft habe sie wegen der Ästhetik immer an die Stalin-Ära erinnert, sagt Belorusets. Obwohl der Platz bei vielen Bewohnern Kiews als Aufenthaltsort beliebt sei, sei das Denkmal nicht in die Umgebung eingebunden gewesen: "Es war ein formales Denkmal, das keine echte Rolle im Stadtleben spielt."

Der Denkmalsturz passt zum Krieg

Als Belorusets hörte, dass das Denkmal abgerissen wird, war ihre erste Reaktion Abwehr. Sie wollte nicht über Denkmäler nachdenken: "Jetzt denken wir an die Opfer des Krieges", sagt sie. Doch nach einer Weile änderte sich ihre Haltung: "Ich fand das der Zeit entsprechend. So ein Denkmal kann und soll auch während eines Krieges demontiert werden", sagt die Künstlerin.
(beb)

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