Stefan Brunnhuber: "Die offene Gesellschaft. Ein Plädoyer für Freiheit und Ordnung im 21. Jahrhundert"
Oekom, München 2019
176 Seiten, 20 Euro
Eine liberale Demokratie ist nicht bequem
06:32 Minuten
Dass die offene Gesellschaft immer Feinde haben wird, stellte bereits Karl Popper fest. Nun schreibt der Ökonom Stefan Brunnhuber in einem neuen Buch, der größte Feind der offenen Gesellschaft sei die Bequemlichkeit der Einzelnen.
Den Faschismus und den Stalinismus vor Augen legte der Philosoph Karl Popper 1945 sein politisches Hauptwerk "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" vor. Ein Gegenkonzept zu den Totalitarismen seiner Zeit. Zumindest in der sogenannten westlichen Welt hat sich Poppers Vorstellung einer liberalen Demokratie seither weitgehend durchgesetzt. Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, freie Presse und Wissenschaft gelten uns als selbstverständlich.
Den Faschismus und den Stalinismus vor Augen legte der Philosoph Karl Popper 1945 sein politisches Hauptwerk "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" vor. Ein Gegenkonzept zu den Totalitarismen seiner Zeit. Zumindest in der sogenannten westlichen Welt hat sich Poppers Vorstellung einer liberalen Demokratie seither weitgehend durchgesetzt. Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, freie Presse und Wissenschaft gelten uns als selbstverständlich.
Eine offene Gesellschaft ist immer eine kritische
Eine offene Gesellschaft ist bei Brunnhuber ebenso wie bei Popper vor allem eine kritische und selbstkritische Gesellschaft. In der globalisierten Welt hängt alles mit allem zusammen, gegenseitige Abhängigkeiten und Auswirkungen von Entscheidungen sind so komplex sind, dass niemand sie vollständig überblicken kann. Ohnmacht, Leugnen, Abschotten oder einfache Schuldzuschreibungen sind laut Brunnhuber der einfachere aber falsche Weg, damit umzugehen. Vielmehr brauche es die Einsicht, keine letztgültigen Wahrheiten gepachtet zu haben – mehr Demut also – und gleichzeitig den ständigen Versuch, die vielfältigen Auswirkungen des eigenen Handelns rational zu reflektieren. Politik funktioniert in der offenen Gesellschaft nach dem Prinzip Trial-and-Error, durch ständiges Infragestellen und anpassen der Lösungsansätze, durch kleine Reformen statt großer Umstürze. In einer solchen Gesellschaft, die von der Fehlerakzeptanz und Vielfalt lebt, kann fast alles toleriert werden – nur nicht die Intoleranz.
Doch wie lassen sich die Menschen dafür begeistern? Brunnhuber sucht in seinem Buch nach dem Narrativ dieser offenen Gesellschaft, nach der gemeinsamen positiven Erzählungen. Das gelingt ihm nur bedingt. So wichtig ein Plädoyer für eine tolerante, kritikfreudige Gesellschaft gerade angesichts der gegenläufigen Tendenzen ist, bleibt seine Vision schwer greifbar. Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, steht die offene Gesellschaft doch gerade für das Gegenteil von klar definierten Ideologien und Heilsversprechen.
Alles hat eine Richtung aber kein Ziel
In der offenen Gesellschaft, so schreibt Brunnuber, habe alles eine Richtung aber kein Ziel. Sätze wie diese richten sich gegen Dogmatismus, hinterlassen gelegentlich aber auch einen Eindruck von inhaltlicher Leere. Politische Konfliktlinien zwischen links und rechts oder Verteilungsfragen werden bei Brunnhuber zu kaum relevanten Nebenschauplätzen erklärt. Unbeachtet bleiben grundlegende Interessengegensätze und Machtasymmetrien, die sich womöglich nicht allein durch eine vernünftige Debattenkultur auflösen lassen.
Eine Analyse der gesellschaftlichen Spaltungen oder ihrer Gründe liefert Brunnhuber nicht, dafür aber ein Plädoyer zur richtigen Zeit und eine wichtige Erinnerung, dass die liberale Demokratie nicht das bequeme Ende der Geschichte ist, sondern über das individuelle Handeln eines jeden immer wieder mit Leben gefüllt werden muss.