Stefan Gosepath über Namibia

"Wir schulden dem globalen Süden Hilfe"

05:46 Minuten
Menschen warten in Namibias Hauptstadt Windhoek auf ihren Covid-19-Test.
Menschen warten in Namibias Hauptstadt Windhoek auf ihren Covid-19-Test. © picture alliance / Musa C Kaseke / Xinhua
Moderation: Jana Münkel |
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Ein offener Brief an die Bundesregierung weist auf Deutschlands spezifische Verantwortung für Namibia hin und verlangt mehr Unterstützung für das von Corona hart getroffene Land. Der Philosoph Stefan Gosepath findet dieses Argument problematisch.
In den afrikanischen Ländern ist die dritte Corona-Welle mit ziemlicher Wucht angekommen. Besonders betroffen ist Namibia: Die Krankenhäuser sind voll, es mangelt an Sauerstoff, es gibt keinen Impfstoff für Zweitimpfungen.
Unter anderem deshalb haben mehrere Afrika-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben, der einen Hilferuf enthält, den mehr als 250 Expertinnen und Experten unterzeichneten. Darin steht auch, dass Deutschland eine besondere Verantwortung für Namibia habe, weil es die ehemalige Kolonialmacht des Landes ist.
Grundsätzlich bejaht der Philosoph Stefan Gosepath die Aufforderung zur Hilfe für Namibia "auf jeden Fall". Allerdings setze der Hinweis auf die Kolonialvergangenheit die Abhängigkeitsstrukturen zwischen Kolonialmacht und Kolonie in gewisser Weise weiter fort. "Die Hilfe jetzt in der Pandemie, die wir dem globalen Süden schulden, also denjenigen Ländern, die nicht die Wirtschaftskraft und die Technologie haben, um sich selbst zu helfen, die ist natürlich global. Die schulden wir anderen Ländern genauso wie Namibia." Gosepath weist vor allem auf die "exorbitante Ungerechtigkeit" in der Verteilung der Impfstoffe hin und kritisiert die Bundesregierung für ihren Umgang mit dem Patentschutz für Impfstoffe.

Spezifische Verantwortung für Namibia

Deutschland habe sicherlich eine besondere Verantwortung für Namibia wegen des Völkermords an den Herero und Nama: "Wir müssen Wiedergutmachung und Reparationen leisten." Die Unterzeichnenden des Aufrufs seien der Meinung, dass neben der globalen Verantwortung auch eine spezifische Verantwortung als Deutsche für Namibia bestehe. "Und an die appellieren sie, dass Deutschland jetzt wenigstens in Bezug auf Namibia etwas tun solle – gerade vor dem Hintergrund des jetzt auf Eis liegenden Abkommens, wo es nicht weitergeht."
Der Philosoph und Autor Stefan Gosepath auf der phil.Cologne in Köln
Der Philosoph und Autor Stefan Gosepath© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Drei Hilfsflüge, wie jetzt geplant, seien wahrscheinlich nicht genug, sagt Gosepath: "Man könnte immer mehr tun, und die Frage ist, genau zu sagen: Wo ist jetzt genug getan." Die Verpflichtung sei aber viel globaler, Deutschland allein könne das nicht leisten. Deswegen müsse der globale Norden die Impfstoffe zur Verfügung stellen, zum Beispiel die EU. Die spezifische Verantwortung gegenüber Namibia sei ein Grund für uns Deutsche, besonders schnell und besonders massiv zu handeln, "aber letztendlich muss das eingebunden sein in ein großes Paket von globalen Hilfsmaßnahmen".
(cre)
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