Stefan Heym: "Flammender Frieden"

Packender Weltkriegsroman

07:56 Minuten
Cover von Stefan Heyms Roman "Flammender Frieden".
© Verlag C. Bertelsmann

Stefan Heym

Flammender FriedenC. Bertelsmann, München 2021

480 Seiten

24,00 Euro

Von Marko Martin · 28.12.2021
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Vor 20 Jahren starb Stefan Heym. Seine frühen Romane erschienen in den USA, sind aber heute fast vergessen. Jetzt erscheint Heyms spannender Politthriller "Flammender Frieden" von 1944 erstmals auf Deutsch.
Als der hochbetagte Stefan Heym am 16. Dezember 2001 während eines Israel-Aufenthaltes starb, schien in der Öffentlichkeit sein Bild wie festgefroren: Charakterkopf, DDR-Dissident, unbequemer Autor – und was der Floskeln noch mehr sind. Dass der 1912 in Chemnitz als Helmut Flieg in eine jüdische Familie geborene Autor bereits vor seiner Übersiedlung in die DDR 1952 ein eindrucksvolles (Schriftsteller-)Leben gehabt hatte – es war schlichtweg vergessen worden.

Erfolgreiche Romane in englischer Sprache

1933 aus Nazideutschland geflohen und via Prag in die Vereinigten Staaten emigriert, hatte Heym dort schon 1942 mit seinem später auch verfilmten Roman „Hostages“ für Aufsehen gesorgt. Er hatte den Politthriller, dessen deutscher Titel „Der Fall Glasenapp“ lautete, auf Englisch geschrieben und würde auch danach die meisten seiner Bücher in dieser Sprache schreiben. Das kam seinem Stil außerordentlich zugute: Sinn für Spannungsaufbau und für Plots, konzise Personen- und Situationsbeschreibungen, rasanter Wechsel zwischen Aktion und Reflexion.

Spannende Vorgeschichte eines Thrillers

Zum 20. Todestag Stefan Heyms erscheint nun – neben einer 28-bändigen digitalen Werkausgabe – der Roman „Flammender Frieden“, der 1944 in Boston unter dem Titel „Of Smiling Peace“ veröffentlicht worden war, vom Autor aber nie ins Deutsche übersetzt wurde. Weshalb wohl?
Vermutlich wollte Heym vermeiden, dass dieses Buch, an dem er damals in seiner Zeit als US-Sergeant im berühmten Ausbildungscamp Ritchie in Maryland in den freien Abendstunden geschrieben hatte, die Aufmerksamkeit abzog von „The Crusaders/Kreuzfahrer von heute“, seinem 1948 erschienenem Weltkriegs-Epos und erstem internationalen Erfolg. Und doch ist – trotz einiger kleinerer unplausibler Handlungssprünge – auch „Flammender Frieden“ (nunmehr von Bernhard Robben in ein elegantes Deutsch übersetzt) ein ungemein packendes Buch, das den Leser sofort atmosphärisch hineinzieht in die hochdramatische Lage in Nordafrika im Jahre 1942.

Blick hinter die Frontlinie

Was Billy Wilder damals in seinem Spielfilm „Fünf Gräber bis Kairo“ geleistet hatte, gelingt hier Stefan Heym in der Literatur: zu erzählen von den Kämpfen und Hinter-der-Front-Geschehnissen zwischen den Truppen der Westalliierten und der Wehrmacht. Vom westdeutschen Nachkriegsmythos der vermeintlich ideologiefrei kämpfenden Truppe des „Wüstenfuchses Rommel“ bleibt da nichts übrig. Zu eindeutig ist diese eingebettet in Hitlers wahnwitzige Welteroberungspläne.
Ambivalent sind in Heyms voluminösen, noch heute eminent lesbaren Roman dagegen so manche Algerien-Franzosen, die dem Vichy-Regime anhängen, ihre koloniale Attitüde pflegen und den vorrückenden Amerikanern in einer unguten Mischung aus Neid, Angst, Liebedienerei und Misstrauen begegnen.

Zwei Gegenspieler und eine Femme fatale

Die Hauptfiguren in diesem Panoramaroman, in dem auch noch das peripherste Stadt- oder Landschaftsdetail die Situation sinnlich erfahrbar macht, sind jedoch zwei Männer: Da ist der deutsch-jüdische Emigrant Bert Wolff, ein skrupulöser Intellektueller in der Uniform der US-Army, und sein Gegenspieler, der eiskalte Wehrmachtsoffizier von Liszt.
Im und jenseits des Kampfgeschehens umkreisen sie einander, sind plastisch geschilderte Gestalten statt pure Ideenträger (auch eine mysteriöse Femme fatale darf aus dramaturgischen Gründen nicht fehlen) und gleichzeitig früher Ausweis von Heyms großer Erzählkunst.

Humanismus versus Nihilismus

Die Streitdialoge, die schließlich bei einem Verhör zwischen dem humanistischen Universalisten Wolff und seinem ebenso gebildeten, doch nihilistischen Konterpart Liszt aufbrechen, sind nahezu atemberaubend in ihrer Stringenz.
Und wie aktuell, da doch gegenwärtig Islamisten und rechte und linke Liberalismus-Verächter darin wetteifern, die westlichen Demokratien der Schwäche und der Heuchelei zu zeihen. Töten denn die anderen nicht auch, fragt der Nazi zynisch, und von Sergeant Wolf (alias Sergeant Stefan Heym) gibt ihm die bis heute gültige Antwort: „Wir denken beim Töten ans Leben. Deshalb sind wir stärker.“ 

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