Stefan Moses: "Begegnungen mit Peggy Guggenheim"

Private Porträts der "Jahrhundertmuse"

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Ein neuer Bildband zeigt Fotografien der Kunstsammlerin Peggy Guggenheim © Picture-Alliance / DPA / Giornalfoto Mailand / Suhrkamp / Combo: Deutschlandradio)
Von Eva Hepper |
Der Fotograf Stefan Moses gestattet einen Blick in sein Archiv - zutage kommen dabei Fotografien der legendären Kunstsammlerin Peggy Guggenheim, wie man sie bislang noch nicht gesehen hat. Der Porträtist kam ihr ganz nahe - das Resultat ist augenöffnend.
Das Porträt der Anfang 70-jährigen Peggy Guggenheim im venezianischen Wassertaxi wurde weltberühmt: es zeigt die Kunstsammlerin umrahmt von ihren geliebten Lhasa-Hunden bei einer Fahrt durch die Kanäle; auf dem Schoß ein aufgeschlagenes Buch, auf der Nase eine extravagante Sonnenbrille, mit einer Hand hält sie den Pelzkragen ihres Mantels vor dem Hals zusammen.
Exzentrisch wirkt sie, ein bisschen schrullig auch, und so illustriert die Schwarz-Weiß-Fotografie geradezu perfekt ihren Ruf als Paradiesvogel der Kunstszene des 20sten Jahrhunderts.
Wer hätte gedacht, dass es noch mehr dieser Bilder gibt, und noch dazu in Farbe! Immerhin stammt die Aufnahme von einem großen Vertreter der Schwarz-Weiß-Kunst: Stefan Moses. Der 1928 in Schlesien geborene Fotograf und Chronist deutscher (auch Alltags-) Geschichte porträtierte berühmte Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Ilse Aichinger, Loriot oder Theodor Adorno und blieb dabei stets seinem Credo treu: "Farbe vergeht! Schwarz-Weiß besteht!"

Quietschend bunte Fotografien

Doch 1969 und 1974 beim Besuch Peggy Guggenheims in Venedig (im Auftrag eines Magazins), machte er eine Ausnahme. Schließlich wollte er auch ihre Kunst fotografieren. Publiziert wurden anschließend nur wenige Bilder. Erst heute, über vier Jahrzehnte später, zeigt Moses in "Begegnungen mit Peggy Guggenheim" (mit einer lesenswerten Einführung von Thomas Elsen) erstmals alle 123 – teils quietschend bunten – Fotografien.
So hat man Peggy Guggenheim noch nicht gesehen: Moses spaziert mit ihr durch die Stadt und inszeniert sie vor Sehenswürdigkeiten. Später fotografiert er sie beim Frisieren auf der Hollywoodschaukel, auf dem Sofa liegend, beim Abendessen, im Schlafzimmer mit dem von Alexander Calder gestalteten Bettgestell, telefonierend unter einem großen Kandinsky, mal sinnierend, mal melancholisch, mal voller Selbstironie - und stets umgeben von ihren Lhasa Apsos.
Selbst wenn Moses nur ihre Räume und Kunstwerke ablichtet, ist die Abwesende anwesend - und sei es durch ihre rote Handtasche, die als Stellvertreterin dient.

Intime Einblicke

Es ist erstaunlich, wie nahe Stefan Moses der 1979 verstorbenen "Jahrhundertmuse" kam, die mit Max Ernst verheiratet war und neben vielen anderen mit Samuel Beckett eine Affäre hatte. Dem Porträtisten gegenüber gibt sie sich ungezwungen, natürlich und offen. Sogar ihre privaten Fotoalben durfte er ablichten. Sie bilden das Herzstück dieses Bildbandes und zeigen die Menschen ihres Lebens: ihre Kinder, ihre Männer, Freunde und Freundinnen.
Ein außergewöhnliches Buch! Es ermöglicht intime Einblicke in Peggy Guggenheims Leben und Persönlichkeit, es zeigt eine ganz andere Seite des Schwarz-Weiß-Fotografen Stefan Moses, und es bietet viele Porträts der Diva als Serie.
Dem "entscheidenden Augenblick" des Kollegen Cartier-Bresson setzt Moses damit die vielen flüchtigen Momente entgegen, aus denen sich das Leben formt. Allein zehn Fotografien zeigen die berühmte Szene im Wassertaxi und damit die ganze fröhlich übermütige Gestimmtheit der gemeinsamen Fahrt. Augenöffnend.

Stefan Moses: Begegnungen mit Peggy Guggenheim
mit einem Essay von Thomas Elsen
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2017
144 Seiten, 48 Euro

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