Theaterstück "Heil"
In einer Rede auf einer Anti-Faschismus-Demo rief Sargnagel satirisch dazu auf, sich von Esoterikern zu distanzieren und "den Hippies in die Klangschalen zu scheißen. © Pertamer / Rabenhof
Stefanie Sargnagels knallbunte Horrorshow
07:39 Minuten
Für ihr Theaterstück „Heil. Eine energetische Reinigung“ hat sich die österreichische Autorin Stefanie Sargnagel in die Welt der "Nippies" begeben: der Nazis und Hippies. Während der Corona-Pandemie marschierten sie gemeinsam durch die Straßen.
Auf den Corona-Demonstrationen protestierten sie Seite an Seite: Ultrarechte und Esoteriker, tanzende Menschen in weißen Gewändern und Landbevölkerung mit Kuhglocken. Vor allem die Ambivalenz des Themas habe sie interessiert, sagt die Autorin Stefanie Sargnagel, die viele der Corona-Demos beobachtet und nun ein Theaterstück über die Szene geschrieben hat. Die Proteste hatten für sie einen gewissen Unterhaltungswert als „Kuriositätenkarneval", mit "wirklich bekannten, in Österreich verurteilten Neonazis“ neben Leuten aus dem grünen, alternativen Öko-Bürgertum. Das sei "faszinierend und erschreckend zugleich" gewesen.
Die Esoterik habe in der Ästhetik etwas sehr Verharmlosendes, sagt Sargnagel. "Es geht viel um schöne Farben, um gute Gerüche, um ein harmonisches Miteinander, und dann ist da plötzlich so viel faschistoides Potenzial drin, so viel Naturverherrlichung und auch das Drüberfahren über schwächere Gesellschaftsmitglieder.“ Die Ambivalenz, die da drinstecke, sei "auch humoristisch interessant“.
Traditionelle Wissenschaftsskepsis
In einer Rede auf einer Anti-Faschismus-Demo rief Sargnagel satirisch dazu auf, sich von Esoterikern zu distanzieren und "den Hippies in die Klangschalen zu scheißen. Deshalb wurde ich gefragt, ob ich nicht auch ein längeres Stück schreiben will, für das Theater, und das habe ich dann gemacht.“
Gründe für den Schulterschluss von Nazis und Esoterikern auf den Corona-Demos gebe es viele, sagt Sargnagel. Einer sei die traditionelle Wissenschaftsskepsis, die im deutschsprachigen Raum vorherrsche: „Im Nationalsozialismus wurde Aufklärung und Wissenschaft mit Juden und Jüdinnen in Verbindung gebracht.“
Die Ursachen herauszuarbeiten, sei aber nicht Ziel ihres Theaterstücks. Vielmehr geht es Sargnagel darum, das Horrorhafte dieser esoterischen Szene hervorzukehren – „und ein bisschen eine Phobie bei den Leuten auszulösen, weil es ja das eigene Milieu betrifft. Und dann vielleicht doch eine falsche Toleranz herrscht, weil es so harmlos daherkommt und doch nicht so harmlos ist, wie man dachte, wenn es um eine Notsituation wie eine Pandemie geht“. Ihr Theaterstück, das am 6. Oktober am Rabenhof Theater in Wien Premiere feiert, sei eine „sehr groteske, knallbunte Horrorshow“.
(lkn)