Steffen Kampeter: Wir brauchen eine maßvolle Regulierung
Von dem Gesetz zum Hochfrequenzhandel, das das Bundeskabinett heute als Entwurf verabschieden wird, erwartet Steffen Kampeter (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, dass es auf der einen Seite den Handelsplatz Deutschland offenhalte und gleichzeitig die Auswüchse des Hochfrequenzhandels zumindest reduziere.
André Hatting: Zeit ist Geld – nirgendwo gilt das so sehr wie an der Börse. Beim Hochfrequenzhandel vergleichen Computerprogramme in Sekundenbruchteilen verschiedene Märkte. Bei minimalen Preisunterschieden kaufen beziehungsweise verkaufen sie automatisch, das aber in solchen Mengen, dass schon ein halber Cent in der Summe Millionenbeträge ausmachen kann – und Millionenverluste, denn wehe, der Rechner spinnt oder wurde falsch programmiert.
In den USA gehen bereits 70 Prozent des gesamten Handelsvolumens an den Börsen auf Hochfrequenzhandel zurück. Im Xetra-Handel der deutschen Börse sind es immerhin 40 Prozent. Die Bundesregierung will deshalb diesen High-Speed-Markt besser kontrollieren. Heute berät das Kabinett über mögliche Maßnahmen. Andreas Baum:
"Die Bundesregierung will die Risiken des Hochfrequenzhandels eindämmen, und genau darüber möchte ich jetzt mit Steffen Kampeter sprechen, er ist Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Guten Morgen, Herr Kampeter!"
Steffen Kampeter: Guten Morgen aus Berlin!
Hatting: Lassen Sie mich einen Vorschlag herausgreifen, das Zulassungsverfahren: Wie wollen Sie einen Broker aus Singapur zulassen und bei Verstößen dingfest machen, der international hochfrequent zockt?
Kampeter: Na ja, also wir machen ja zweierlei: Wir machen einmal eine Art Führerschein für denjenigen, der über die deutschen Plattformen Hochfrequenzhandel betreiben möchte – dazu muss er bestimmte organisatorische Voraussetzungen schaffen –, und wir schaffen eine Straßenverkehrsordnung, das heißt Regeln, was über diejenigen Börsen, die in Deutschland tätig sind, oder andere Handelsplätze, geregelt worden sind, beispielsweise die Pflicht zum Vorhalten bei größeren Kurssprüngen, die offenkundig technologisch induziert sind und nicht marktinduziert sind, der Handelsaussetzung zu machen. Und mit beiden Dingen, also Zulassung, sprich Führerschein, und eine strikte Straßenverkehrsordnung können wir den Handelsplatz Deutschland offenhalten, aber gleichzeitig Auswüchse des Hochfrequenzhandels vermeiden beziehungsweise verringern.
Hatting: Der schnellste Rechner handelt in 0,00025 Sekunden. So schnell kann man nicht mal blinzeln. Bis der Handel ausgesetzt wird wegen auffällig hoher Kursschwankungen, so wie Sie das gerade erklärt haben, sind die Millionen doch längst verbrannt.
Kampeter: Also ich glaube ja, dass die einzelnen Maßnahmen vor allen Dingen ja auch dazu führen, dass die Hochfrequenzhändler ihre Strategie überdenken, wenn sie am Marktplatz Deutschland tätig sein wollen. Das ist für viele ein attraktiver Handelsplatz, was allerdings überhaupt gar keinen Sinn macht, ist, die Leute in nicht regulierte Länder zu vertreiben, deswegen glaube ich an eine Regulierung von Maß und Mitte, die auch eben berücksichtigt, dass der Hochfrequenzhandel eine Möglichkeit ist, Kapitalmärkte, wenn sie denn anständig und angemessen reguliert sind, auch dauerhaft funktionsfähig zu halten.
Hatting: Wir tun jetzt aber noch so, als sei dieser Hochfrequenzhandel ein System mit sozialen Agenten, also wo wirkliche Menschen handeln. Allerdings ist es so, dass die längst mit Mathematik und Physik operieren, das heißt, die Algorithmen, also die Rechenoperationen, die machen das selbstständig.
Kampeter: Ja, das ist richtig, und deswegen werden wir ja auch organisatorische Anforderungen an Hochfrequenzhändler stellen und die Kennzeichnungspflichten für Algorithmen erstmals in einem Gesetz kodifizieren. Damit können wir fehlerhafte oder marktmanipulierende Algorithmen schon gleichzeitig erfassen. Darüber hinaus glaube ich schon, dass die Straßenverkehrsregeln von den Händlern wohl begriffen werden, und wir wollen zu einem ordnungsgemäßen Verhalten auf diesen Technologieplattformen anleiten.
Wenn wir dabei auf Europa warten würden, würden wir noch jahrelang wahrscheinlich überhaupt gar keine Regulierung haben. Deswegen, Wolfgang Schäuble ist da ein Vorreiter, das heißt nicht, dass wir den letzten Funken Wahrheit schon damit realisiert haben, aber der erste Aufschlag ist, glaube ich, schon richtig, er führt, er zeigt, ohne Regulierung wird auch Hochfrequenzhandel in Deutschland nicht mehr zulässig sein.
Hatting: Verstehe ich Sie richtig? Also wenn da ein falscher Algorithmus am Werk war, dann wird derjenige bestraft, der ihn programmiert hat – und wie wird der dann haftbar gemacht?
Kampeter: Die Auskunfts- und Eingriffsrechte für die Börsenaufsicht und die BaFin sind erweitert worden. Ich glaube, dass man in diesen Bereichen Manipulationen wird verringern können. Ob man sie ganz ausschließen wird, da werden wir in den nächsten Jahren sicherlich auch noch Innovationen haben, dann wird die Gesetzgebung sich auch auf diese neuen Strategien konzentrieren müssen, aber noch mal, wenn wir jetzt nicht handeln, wird es keine Regulierung des Hochfrequenzhandels in Europa geben. Wenn wir eine maßlose Regulierung machen, drängen wir diese Plattform in unregulierte Bereiche und erreichen keinen gesellschaftlichen Fortschritt.
Hatting: Und ich frage jetzt noch mal, und wer zahlt bei diesen Schäden, sind das dann die Händler.
Kampeter: Ich weise darauf hin, dass mit den erstmals vorhandenen Verkehrsregeln wir hier ein vernünftigeres und maßvolleres Handeln haben. Die effektive Regulierung ist unser Ziel, nicht die Frage jetzt in den Vordergrund zu stellen, ob wir Schadensersatzansprüche daraus begründen, sondern hier sind regulatorische Ansprüche im Vordergrund.
Hatting: Ist nur der Hochfrequenzhandel das Problem oder der Computerhandel generell?
Kampeter: Ich bin nicht grundsätzlich gegen den Einsatz von Computern, es ist ein eher etwas romantisches Verhältnis zur Börse, wenn man das aus diesen alten Spielfilmen kennt, wo laute Börsenhändler sind. Die technische, technologische Innovation schreitet voran, und im Übrigen können Computer auch durchaus hilfreich sein. Der entscheidende Nachteil ist, dass die technologische Innovation in einem rechtsfreien Raum stattgefunden hat, während wir sehr stark regulierte Börsen haben, die von Menschen betrieben worden sind, hat der Rechtsrahmen nicht darauf reagiert, dass die technologische Innovation die Maschine in den Vordergrund gestellt hat, und deswegen war dieses Gesetz der Bundesregierung, glaube ich, ein wichtiger Markstein. Aber man darf es nicht isoliert betrachten, es gibt andere regulatorische Momente, die Umsetzung von Basel III oder die Kodifizierung von Hedgefonds, andere nationale und europäische Regelungen, sie müssen ineinandergreifen, um die Finanzmärkte in ihrer dienenden Funktion wieder zu etablieren.
Hatting: Steffen Kampeter, CDU-Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Danke für das Gespräch, Herr Kampeter!
Kampeter: Herzlich gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
In den USA gehen bereits 70 Prozent des gesamten Handelsvolumens an den Börsen auf Hochfrequenzhandel zurück. Im Xetra-Handel der deutschen Börse sind es immerhin 40 Prozent. Die Bundesregierung will deshalb diesen High-Speed-Markt besser kontrollieren. Heute berät das Kabinett über mögliche Maßnahmen. Andreas Baum:
"Die Bundesregierung will die Risiken des Hochfrequenzhandels eindämmen, und genau darüber möchte ich jetzt mit Steffen Kampeter sprechen, er ist Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Guten Morgen, Herr Kampeter!"
Steffen Kampeter: Guten Morgen aus Berlin!
Hatting: Lassen Sie mich einen Vorschlag herausgreifen, das Zulassungsverfahren: Wie wollen Sie einen Broker aus Singapur zulassen und bei Verstößen dingfest machen, der international hochfrequent zockt?
Kampeter: Na ja, also wir machen ja zweierlei: Wir machen einmal eine Art Führerschein für denjenigen, der über die deutschen Plattformen Hochfrequenzhandel betreiben möchte – dazu muss er bestimmte organisatorische Voraussetzungen schaffen –, und wir schaffen eine Straßenverkehrsordnung, das heißt Regeln, was über diejenigen Börsen, die in Deutschland tätig sind, oder andere Handelsplätze, geregelt worden sind, beispielsweise die Pflicht zum Vorhalten bei größeren Kurssprüngen, die offenkundig technologisch induziert sind und nicht marktinduziert sind, der Handelsaussetzung zu machen. Und mit beiden Dingen, also Zulassung, sprich Führerschein, und eine strikte Straßenverkehrsordnung können wir den Handelsplatz Deutschland offenhalten, aber gleichzeitig Auswüchse des Hochfrequenzhandels vermeiden beziehungsweise verringern.
Hatting: Der schnellste Rechner handelt in 0,00025 Sekunden. So schnell kann man nicht mal blinzeln. Bis der Handel ausgesetzt wird wegen auffällig hoher Kursschwankungen, so wie Sie das gerade erklärt haben, sind die Millionen doch längst verbrannt.
Kampeter: Also ich glaube ja, dass die einzelnen Maßnahmen vor allen Dingen ja auch dazu führen, dass die Hochfrequenzhändler ihre Strategie überdenken, wenn sie am Marktplatz Deutschland tätig sein wollen. Das ist für viele ein attraktiver Handelsplatz, was allerdings überhaupt gar keinen Sinn macht, ist, die Leute in nicht regulierte Länder zu vertreiben, deswegen glaube ich an eine Regulierung von Maß und Mitte, die auch eben berücksichtigt, dass der Hochfrequenzhandel eine Möglichkeit ist, Kapitalmärkte, wenn sie denn anständig und angemessen reguliert sind, auch dauerhaft funktionsfähig zu halten.
Hatting: Wir tun jetzt aber noch so, als sei dieser Hochfrequenzhandel ein System mit sozialen Agenten, also wo wirkliche Menschen handeln. Allerdings ist es so, dass die längst mit Mathematik und Physik operieren, das heißt, die Algorithmen, also die Rechenoperationen, die machen das selbstständig.
Kampeter: Ja, das ist richtig, und deswegen werden wir ja auch organisatorische Anforderungen an Hochfrequenzhändler stellen und die Kennzeichnungspflichten für Algorithmen erstmals in einem Gesetz kodifizieren. Damit können wir fehlerhafte oder marktmanipulierende Algorithmen schon gleichzeitig erfassen. Darüber hinaus glaube ich schon, dass die Straßenverkehrsregeln von den Händlern wohl begriffen werden, und wir wollen zu einem ordnungsgemäßen Verhalten auf diesen Technologieplattformen anleiten.
Wenn wir dabei auf Europa warten würden, würden wir noch jahrelang wahrscheinlich überhaupt gar keine Regulierung haben. Deswegen, Wolfgang Schäuble ist da ein Vorreiter, das heißt nicht, dass wir den letzten Funken Wahrheit schon damit realisiert haben, aber der erste Aufschlag ist, glaube ich, schon richtig, er führt, er zeigt, ohne Regulierung wird auch Hochfrequenzhandel in Deutschland nicht mehr zulässig sein.
Hatting: Verstehe ich Sie richtig? Also wenn da ein falscher Algorithmus am Werk war, dann wird derjenige bestraft, der ihn programmiert hat – und wie wird der dann haftbar gemacht?
Kampeter: Die Auskunfts- und Eingriffsrechte für die Börsenaufsicht und die BaFin sind erweitert worden. Ich glaube, dass man in diesen Bereichen Manipulationen wird verringern können. Ob man sie ganz ausschließen wird, da werden wir in den nächsten Jahren sicherlich auch noch Innovationen haben, dann wird die Gesetzgebung sich auch auf diese neuen Strategien konzentrieren müssen, aber noch mal, wenn wir jetzt nicht handeln, wird es keine Regulierung des Hochfrequenzhandels in Europa geben. Wenn wir eine maßlose Regulierung machen, drängen wir diese Plattform in unregulierte Bereiche und erreichen keinen gesellschaftlichen Fortschritt.
Hatting: Und ich frage jetzt noch mal, und wer zahlt bei diesen Schäden, sind das dann die Händler.
Kampeter: Ich weise darauf hin, dass mit den erstmals vorhandenen Verkehrsregeln wir hier ein vernünftigeres und maßvolleres Handeln haben. Die effektive Regulierung ist unser Ziel, nicht die Frage jetzt in den Vordergrund zu stellen, ob wir Schadensersatzansprüche daraus begründen, sondern hier sind regulatorische Ansprüche im Vordergrund.
Hatting: Ist nur der Hochfrequenzhandel das Problem oder der Computerhandel generell?
Kampeter: Ich bin nicht grundsätzlich gegen den Einsatz von Computern, es ist ein eher etwas romantisches Verhältnis zur Börse, wenn man das aus diesen alten Spielfilmen kennt, wo laute Börsenhändler sind. Die technische, technologische Innovation schreitet voran, und im Übrigen können Computer auch durchaus hilfreich sein. Der entscheidende Nachteil ist, dass die technologische Innovation in einem rechtsfreien Raum stattgefunden hat, während wir sehr stark regulierte Börsen haben, die von Menschen betrieben worden sind, hat der Rechtsrahmen nicht darauf reagiert, dass die technologische Innovation die Maschine in den Vordergrund gestellt hat, und deswegen war dieses Gesetz der Bundesregierung, glaube ich, ein wichtiger Markstein. Aber man darf es nicht isoliert betrachten, es gibt andere regulatorische Momente, die Umsetzung von Basel III oder die Kodifizierung von Hedgefonds, andere nationale und europäische Regelungen, sie müssen ineinandergreifen, um die Finanzmärkte in ihrer dienenden Funktion wieder zu etablieren.
Hatting: Steffen Kampeter, CDU-Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Danke für das Gespräch, Herr Kampeter!
Kampeter: Herzlich gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.