Lebensmittel

Steigende Preise gefährden den sozialen Frieden

07:12 Minuten
Hände halten Weizenähren.
Lebensmittel, das neue Gold? © imago / NurPhoto / Karam Almasri
Felix Anderl im Gespräch mit Julius Stucke |
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Weltweit steigen die Lebensmittelpreise. In einigen Ländern im Globalen Süden könnte das zu schweren Unruhen führen, warnt der Kreditversicherer Allianz Trade. Doch auch der Westen hat sich angreifbar gemacht, erklärt Konfliktforscher Felix Anderl.
Eine Studie des Kreditversicherers Allianz Trade warnt vor möglichen Unruhen in elf Ländern aufgrund steigender Lebensmittelpreise. Das betrifft vor allem Afrika, Asien und den Nahen Osten. In einigen Ländern könne der Preisanstieg sogar zum Sturz von Regierungen wie im Arabischen Frühling führen.
Doch den Preisanstieg als alleinigen Grund für den Arabischen Frühling zu betrachten, sei verkürzt, erklärt der Konfliktforscher Felix Anderl von der Philipps-Universität Marburg:
„Typischerweise ist der mangelnde Zugang zu Lebensmitteln nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Meistens sind es lokale oder nationalspezifische Unzufriedenheiten oder der Widerstand, der sich jahrelang nicht äußern kann – zum Beispiel wegen staatlicher Repressionen. Dann kommt eine Nahrungsmittelkrise und entfacht die Wut auch von vielen Leuten, die sonst eher unpolitisch sind. Diese können dann von Regimegegnern mobilisiert werden.“

Preisanstieg führt nicht zwangsläufig zu Protest

Der Arabische Frühling begann mit einem Ereignis Ende 2010 in Tunesien, wie Anderl erklärt. Der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi protestierte gegen Polizeiwillkür und Demütigungen und zündete sich selbst an. Von da an kam es zu Massenunruhen in etlichen Staaten im Nahen Osten, die unter dem Begriff Arabischer Frühling zusammengefasst werden.
„Wenn viele Menschen annehmen, dass der Staat eine zentrale Aufgabe nicht bedient, kann das zu Protesten führen. Die Aufgabe der Nahrungssicherheit wurde in den letzten Jahrzehnten eigentlich outgesourct“, erklärt der Konfliktforscher.
Es wäre zu simpel, warnt Anderl, „nur mit dem erhobenen Zeigefinger auf Putin zu zeigen“. Zwar seien „sein Krieg und seine Blockaden schuld daran, dass ukrainischer Weizen nicht exportiert werden kann, aber der Westen hat in den letzten 30 Jahren das Nahrungsmittelsystem entstaatlicht und auf Just-in-time-Lieferungen gesetzt.“
Diese seien eben nicht so krisenfest, sagt Anderl. „Da wird sich zeigen, ob die Leute das mit den einzelnen Regierungen in Verbindung bringen und wer da als Schuldiger ausgemacht wird.“

Ein transnationales System der Solidarität

Für die Menschen vor allem im Globalen Süden, bei denen kein Weizen mehr aus der Ukraine ankommt, müsse nun kurzfristig „ein transnationales System der Solidarität eingerichtet werden“, fordert Anderl: also austauschen, handeln und auch Hilfslieferungen zulassen.

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