Kann der Iran im Syrien-Konflikt vermitteln?
Nach dem Atomabkommen besucht Außenminister Frank-Walter Steinmeier den Iran und Saudi-Arabien und will dort für eine politische Lösung im Syrien-Konflikt werben. Grünen-Politiker Omid Nouripour bezweifelt, dass es gelingt, den Iran dafür zu gewinnen.
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour dämpft Hoffnungen, dass es gelingt, den Iran für eine Befriedung Syriens zu gewinnen.
"Das ist ein hehrer Ansatz, ich glaube, der ist sehr unrealistisch", sagte Nouripour im Deutschlandradio Kultur über die Hoffnung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), den Iran nach Abschluss des Atomabkommens jetzt zur Mitarbeit bei der Suche nach einer Friedenslösung für Syrien zu bewegen. Sowohl die Akteure der beiden Politikfelder seien völlig verschieden, zudem habe der Revolutionsführer als oberste Instanz des Landes in den vergangenen Tagen erklärt, dass über andere Themen als die Atomfrage nicht mit den USA verhandelt werden solle. Es sei daher "schon sehr wagemutig, anzunehmen, dass jetzt alles gut wird."
Wie der Iran die gelockerten Sanktionen nutzen wird, ist noch offen
Das Abkommen berge auch das Risiko, dass der Iran die finanziellen Mittel, die mit der Lockerung der Sanktionen ins Land fließen, zur Verstärkung seiner militärischen Einsätze nutze. "Geben sie es aus, damit die Wirtschaft auf die Beine kommt, oder dafür dass die Situation in Syrien schlimmer wird?" Daher gebe es vorerst "keine Grund zur Euphorie", erklärte der außenpolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, der als Teil einer Kulturdelegation den Bundesaußenminister bei seiner Reise in den Iran, nach Saudi-Arabien und Jordanien begleitet.
Hohe Erwartungen in der iranischen Bevölkerung
Durch den Abschluss des Atomprogramms gebe es in der iranischen Bevölkerung hohe Erwartungen und eine "riesige Sehnsucht (...) nach Beendigung der Isolation", berichtete Nouripour, der sich bereits seit einigen Tagen in Teheran aufhält. "Nur sind die Erwartungen (...) teilweise viel zu hoch, sodass man aufpassen muss, dass man die Menschen nicht enttäuscht", so der der 1975 in Teheran gebürtige Grünenpolitiker, der seit 1988 in Deutschland lebt. Problematisch sei auch weiterhin die Menschenrechtslage im Land. Allerdings eröffneten sich über engere politische Beziehungen und Wirtschaftskontakte zugleich neue Spielräume: "Und das muss Steinmeier nutzen, um jetzt die der Menschenrechtslage im Land ansprechen", forderte der Grünenpolitiker.
Neue Vermittlerrolle
Grundsätzlich begrüßte Nouripour das Anliegen des deutsche Außenministers bei seinem Besuch in Riad und Teheran Brücken zwischen den Kontrahenten Iran und Saudi-Arabien zu bauen und eine neue Vermittlerrolle einzunehmen. "Ich finde, dass es unser Job ist, zu sagen, wir sind neutral. Das war in den letzten Jahren nicht so."
____________________
Das vollständige Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Es ist keine alltägliche Reise, die Frank-Walter Steinmeier derzeit unternimmt. Zum ersten Mal seit 2003 ist ein deutscher Außenminister zu Besuch in Iran. Möglich wurde das, weil im Juli nach jahrelangen Verhandlungen der Atomkonflikt mit Iran beigelegt werden konnte, Iran darf Atomkraft nutzen, aber nur so, dass keine Atomwaffen gebaut werden können, und im Gegenzug werden die internationalen Sanktionen gelockert beziehungsweise aufgehoben. Zur Delegation des Außenministers gehört auch der außenpolitische Sprecher der Grünen, wobei Herr Omid Nouripour jetzt schon in Teheran ist. Guten Morgen!
Omid Nouripour: Schönen guten Morgen!
Welty: Auch für Sie dürfte diese Reise eine besondere sein, denn Sie wurden vor etwas mehr als 40 Jahren in Teheran geboren. Wie erleben Sie die Stadt im Vorfeld des Steinmeier-Besuchs?
Riesige Sehnsucht nach internationaler Anerkennung und Beendigung der Isolation
Nouripour: Es gibt hier eine riesige Sehnsucht nach internationaler Anerkennung und nach Beendigung der Isolation und es gibt natürlich auch eine relativ depressive Stimmung in der Wirtschaft, sodass man sich sehr freut auf eine Öffnung. Und unbenommen davon, wie die politische Elite des Landes das jetzt am Ende verwenden will, dass es eine Öffnung geben kann, die Bevölkerung freut sich ungemein und hat sich auch sehr, sehr gefreut, als es ein Atomabkommen gegeben hat. Nur sind die Erwartungen wahnsinnig hoch, ich würde sagen, teilweise viel zu hoch, sodass man sehr aufpassen muss, dass man die Menschen nicht enttäuscht.
Welty: Was haben Sieerwartet, worüber haben Sie sich gefreut im Zusammenhang mit diesem Besuch in Teheran, in Ihrer Geburtsstadt?
Nouripour: Na ja, es ist ja nicht so, dass, seit ich das Land verlassen habe vor 28 Jahren, jetzt häufig hier war. Das ist immer sehr emotional, man fährt an einer Ecke vorbei, schaut auf ein Gebäude, sagt, hier habe ich doch angefangen, Deutsch zu lernen, oder hier um die Ecke hat mein Onkel gewohnt. Das ist schon sehr aufwühlend teilweise. Aber es ist am Ende des Tages natürlich so, dass ich hier deutscher Bundestagsabgeordneter bin, und es geht darum, darüber zu sprechen, und zwar nicht nur mit den Offiziellen in diesem Lande, wie es denn weitergeht und wie man diese Chance nutzen kann, die derzeit auf dem Tisch ist mit dem Atomabkommen.
Welty: Wenn wir noch mal auf dieses Atomabkommen zurückblicken und auf diesen Juli, als das ausgehandelt worden ist ... Ich glaube, wir treten dem Außenminister nicht zu nahe, wenn wir sagen, Steinmeier war sehr erleichtert, als eben jenes Abkommen von Wien unter Dach und Fach war, und auch die iranische Seite treibt den Prozess der Umsetzung ja voran. Aber mit wie viel Kritik, mit wie viel Bedenken muss Steinmeier noch rechnen – offiziell, aber womöglich noch mehr inoffiziell?
Nouripour: Ja, ich habe als Oppositionspolitiker keine Jobbeschreibung, in der drinsteht, ich müsse jetzt Steinmeier loben. Aber ...
Welty: Na ja, Sie kennen ja die Lage im Iran vielleicht sogar besser als andere?
Wie der Iran die gelockerten Sanktionen nutzen wird, ist noch offen
Nouripour: Na, das ist richtig, ich will ja nichtsdestotrotz sagen, dass er bei dem Atomabkommen eine hervorragende Rolle gespielt hat. Und sein Team und er haben wirklich wochenlang sich aufgerieben und die haben wirklich einen guten Job gemacht, das kann man einfach nur, egal ob Opposition oder nicht, kann man einfach nur danken. Das Problem ist nur, dass danach jetzt nicht nur ein Tauwetter existiert, sondern ganz viel Euphorie. Bei mir melden sich mehrfach die Woche deutsche Unternehmer, die sagen, soll ich jetzt anfangen, da zu investieren? Ich kann nur sagen: Abwarten! Es gibt sehr viele Risiken. Das Abkommen ist sehr begrüßenswert, allein deswegen schon, weil, wenn es kein Abkommen gibt, die Iraner die Zentrifugen ohne Inspektionen weiterlaufen lassen können. Und deshalb war ich immer für dieses Abkommen. Aber es kann natürlich auch sein, dass dadurch, dass die Sanktionen jetzt gelockert werden gegen den Iran, neues Geld reinkommt. Und die Frage ist, wofür geben sie das Geld aus? Geben sie es aus, damit die Wirtschaft des Landes schon auf die Beine kommt, oder geben sie es dafür aus, damit die Situation in Syrien schlimmer wird? Das ist noch nicht geklärt und deshalb gibt es keinen Grund zur Euphorie. Und das muss man auch beiden Seiten sehr klar erklären, auch die Frage der Menschenrechte ist fatal. Es gibt ja viel Kritik auch an Steinmeier in Deutschland wegen seiner Reise. So manche kann ich verstehen, nicht weil er reist, sondern weil es sehr viele Leute gibt, die einfach berechtigterweise emotional sind, wenn sie sehen, dass die Zahl der Exekutionen im Iran unter Rohani sogar zugenommen hat im Vergleich zu seinem Vorgänger.
Welty: Lässt sich denn dieses Abkommen auch nutzen, um den Konflikt in Syrien zu entschärfen?
Nouripour: Ich glaube nicht. Ich weiß, dass der Außenminister das die ganze Zeit sagt, er sagt die ganze Zeit, man müsse die Dynamik nutzen der Verhandlungen, um auch für Syrien eine Lösung zu finden. Das ist ein hehrer Ansatz, ich glaube, der ist sehr, sehr unrealistisch, auch weil die Akteure im Iran, die sich mit den beiden Themen beschäftigen, also Atomverhandlungen auf der einen Seite und Syrien auf der anderen Seite, völlig verschieden sind und eigentlich einander nicht reinreden mehr oder minder. Also, die Regierung, die offizielle Regierung ist angetreten, um die wirtschaftliche Lage zu verbessern, und deshalb haben sie die Atomverhandlungen führen dürfen. Die Sicherheitsapparatur sind diejenigen, die sich mit Syrien und mit der Regionalpolitik beschäftigen, auch mit Libanon und Irak und so fort. Und wenn man sieht, dass der Revolutionsführer des Landes, der ja die oberste Instanz ist, dieser Tage gesagt hat, man darf auf keinen Fall jetzt über irgendein anderes Thema außer Atom mit den USA verhandeln, dann sieht man, dass es schon sehr wagemutig ist anzunehmen, dass jetzt ab sofort mit dem Iran alles gut wird.
Welty: Nach Iran besucht Steinmeier auch Saudi-Arabien, die beiden Länder sind in innigster Feindschaft miteinander verbunden. Wo sehen Sie den deutschen Platz, der nicht Gefahr läuft, zwischen den Parteien zerrieben zu werden? Oder muss ein solches Unterfangen der Vermittlung zwangsläufig in einen schmerzhaften Spagat münden?
Vermittlerrolle für Frieden und Stabilität in der Region
Nouripour: Na ja, vermitteln ist ganz schwierig bei zwei Staaten, die in gegenseitiger Paranoia mittlerweile miteinander agieren und die sehr viel Unfrieden über die Nachbarstaaten mittlerweile auch über diesen Stellvertreterkrieg hineingebracht haben. Aber man muss es versuchen. Und ich finde, dass es unser Job als Deutsche wäre, ein Stück zurückzutreten und zu sagen, wir sind neutral. Das war die letzten Jahre nicht so, Saudi-Arabien war der Feind des Feindes, Irans, also waren sie unser Freund. Und wir haben denen Panzer gegeben und viele andere Dinge und wir haben sie als strategische Partner behandelt. Das ist ziemlich fatal gewesen. Ich glaube, dass die Antwort jetzt nicht ist, dass man sagt, na ja, jetzt ersetzt der Iran nahtlos Saudi-Arabien als Partner, sondern die Antwort ist, dass wir sagen, wir sind quasi auf keiner Seite, aber sehr interessiert daran, dass die Region endlich Stabilität und Frieden findet, sodass wir glaubhaft dann auf beide Seiten einwirken.
Welty: Wo sehen Sie denn da die Spielräume, wo sehen Sie da die Möglichkeiten?
Steinmeier muss die Menschenrechtssituation ansprechen
Nouripour: Ja, im Fall von Iran sind die Spielräume ja vorhanden gewesen, sonst hätte man ja zum Atomabkommen nicht kommen können. Hätte der Iran den wirtschaftlichen Druck nicht gehabt, wir wären ja gar nicht an den Verhandlungstisch gekommen. Und jetzt gibt es auch sehr viel Bewegung von der iranischen Seite, wenn es darum geht, dass die ökonomischen Beziehungen besser werden. Das muss man nutzen, zum Beispiel muss Steinmeier die Menschenrechtssituation ansprechen, damit die Iraner nicht von vornherein denken, das wird alles jetzt denen geschenkt. Aber im Falle von Saudi-Arabien ist es deutlich komplizierter, weil die Saudis ja deutlich stärker mit den USA verflochten sind, sodass die außenpolitischen Instrumente, die die Deutschen und die Europäische Union haben, um Druck auf Saudi-Arabien zu machen, doch um einiges schwächer sind. Aber da gilt es, dass man auch mit den Amerikanern redet. Ich habe den Eindruck die letzten Monate gehabt, dass gerade die Obama-Administration sehr wohl begriffen hat, dass manches, was in Saudi-Arabien passiert, nicht unbedingt gut ist, auch für die internationalen Interessen der USA nicht, sodass ich hoffe, dass wir gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden eines Tages zu dem Ergebnis kommen, dass die Saudis nicht die besten Freunde sind, die man in der Region hat.
Welty: Drei Länder und mindestens drei Herausforderungen, denn nach Saudi-Arabien reist Steinmeier auch noch nach Jordanien, ein Land, das besonders viele Flüchtlinge aufnimmt, wo die Situation besonders schwierig ist. Omid Nouripour von den Grünen begleitet den deutschen Außenminister auf dieser Reise nach Iran, Saudi-Arabien und Jordanien. Ich danke fürs Gespräch!
Nouripour: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.