Steinmeier in China

"Besorgt und beunruhigt"

Frank-Walter Steinmeier hält sich an einem Rednerpult fest, auf dem chinesische Schriftzeichen stehen.
Nicht mitreißend aber lehrreich war die 40-minütige Rede von Frank-Walter Steinmeier in Peking © Britta Pedersen/dpa
Von Karoline Scheer |
In einer 40-minütigen Rede hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier chinesische Studenten ermahnt, Menschenrechte zu achten. Deutschland habe lange gehofft, China werde eine liberale Demokratie. Diese Erwartungen hätten sich nicht erfüllt.
Marx, Laotse, Kang Youwei – sie alle brachte Frank-Walter Steinmeier als Zitat- und Inspirationsgeber in seine Rede vor rund 300 chinesischen Studenten ein. Erst am Vortag war das zehnseitige Redemanuskript fertig geworden und passte in das Thema dieser Reise. Die rasante Geschwindigkeit, in der China die Digitalisierung vorantreibt:
"Manchmal, auch das ist wahr, überkommt die Deutschen dabei ein etwas mulmiges Gefühl. Was hier geschieht, verändert nicht nur China – es verändert die ganze Welt."

"Erwartungen haben sich nicht erfüllt"

Vor der Rede standen die Studierenden in langen Schlangen vor dem Hörsaal und mussten sich strengen Sicherheitschecks unterziehen. Was sie dann erlebten, war ein Bundespräsident der nicht unbedingt mitreißend, aber mit vielen Verweisen auf die Geschichte 40 Minuten über das deutsch–chinesische Verhältnis referierte. Hatte Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck mit dem viel zitierten "Manche Entwicklungen betrachten wir aber durchaus auch mit Sorge" einen Punkt gesetzt,versuchte der Bundespräsident heute - vielleicht auch von Ehrgeiz gepackt - eine Rede, die Verflechtung und Verschiedenheiten der beiden Länder gleichermaßen in den Blick nehmen sollte:
"Wir haben in Deutschland lange erwartet, dass China uns im Westen immer ähnlicher wird auf seinem Weg zu Wohlstand, Marktwirtschaft und gesellschaftlicher und internationaler Öffnung. Dass der chinesische Pfad eines Tages auf unseren Weg einmündet, den wir für historisch so zwingend vorgezeichnet hielten: den der liberalen Demokratie. Die Erwartungen haben sich nicht erfüllt."

Studenten lernen keine kritischen Themen

Und trotzdem setzt Steinmeier auf den Dialog mit den Chinesen. Und so sollte die Rede trotz aller Kritik ausgewogen bleiben und die Geschichte eines Politikers zeigen, der in den letzten 15 Jahren auf vielen Reisen Kontakte in dieses Land geknüpft hat und der natürlich um die wirtschaftlichen Abhängigkeiten des größten Handelspartners weiß. Einer, der staunt und Respekt hat – auch vor der kulturellen Öffnung des Landes.
Aus der zweiten Reihe heraus konnte das auch die deutsche Austauschstudentin Fabiane Neitzel aus Gießen hören: "Kritische Themen werden hier nicht gelehrt. Von dem her bin ich mal gespannt, wie das hier aufgefasst wird. Wahrscheinlich nicht so positiv wie wir das aufgefasst haben."
Der deutsche Sinologe Tillmann Spengler nutzte nach der Rede auch die Chance, mit chinesischen Studierenden ins Gespräch zu kommen: "Also da ist keiner zufällig in den Saal gestolpert und hat gesagt: Oh toll statt einer Vorlesung gehe ich heute mal zu Steinmeier, sondern das war alles orchestriert. Was jetzt mit der Rede geschieht das steht im Himmel der chinesischen Zensur."

Steinmeier widmet sich auch der Digitalisierung

Anders als sein Vorgänger hat Frank-Walter Steinmeier heute damit weniger die Menschenrechte als solche in den Blick genommen. Vielmehr bleibt er dem Thema seiner Reise treu: die fortschreitende Digitalisierung. Damit hätte auch Frank-Walter Steinmeier die Menschenrechte hier in China angesprochen – die Menschenrechte 4.0.
"Auch deshalb sind wir besorgt und beunruhigt, wo immer persönliche Freiheiten eingeschränkt werden – ich ahne, dass das in China als belehrend oder einmischend empfunden wird – ich will aber dafür werben, dass hinter unseren Haltungen eine Erfahrung steckt, die nicht nur Deutschland tief geprägt hat."
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