Schlagkräftige Kulturhilfe
Die jordanische Felsenstadt Petra beweist anschaulich die antike Steinmetzkunst. Doch ausgerechnet in Jordanien stirbt das Handwerk aus. Das Deutsche Archäologische Institut leistet nun Kulturhilfe: Es bildet im Land Steinmetze aus.
Fast scheint es, als wäre die Zeit stehen geblieben in Gadara. Vor 2000 Jahren, als die Römer hier oben auf der Anhöhe über dem Jordantal neben die alte hellenistische Festung ihre eigenen Monumente bauten: zwei Amphitheater, eine Therme, die prächtige Säulenstraße mit Blick auf den See Genezareth.
Doch die Vergangenheit ist nur Kulisse. Das Hämmern der Steinmetze hallt aus der Neuzeit über die antiken Ruinen.
"Die Steine, die bei den Altertümern fehlen, können wir bei Restaurierungsprojekten bald schon wieder genauso herstellen."
Magd al-Amarati ist der Stolz deutlich anzuhören. Der Jordanier steht mit Hammer und Meißel vor einem Kalkstein-Block.
Mit dem Bleistift hat er darauf ein Profil angezeichnet. Millimeter für Millimeter schlägt er nun an der Linie entlang überflüssigen Stein weg.
"Ich bin Beamter der Antikenverwaltung. Von Beruf bin ich Restaurator. Aber ich lerne hier zum ersten Mal, wie ich Steine bearbeiten kann."
Sicherung des immateriellen Kulturerbes
Magd al-Amarati ist einer von aktuell 15 Teilnehmern beim Steinmetz-Training, zu dem das Deutsche Archäologische Institut hier im Norden Jordaniens, gleich an der Grenze zu Syrien und Israel, eingeladen hat. Die Idee und das Konzept stammen von Claudia Bührig:
"Ich bin Bauforscherin und grabe hier in Gadara aus. Es geht einerseits darum, die Antiken zu restaurieren und in Stand zu halten - das ist das materielle Erbe. Aber es geht uns insbesondere auch um die Sicherung des immateriellen Kulturerbes, also sprich dieses Steinmetzhandwerkes."
Denn das ist fast in Vergessenheit geraten, so Tobias Horn, Steinmetz und Bauforscher aus Weimar. Er beteiligt sich seit Jahren an Restaurierungsprojekten im Nahen Osten und stand in Jordanien vor einem Problem:
"Vor fünf Jahren habe ich eine Baustelle betreut, südlich von Amman, Qsr al- Mushatta. Teile von diesem Wüstenschloss stehen in Berlin auf der Museumsinsel. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat damals die Restaurierung mitfinanziert. Und da haben wir Arbeiter gesucht und keine gefunden, weil das Handwerk inzwischen verloren gegangen ist. Also bis in die 1950er-, 1960er-Jahre war das hier noch lebendig. Aber dann kam der Beton und seitdem arbeitet eigentlich niemand mehr an Steinen."
Seit dem vergangenen Jahr bringt Tobias Horn den Männern aus Umm Qays, der kleinen Stadt neben dem antiken Gadara, die Grundkenntnisse der traditionellen Steinbearbeitung wieder bei. In mehrwöchigen Intensivkursen, zusammen mit dem Magdeburger Steinmetzmeister André Gravert finanziert vom Auswärtigen Amt.
Auch Moussa Roslan hat bei den Deutschen gelernt. Doch jetzt steht er mit einer Lederschürze vor einem Amboss und bearbeitet mit dem Schmiedehammer glühende Eisenstangen.
"Ich habe wie die anderen zuerst Steine bearbeitet, gelernt, wie man Profile und Reliefs meißelt. Aber wir brauchten dringend Werkzeug. Das gab es kaum noch. Wir mussten es überall suchen. Dann kam ein Fachmann aus Deutschland und hat mir beigebracht, wie man so ein Schmiedefeuer macht, wie man die Temperatur regelt und wie man Meißel, die sogenannten Eisen, selbst herstellt."
Und wie man das Steinmetz-Werkzeug pflegt.
Tobias Horn: "Die Eisen müssen immer angeschmiedet werden. Die nutzen sich ab mit der Zeit. Das Problem ist, dass der einzige Schmied, der so was kann, in Amman sitzt. Das ist zwei Stunden entfernt. Daher kam die Idee, den Jürgen Kaiser mitzunehmen, der in der Nähe von Lüneburg arbeitet, in einer Museumsschmiede. Auch so schützt man Erbe."
Bald Restaurator in Syrien?
Unter einem Olivenbaum schallt orientalische Musik aus einem Handy. Hier hat sich Omar seinen Arbeitsplatz eingerichtet, einer von drei Syrern.
"Ich mache auch bei der Steinmetz-Ausbildung mit. Das ist schon mein dritter Kurs. Tobias bringt mir bei, wie alles geht."
Omar lacht, doch er hat schwere Zeiten hinter sich. Vor vier Jahren musste er aus Syrien fliehen. Sein Bruder war dort bei einem Raketenangriff schwer verletzt worden. In Jordanien konnte Omar aber nicht mal die Schule beenden, weil ihm die nötigen Papiere fehlten.
Jetzt arbeitet der 21-Jährige Schlag für Schlag an seiner Zukunft. Mit den neu erlernten Fertigkeiten könnte Omar als Fachkraft bei Restaurierungsprojekten arbeiten oder auf Baustellen in Umm Qays und Umgebung. Aber vielleicht ja auch eines Tages in seiner alten Heimat Syrien, hofft Claudia Bührig, wenn wieder Frieden herrscht.
"Es ist ja Gott sei Dank nicht alles zerstört und das sagen auch einige: Ja, wenn sie nach Hause kommen, dass sie konkret an der Restaurierung an Damaskus, in Aleppo oder bei der Herrichtung, Sicherung, Stabilisierung der Monumente und eben auch der Häuser und Stadtquartiere eben mitarbeiten können."