Die Hohenzollern wollen entschädigt werden für Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch sind die Forderungen berechtigt? Inwiefern hat die Familie die NS-Bewegung unterstützt? Darüber sprachen wir mit dem Historiker Stephan Malinowski, dem Autor der hier besprochenen Studie. Hier können Sie unser Gespräch hören und lesen.
Stephan Malinowski: "Die Hohenzollern und die Nazis"
Adelige Kollaboration
Viel ist über die Verstrickung der Hohenzollern in den Nationalsozialismus diskutiert worden. Der Historiker Stephan Malinowski bringt nun mit einer 750-Seiten-Studie Grund in die Debatte.
Am Ende wird der Historiker Stephan Malinowski als juristisch Belangter selbst zur handelnden Figur in der Geschichte, die der Autor Stephan Malinowski in diesem umfassenden, ja grundlegenden Buch erzählt. Es ist eine "Geschichte der deutschen Republikfeindschaft" und der "Experimentierfreudigkeit im antirepublikanischen Milieu" der Weimarer Republik.
Es ist die Geschichte der Versuche, eine alte und eine neue Rechte zu einem schlagkräftigen Regime zusammenzuschmieden. Und es ist die Geschichte einer einst mächtigen deutschen Familie, die auch nach dem Ende der Monarchie über "erhebliche Restmengen von Einfluss" verfügte, den sie nicht etwa für eine Unterstützung des Widerstands gegen Hitler und die immer offener brutal agierende nationalsozialistische Bewegung geltend machte – im Gegenteil. Malinowski nennt sie Kollaborateure.
Restauration mit Hilfe der Nazis
Da spielten Hoffnungen auf eine Restauration mithilfe der NS-Bewegung eine Rolle, aber auch tiefe Überzeugungen der handelnden Personen, etwa des ehemaligen Kronprinzen ("Lieber Herr Hitler! … führen Sie diese herrliche nationale Bewegung hinein in die fruchtbringende Arbeit").
Dass diese Geschichte inzwischen so öffentlichkeitswirksam erzählt wird, gar justiziabel werden konnte, liegt daran, dass die Familie Hohenzollern die Restitution nicht unerheblicher, im Besitz der Allgemeinheit befindlicher Werte verlangt, die ihnen juristisch tatsächlich zusteht (über historische, politische und moralische Aspekte wäre an anderer Stelle zu verhandeln), wenn geklärt ist, dass aus ihren Reihen dem Nationalsozialismus nicht "erheblicher Vorschub geleistet" wurde.
Hier prallen zwei Diskurse aufeinander: der historische und der juristische. Ersterer liefert die Argumente, letzterer bestimmt am Ende die Entscheidung vor Gericht – so nicht zur Umgehung einer Klärung die Variante eines Vergleichs gewählt wird.
Preisgekrönte Dissertation über den Adel
Es wurden mehrere Gutachten erstellt, eines davon von Malinowski, der sich mit einer preisgekrönten Dissertation über den Adel und die Nazis empfohlen hatte. In seinem Buch geht er weit darüber hinaus, erzählt eindringlich, anschaulich und spannend die Geschichte der rechten Milieus der Weimarer Republik und ihrer Akteure und Akteurinnen wie Hermine, der zweiten Frau des Ex-Kaisers, und Cecilie, der Gattin des Ex-Kronprinzen. Am Ende überführt er die Geschichte auf erhellende Weise in die Erinnerungskultur der alten Bundesrepublik und in die aktuelle Restitutionsdebatte.
Obwohl er große Freude an pointierten Formulierungen an den Tag legt, überlässt Malinowski das Schlusswort seiner Analyse einem Kollegen: "Aber wenn selbst die es nicht waren, die 'Vorschub leisteten', dann war es eben keiner. Wie gehabt."
Das schrieb der renommierte NS-Historiker Ulrich Herbert zu den Gutachten. Nach diesem Buch gilt es erst recht. Die Schluss-Pointe behält Malinowski sich dann aber doch selbst vor: "Nach 1945", resümiert er die Aktivitäten der Hohenzollern, "schimmert im Versuch, sich als Teil des Widerstandes zu präsentieren, die in Jahrhunderten erlernte Fähigkeit zur Legendenbildung ein letztes Mal durch".
Stephan Malinowski: "Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration"
Propyläen Verlag, Berlin 2021
752 Seiten, 35 Euro