Afghanistan - ein Land im Krieg
In seinem Fotobuch "Generation AK" zeigt Stephen Dupont Aufnahmen einer Realität des Afghanistankrieges, die hierzulande nie angekommen ist. Seine Tagebucheinträge gliedern das Buch. Die Fotos sind schwarz-weiß wie farbig, kein leichtes Buch - aber ein lehrreiches.
Im fernen Australien war er noch fasziniert vom Mythos der Mudschaheddin, der Freiheitskämpfer, die der großen Sowjetunion erfolgreich die Stirn boten. Der erste Besuch am Hindukusch 1993 schickt Stephen Dupont in eine harsche Realität:
"Das war kein Scherz, kein Platz für schwache Gemüter. Und ich meine nicht den Winter; wenn es bis auf minus 20 Grad abkühlt.
Du solltest Augen haben auch im Hinterkopf; Du musstest verrückt und furchtlos sein. Du brauchtest Nerven wie Drahtseile, wenn Du eine von Hekmatyars Straßensperren überleben wolltest.
Immer solltest Du wissen, wann Widerspruch angesagt ist, oder wann Nachgeben der richtige Weg ist. Und natürlich, wann es angebracht ist, sich schnell aus dem Staub zu machen."
Du solltest Augen haben auch im Hinterkopf; Du musstest verrückt und furchtlos sein. Du brauchtest Nerven wie Drahtseile, wenn Du eine von Hekmatyars Straßensperren überleben wolltest.
Immer solltest Du wissen, wann Widerspruch angesagt ist, oder wann Nachgeben der richtige Weg ist. Und natürlich, wann es angebracht ist, sich schnell aus dem Staub zu machen."
Seine Tagebucheinträge gliedern dieses Fotobuch. Dass sie nicht übersetzt werden, spielt kaum eine Rolle. Entscheidend sind die Fotos, schwarz-weiß wie farbig. Es sind Aufnahmen einer Realität, die, trotz der deutschen Beteiligung an der zweiten Phase des Afghanistankrieges, hierzulande nie angekommen ist.
Aufnahmen von grausamer Schönheit
Viele Bilder erinnern an Aufnahmen, die wir aus der Zeit unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs kennen: Zerstörte Städte, eine Bevölkerung, der es nur noch ums Überleben geht. Hinzu kommen Landschaftsaufnahmen von grausamer Schönheit. In diesen Steppen, auf diesen Bergen herrscht der Tod – der Eindruck von Last und Leid prägt die Region wie die Menschen.
Trotz aller Verzweiflung gelingt es dem Fotografen indes immer wieder, auch ein Zeichen der Hoffnung zu setzen. Der Stolz zum Objekt der Kamera zu werden, ist unter den porträtierten Afghanen unübersehbar – vom Kleinkind bis zum Urgroßvater. Würde, das lernen wir, lässt sich auch mit Hoffnungslosigkeit verbinden. Dann der Zeitsprung zum Jahresende 2001. Die Sowjets sind lange vertrieben, der anschließende Bürgerkrieg von den Taliban gewonnen, ihr letzter großer Feind, Schah Massoud, ermordet.
Nach den Al-Kaida-Angriffen auf die USA bricht eine neue heiße Kriegsphase aus – der Kampf gegen den Terror, geführt von einer internationalen Koalition unter Leitung der Amerikaner. Von Anfang an ist Stephen Dupont, "embedded", unterwegs mit Soldaten.
"Gegen Abend begann wieder ein Schusswechsel. Der Gegner sitzt in den Bergen, die Maschinengewehre der Marines können ihn nicht erreichen ... Klassische afghanische Guerilla-Taktik: erst schießen, dann abhauen und verstecken ...
Ich frage mich, was die Dorfbewohner von den Marines halten, die den Krieg bringen. Und es ist ein Krieg. Die Jungs haben vermutlich keinen Schimmer, gegen wen sie hier kämpfen, aber sie kämpfen, auch wenn der Feind nur als Schatten erscheint."
Ich frage mich, was die Dorfbewohner von den Marines halten, die den Krieg bringen. Und es ist ein Krieg. Die Jungs haben vermutlich keinen Schimmer, gegen wen sie hier kämpfen, aber sie kämpfen, auch wenn der Feind nur als Schatten erscheint."
Ein "Soundtrack" des Krieges. Johnny Cash, "Rage against the Machine", ACDC, das Star Wars-Thema. Unterwegs mit hochtechnologisierten Einheiten in einem Land, das die Steinzeit nicht hinter sich lassen will, zitiert Dupont einen amerikanischen Soldaten.
"Die Taliban findest Du nur, wenn sie Dich angreifen. Dann können wir zurück schlagen. Es ist, als ob Du gegen Geister kämpfst."
Opium statt Demokratie
Szenenwechsel: Fünf Jahre nach der sogenannten "Befreiung" ist das Demokratie-Versprechen verschwunden. Stattdessen Selbstmordattentate und ein Land, das von Rauschgiftkönigen beherrscht wird. Die Taliban rücken wieder vor, die Hälfte der Mädchen traut sich nicht in die neuen Schulen, sie fürchten um ihr Leben. Die Freiheit besteht darin, Opium anzubauen.
"Du siehst, wie ein Mann einen kleinen Jungen verprügelt, ein Mädchen hat einen Anfall, sie liegt auf der Straße ... Irgendwo zeigt jemand diese Al-Kaida-Videos: Enthauptungen, Anschläge, tote US-Soldaten.
Und dog fights. Wenn Du es wagen solltest, in den Ring zu treten, in dem sich die Hunde unter dem Johlen des Publikums zerfleischen, dann würden sie Dich zu Tode steinigen."
Und dog fights. Wenn Du es wagen solltest, in den Ring zu treten, in dem sich die Hunde unter dem Johlen des Publikums zerfleischen, dann würden sie Dich zu Tode steinigen."
Wenn der Krieg zum Alltag wird, endet der Unterschied. Duponts Fotos zeigen eine Realität, die es in Teilen Europas zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges gegeben haben mag.
Im April 2008 erwischt es auch ihn. Eine Patrouille der afghanischen Armee, die er begleitet, wird Opfer eines Selbstmordanschlags, verübt von einem 12 Jahre alten Jungen.
"Ich fotografierte wie wild. So schuf ich eine Distanz zwischen mir und dem Blutbad um mich herum. Wenn ich die Verwüstung durch die Linse betrachte, verringert sich der Schock. Durch die Linse sah ich zerrissene Körper, Menschen, zu Fleischklumpen reduziert. Um mich herum lagen Körperteile, der reinste Horror."
Dupont wird nur leicht verletzt. Der Schrecken ist dokumentiert, in oft grobkörnigen, verwackelten Bildern: Zeugnisse, die unter extremen Druck entstanden, aufgenommen in Lebensgefahr.
Empathie für Afghanistan
Nach dem Anschlag, im Hubschrauber auf dem Weg zum US-Stützpunkt Bagram, entsteht eines der letzten Bilder dieses Bandes. Eine wüste Berglandschaft, kein Mensch weit und breit. Afghanistan lässt ihn nicht los.
"Seine Geheimnisse ziehen mich an. Furcht und Gewalt hier machen mich nachdenklich und kreativ. Die zeitlose Schönheit des Landes beeindruckt mich immer wieder.
Es gibt kein Entkommen: Afghanistan ist mein ganz eigenes Schlachtfeld, überraschend, schockierend, immer präsent. Als wäre jede Reise die Erste. Oder die Letzte. Ein Teil von mir wird hier bleiben.
Wenn mein Buch dazu beiträgt, Verantwortung oder Empathie für Afghanistan zu zeigen, dann habe ich etwas erreicht."
Es gibt kein Entkommen: Afghanistan ist mein ganz eigenes Schlachtfeld, überraschend, schockierend, immer präsent. Als wäre jede Reise die Erste. Oder die Letzte. Ein Teil von mir wird hier bleiben.
Wenn mein Buch dazu beiträgt, Verantwortung oder Empathie für Afghanistan zu zeigen, dann habe ich etwas erreicht."
Stephen Dupont zeigt uns eine fremde, verstörende Welt. Kein leichtes Buch, aber ein lehrreiches; es schließt mit einem Plato-Zitat:
"Das Ende des Krieges kennen nur die Toten."
Stephen Dupont: "Generation AK - The Afghanistan Wars 1993 - 2012"
Steidl Verlag, Göttingen 2015
320 Seiten, 78,00 Euro
Steidl Verlag, Göttingen 2015
320 Seiten, 78,00 Euro