Tod und Würde
Es ist eins der umstrittensten gesellschaftlichen Themen - die Sterbehilfe. Der neue Gesundheitsminister Hermann Gröhe von der CDU will jegliche organisierte Sterbehilfe verbieten. Widerstand kommt unter anderen vom Humanistischen Verband.
Die Meinungen gehen weit auseinander, und das ist keine Frage der politischen Couleur. Und so wird sie der Bundestag auch behandeln, das hatte Unions-Fraktionschef Volker Kauder gestern angekündigt. Aus dem Bundesjustizministerium wird es kein Gesetz geben, so heute ein Sprecher des Ministers Heiko Maas, SPD. Richtig so, sagt seine Parteifreundin Eva Högl:
"Wir haben es nicht in den Koalitionsvertrag geschrieben, weil es keine Aufgabe für eine Bundesregierung ist. Sondern es ist eine Aufgabe für Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Deswegen wird es aus der Mitte des Bundestages Initiativen geben, die Sterbehilfe gesetzlich zu regeln, gegebenenfalls Formen der Sterbehilfe auch unter Strafe zu stellen."
Strafverschärfungen – das ist das, was derzeit vor allem diskutiert wird. Die Debatte angestoßen hatte allerdings kurz vor Weihnachten der frühere Intendant des MDR, Udo Reiter. Mit der Forderung nach weniger Strafrecht, mehr Möglichkeiten der aktiven Sterbehilfe, und zwar auch für Menschen, die nicht todkrank seien, aber in freier Entscheidung zu dem Entschluss kämen, nicht mehr weiterleben zu wollen. Die Möglichkeit aktiver Sterbehilfe hatte auch einmal der heutige Bundesjustizminister Heiko Maas gefordert, allerdings wohl in engeren Grenzen als Reiter.
Der Zeitung Die Welt sagte er 2005, aktive Sterbehilfe könne etwa einem todkranken Menschen ein qualvolles, langsames Sterben ersparen. Der Grat sei schmal, aber in Extremsituationen hätten Menschen das Recht auf einen würdevollen Tod. Franz Müntefering, der frühere SPD-Chef, warnt. Zunehmend würde aktive Sterbehilfe gefordert, nicht nur für todkranke Menschen:
"Sondern für Menschen, die sozusagen vorbeugend aus dem Leben ausscheiden wollen. Und das finde ich eine hochgefährliche Melodie, die da gesungen wird. Und deswegen finde ich, wir müssen eine offene, klare Debatte, nötigenfalls auch streitig darüber führen. Denn hinter dieser Debatte verbergen sich viele Abgründe."
Solche Abgründe fürchtet auch der Grüne Volker Beck:
"Die Patienten empfinden sich selbst als Belastung ihrer Umwelt, ihrer Angehörigen, ihrer Familie, auch als Kostenfaktor. Und diese Diskussion dürfen wir in Deutschland nicht zulassen. Auch der Sterbende hat Respekt-Anspruch für sein Lebensrecht."
Versuch, das Strafrecht zu verschärfen
Schon in der vergangenen Wahlperiode gab es aus solchen Gründen den Versuch, das Strafrecht zu verschärfen. Auslöser waren die Aktivitäten des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch. Auf Drängen der Union legte die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen Gesetzentwurf vor. Der sollte die gewerbsmäßige Sterbehilfe verbieten:
"Mit der Kommerzialisierung von Sterbehilfe-Angeboten erreichen wir eine ganz andere Dimension der Sterbehilfe. Das wird dann eine käufliche Dienstleistung. Und damit befürchten wir, dass das dann als etwas ganz normales angesehen wird, was man sich kaufen kann."
Viel zu eng fanden das nicht nur viele Unionspolitiker. Die Justizministerin wollte verhindern, dass bestraft werden muss, wer dem Sterbewilligen nahesteht und ihm im buchstäblichen oder im übertragenen Sinn die Hand hält. Und auch hier gab es Streit um die Abgrenzung. Die Initiative verlief im Sande. Jetzt hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, CDU, sie neu belebt.
Er will jegliche organisierte Sterbehilfe verboten wissen. Womit er Zustimmung erntete, vom Präsidenten der Bundesärztekammer Ulrich Montgomery, von der deutschen Bischofskonferenz vielen anderen. Und Ablehnung. Vom Humanistischen Verband Deutschlands etwa. Derzeit ist in Deutschland die aktive Sterbehilfe als Tötung auf Verlangen strafrechtsbewehrt verboten. Nicht aber die Beihilfe zur Selbsttötung. Allerdings sagt der Palliativmediziner Michael de Ridder im ZDF auch:
"Ich bin der Auffassung, dass zahlreiche Menschen, die aus Deutschland in die Schweiz fahren, weil sie hoffen, dort das zu bekommen, was sie hier nicht bekommen, nämlich ärztliche Suizid-Assistenz, dass der größte Teil von denen gar nicht in die Schweiz müsste, weil sie die palliativmedizinischen Optionen, die hier existieren, nicht kennen."
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert in dem Zusammenhang eine bessere professionelle medizinische, pflegerische und psycho-soziale Begleitung sterbenskranker Menschen.