Eine Stärkung der Autonomie
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Der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel nennt die Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Sterbehilfe "richtig und klug". Dieser Schutz der Selbstbestimmung in der Endphase des Lebens müsse nun durch Gesetze konkretisiert werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot organisierter Hilfe beim Suizid gekippt. Der Strafrechtsparagraf 217, der 2015 eingeführt wurde, sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, urteilten die Richter.
"Das ist eine profunde, richtige, kluge Entscheidung", sagt der emeritierte Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, Reinhard Merkel. Grundsätzlich seien Ärzte dazu da, den Patienten zu helfen, erläutert der 69-Jährige. Es gebe aber extreme Notlagen: "Dann ist es falsch zu sagen, jetzt nehmen wir die Ärzte aus dem Spiel. Damit nötig man Menschen zu Gewaltakten gegen den eigenen Körper."
Hilfe ist die erste Aufgabe
Gerade Menschen mit Selbstmordabsichten sollten in die Arztpraxen geschickt werden, bekräftigt Merkel: "Damit der Arzt sagen kann, wir haben noch Optionen, und ich kann in dieser und jener Hinsicht helfen." Die erste Aufgabe sei es, dem Suizidwilligen aus dieser desperaten Phase zu helfen.
Insofern habe das Verfassungsgericht die Autonomie gestärkt, die "Entscheidung über das eigene Leben und Sterben." Dieser Schutz der Selbstbestimmung sei nah an der geschützten Menschenwürde, so Merkel: "Das hat niemand für den Leidenden zu entscheiden."
Der Gesetzgeber ist gefragt
Der Gesetzgeber müsse jetzt die sogenannten Sterbehilfe-Vereine genauer regulieren, fordert Merkel: "Etwa vorschreibt, dass bei Suizidhilfen vorher ein psychologisches Gutachten eingeholt werden muss." Das gehöre aber nicht ins Strafgesetzbuch, sondern in das Ordnungswidrigkeitenrecht, sagt der Rechtsphilosoph: "Dann haben wir eine liberale, autonomie-freundliche Regelung dieser ganzen Sphäre."
(beb)