"Sterben kann man in diesem System immer"
Das inhaftierte Pussy-Riot-Mitglied Nadeschda Tolokonnikowa hat auf die unmenschlichen Haftbedingungen aufmerksam gemacht. Sehr harte Haft sei ein Merkmal des russischen Straflagersystems, sagt Jens Siegert, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau. Die Lagen stünden durchaus in der Tradition des Gulag - allerdings herrsche dort keine totale Rechtlosigkeit.
Matthias Hanselmann: Nur noch ein knappes halbes Jahr muss Nadeschda Tolokonnikowa ihre Haftstrafe verbüßen: Im Februar 2012 hatte sie mit anderen Mitgliedern ihrer Punkband "Pussy Riot" in der Christ-Erlöser-Kirche in Moskau ein Punkgebet aufgeführt – mit der Aktion hatten die Musikerinnen ihre Wut über Putin und seine enge Verbindung zur russisch-orthodoxen Kirche zum Ausdruck gebracht. Dafür wurden Tolokonnikowa und zwei Mitmusikerinnen zu Haftstrafen verurteilt, was weltweite Proteste hervorrief. Jetzt beschreibt Tolokonnikowa in einem Brief die Haftbedingungen in diesem Lager 500 Kilometer östlich von Moskau. Der Brief ist erschütternd: 16 bis 17 Stunden Arbeit täglich, auch sonntags, höchstens vier Stunden Schlaf, kollektive Bestrafung bei Widerstand, das Verbot, sich zu waschen oder die Toilette zu benutzen, Schläge, Todesandrohungen, Demütigungen und Hunger sind an der Tagesordnung. Dagegen ist Nadeschda Tolokonnikowa vorgestern in einen Hungerstreik getreten, und mittlerweile ist sie aus dem Straflager in Einzelhaft verlegt worden. Ich bin jetzt verbunden mit Jens Siegert, dem Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau. Guten Tag, Herr Siegert!
Jens Siegert: Ja, guten Tag!
Hanselmann: Die Verhältnisse, die Frau Tolokonnikowa in ihrem Brief ausführlicher beschreibt, als ich es hier jetzt wiedergeben kann, und die man als unmenschlich bezeichnen kann – sind solche Haftbedingungen ein Einzelfall? Ist sie einem besonders harten Vollzug unterworfen?
Siegert: Nein, eigentlich eher nicht. Harte, sehr harte Haftbedingungen sind leider ein Merkmal des russischen Straflagersystems. Es mag sein, dass das in der Haftanstalt von Frau Tolokonnikowa noch mal besonders hart ist. Die Haftanstalten in Mordowien, das ist eine russische Teilrepublik an der Wolga, eben 500 Kilometer östlich von Moskau, wie Sie gerade gesagt haben, gelten als besonders brutal. Aber insgesamt sind die Haftbedingungen in russischen Straflagern nicht zu vergleichen, sehr viel härter als zum Beispiel in deutschen oder anderen westlichen Gefängnissen.
Hanselmann: Man fühlt sich unwillkürlich an den Gulag erinnert, das umfassende Unterdrückungssystem der Stalin-Ära, mit ebenfalls Zwangsarbeitslagern und Straflagern. Kann man diesen Vergleich ziehen?
Jens Siegert: Ja, guten Tag!
Hanselmann: Die Verhältnisse, die Frau Tolokonnikowa in ihrem Brief ausführlicher beschreibt, als ich es hier jetzt wiedergeben kann, und die man als unmenschlich bezeichnen kann – sind solche Haftbedingungen ein Einzelfall? Ist sie einem besonders harten Vollzug unterworfen?
Siegert: Nein, eigentlich eher nicht. Harte, sehr harte Haftbedingungen sind leider ein Merkmal des russischen Straflagersystems. Es mag sein, dass das in der Haftanstalt von Frau Tolokonnikowa noch mal besonders hart ist. Die Haftanstalten in Mordowien, das ist eine russische Teilrepublik an der Wolga, eben 500 Kilometer östlich von Moskau, wie Sie gerade gesagt haben, gelten als besonders brutal. Aber insgesamt sind die Haftbedingungen in russischen Straflagern nicht zu vergleichen, sehr viel härter als zum Beispiel in deutschen oder anderen westlichen Gefängnissen.
Hanselmann: Man fühlt sich unwillkürlich an den Gulag erinnert, das umfassende Unterdrückungssystem der Stalin-Ära, mit ebenfalls Zwangsarbeitslagern und Straflagern. Kann man diesen Vergleich ziehen?
"Die Rechtlosigkeit, die im Gulag geherrscht hat, herrscht hier nicht"
Siegert: Na, der Vergleich ist nicht ganz richtig. Die Rechtlosigkeit, die im Gulag geherrscht hat, die wirklich praktisch total war, die herrscht heute in russischen Gefängnissen nicht mehr, jedenfalls nicht mehr in dieser Totalität. Aber in der Tradition des Gulags, in der Tradition der russischen, der harten russischen Straflager, auch der sibirischen Straflager stehen die heutigen Straflager schon noch.
Hanselmann: Aber könnte man sagen, dass dahinter eine ähnliche Geisteshaltung steckt? Gefangene werden nicht wie Menschen behandelt, sondern wie Sklaven?
Siegert: Ja, die Geisteshaltung dahinter ist, dass Strafe hart sein soll, Strafe hart sein muss, und nur harte Strafe erstens die entsprechende Sühne beinhaltet und eventuell vielleicht auch noch zur Besserung führt, wobei der Besserungsgedanke, der Resozialisationsgedanke, der ja in Deutschland im Strafvollzug sehr stark verankert ist, praktisch in Russland kaum vorhanden ist.
Hanselmann: Soweit wir wissen gibt es 35 dieser Straflager für Frauen, verteilt über ganz Russland, an die 60.000 Frauen sind dort gefangen, was etwa fünf Prozent aller Gefangenen sind. Warum gibt es denn diese Lager überhaupt?
Siegert: Das sind Strafgefangenenlager, Gefängnisse, auch in Deutschland gibt es ja Frauengefängnisse und Männergefängnisse, ebenso ist das in Russland aufgeteilt, nur dass es hier eben keine Gefängnisse gibt oder kaum Gefängnisse gibt. Der normale Vollzug ist ein Vollzug in Straflagern. Es gibt auch noch einen Vollzug in Gefängnissen, da kommen aber meistens Schwerverbrecher hin und die Bedingungen sind manchmal noch schlimmer als in den Lagern, jedenfalls die Gefangenen, mit denen ich gesprochen habe – und ich bin auch in Lagern gewesen –, sagen davon, dass es besser ist in den Lagern, insgesamt doch noch immer etwas besser ist in den Lagern als in diesen Gefängnissen.
Hanselmann: Welche Rechte haben die Gefangenen denn überhaupt?
Hanselmann: Aber könnte man sagen, dass dahinter eine ähnliche Geisteshaltung steckt? Gefangene werden nicht wie Menschen behandelt, sondern wie Sklaven?
Siegert: Ja, die Geisteshaltung dahinter ist, dass Strafe hart sein soll, Strafe hart sein muss, und nur harte Strafe erstens die entsprechende Sühne beinhaltet und eventuell vielleicht auch noch zur Besserung führt, wobei der Besserungsgedanke, der Resozialisationsgedanke, der ja in Deutschland im Strafvollzug sehr stark verankert ist, praktisch in Russland kaum vorhanden ist.
Hanselmann: Soweit wir wissen gibt es 35 dieser Straflager für Frauen, verteilt über ganz Russland, an die 60.000 Frauen sind dort gefangen, was etwa fünf Prozent aller Gefangenen sind. Warum gibt es denn diese Lager überhaupt?
Siegert: Das sind Strafgefangenenlager, Gefängnisse, auch in Deutschland gibt es ja Frauengefängnisse und Männergefängnisse, ebenso ist das in Russland aufgeteilt, nur dass es hier eben keine Gefängnisse gibt oder kaum Gefängnisse gibt. Der normale Vollzug ist ein Vollzug in Straflagern. Es gibt auch noch einen Vollzug in Gefängnissen, da kommen aber meistens Schwerverbrecher hin und die Bedingungen sind manchmal noch schlimmer als in den Lagern, jedenfalls die Gefangenen, mit denen ich gesprochen habe – und ich bin auch in Lagern gewesen –, sagen davon, dass es besser ist in den Lagern, insgesamt doch noch immer etwas besser ist in den Lagern als in diesen Gefängnissen.
Hanselmann: Welche Rechte haben die Gefangenen denn überhaupt?
"Rechte werden systematisch verletzt"
Siegert: Ja, im Prinzip haben sie alle die Rechte oder fast alle Rechte, die Gefangene in Deutschland auch haben, zum Beispiel jetzt mal, wenn man auf die Zwangsarbeit kommt, die Sie ja eben gerade beschrieben haben beziehungsweise die Frau Tolokonnikowa beschrieben hat – da gilt im Prinzip das russische Arbeitsrecht, was auch für Menschen in Freiheit gilt. Das Problem ist, dass das systematisch verletzt wird, dass die Rechte systematisch verletzt werden.
Hanselmann: Tolokonnikowa ist ja, wie "Pussy Riot" überhaupt, durch die Aktion im Februar 2012 weltberühmt geworden, kann man sagen. Kann sie auf eine Sonderbehandlung zählen? Ist sie geschützter, weil sie berühmt ist?
Siegert: In gewisser Weise ja. Also auf der einen Seite ist natürlich der Druck auf sie, eben weil sie berühmt ist, ziemlich groß, auf der anderen Seite kann man sie nicht so einfach verschwinden lassen. Es kommt immer wieder vor, dass Gefangene einfach sterben. Vor einem Monat, etwas mehr als einem Monat gab es hier einen Fall, wo ein hier in Russland einigermaßen prominenter Gefangener, 41 Jahre, angeblich an einem Herzinfarkt gestorben ist. Das wird hier von vielen bezweifelt. Und das kommt immer wieder vor. Das ist bei ihrer Berühmtheit unwahrscheinlich, dass das passiert. Aber die Bedingungen, die sie beschrieben hat, die galten ja auch für Frau Tolokonnikowa, das heißt, sie hat nicht beschrieben, wie mit anderen Gefangenen umgegangen wird, sondern wie auch mit ihr umgegangen wird, und das ist ja auch schon unmenschlich genug.
Hanselmann: Also dieses Schicksal ist unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar?
Siegert: Undenkbar ist in dieser Hinsicht fast gar nichts. Da gibt es sehr viele Interessen und sehr viele Zufälle dabei. Sterben kann man in diesem System immer. Sie haben vielleicht schon von dem Fall Magnitski gehört, das war ein Buchhalter, der unter falschen Anklagen verhaftet worden ist und in Untersuchungshaft gestorben ist. Es kann sein, dass er zu Tode gebracht worden ist, also ermordet worden ist. Zumindest ist unterlassene Hilfeleistung da der Fall gewesen. Da ist auch ganz offensichtlich versucht worden, jemanden, der sehr unangenehm, vielleicht sogar gefährlich für viele Beamte und Vollstreckungsbeamte geworden ist, loszuwerden.
Hanselmann: Die "Pussy Riot"-Musikerin und Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa beschreibt in einem Brief unmenschliche Haftbedingungen in dem Straflager, in dem sie eine zweijährige Strafe verbüßt, darüber sprechen wir mit Jens Siegert, dem Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau, hier im "Radiofeuilleton". Herr Siegert, Tolokonnikowa ist seit vorgestern im Hungerstreik, und sofort, nachdem dies bekannt wurde, ist sie in Einzelhaft gebracht worden, an einen, wie es die Lagerleitung nennt, sicheren Ort. Wird es ihr dort besser gehen?
Hanselmann: Tolokonnikowa ist ja, wie "Pussy Riot" überhaupt, durch die Aktion im Februar 2012 weltberühmt geworden, kann man sagen. Kann sie auf eine Sonderbehandlung zählen? Ist sie geschützter, weil sie berühmt ist?
Siegert: In gewisser Weise ja. Also auf der einen Seite ist natürlich der Druck auf sie, eben weil sie berühmt ist, ziemlich groß, auf der anderen Seite kann man sie nicht so einfach verschwinden lassen. Es kommt immer wieder vor, dass Gefangene einfach sterben. Vor einem Monat, etwas mehr als einem Monat gab es hier einen Fall, wo ein hier in Russland einigermaßen prominenter Gefangener, 41 Jahre, angeblich an einem Herzinfarkt gestorben ist. Das wird hier von vielen bezweifelt. Und das kommt immer wieder vor. Das ist bei ihrer Berühmtheit unwahrscheinlich, dass das passiert. Aber die Bedingungen, die sie beschrieben hat, die galten ja auch für Frau Tolokonnikowa, das heißt, sie hat nicht beschrieben, wie mit anderen Gefangenen umgegangen wird, sondern wie auch mit ihr umgegangen wird, und das ist ja auch schon unmenschlich genug.
Hanselmann: Also dieses Schicksal ist unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar?
Siegert: Undenkbar ist in dieser Hinsicht fast gar nichts. Da gibt es sehr viele Interessen und sehr viele Zufälle dabei. Sterben kann man in diesem System immer. Sie haben vielleicht schon von dem Fall Magnitski gehört, das war ein Buchhalter, der unter falschen Anklagen verhaftet worden ist und in Untersuchungshaft gestorben ist. Es kann sein, dass er zu Tode gebracht worden ist, also ermordet worden ist. Zumindest ist unterlassene Hilfeleistung da der Fall gewesen. Da ist auch ganz offensichtlich versucht worden, jemanden, der sehr unangenehm, vielleicht sogar gefährlich für viele Beamte und Vollstreckungsbeamte geworden ist, loszuwerden.
Hanselmann: Die "Pussy Riot"-Musikerin und Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa beschreibt in einem Brief unmenschliche Haftbedingungen in dem Straflager, in dem sie eine zweijährige Strafe verbüßt, darüber sprechen wir mit Jens Siegert, dem Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau, hier im "Radiofeuilleton". Herr Siegert, Tolokonnikowa ist seit vorgestern im Hungerstreik, und sofort, nachdem dies bekannt wurde, ist sie in Einzelhaft gebracht worden, an einen, wie es die Lagerleitung nennt, sicheren Ort. Wird es ihr dort besser gehen?
"Hoher Druck unter Gefangenengruppen"
Siegert: Das ist schwer zu sagen. Also das Problem ist, dass die Disziplin – in Anführungsstrichen – in diesen Lagern unter anderem über kollektive Strafen aufrecht erhalten wird. Das heißt, einzelnes Fehlverhalten, also aus Sicht der Lagerleitung, der Vollzugsbeamten dort, für das Fehlverhalten von einzelnen Menschen werden in der Regel nicht einzelne Gefangene, sondern eine ganze Gruppe von Gefangenen bestraft. Das erhöht natürlich den Druck innerhalb dieser Gruppen, und da kann es und kommt es immer wieder vor, dass Gefangene von anderen Gefangenen dann bedrängt, auch verletzt, auch getötet werden.
Außerdem nutzen Vollzugsbeamte sehr oft Gefangene, um andere Gefangene zu foltern. Insofern kann es tatsächlich sein, dass Tolokonnikowa da in Gefahr gewesen ist. Wohin sie jetzt aber gebracht worden ist, ist ein sogenannter "shtraf"-Isolator, also ein Strafisolator. Da kommen normalerweise Gefangene hin, die etwas gemacht haben, was nicht richtig ist, die sich gegen die Disziplin aufgelehnt haben, die bestraft werden müssen, und die Bedingungen in diesen sogenannten Strafisolatoren sind in der Regel noch härter als in den normalen Lagern.
Hanselmann: Im Westen sind die drei Frauen von "Pussy Riot" ja auf eine großartige Solidaritätswelle gestoßen, Amnesty International erkennt sie als politische Gefangene an, weltberühmte Musiker wie Paul McCartney, Madonna, Sting und mehr haben sich mit ihnen solidarisiert, Teile des Bundestages haben einen Protestbrief nach Moskau geschickt und so weiter. Wie sieht man das in der russischen Öffentlichkeit? Wie ist dort die Stimmung? Gibt es viele Menschen, die das Straflager oder solche Straflager als eine gerechte Strafe betrachten?
Außerdem nutzen Vollzugsbeamte sehr oft Gefangene, um andere Gefangene zu foltern. Insofern kann es tatsächlich sein, dass Tolokonnikowa da in Gefahr gewesen ist. Wohin sie jetzt aber gebracht worden ist, ist ein sogenannter "shtraf"-Isolator, also ein Strafisolator. Da kommen normalerweise Gefangene hin, die etwas gemacht haben, was nicht richtig ist, die sich gegen die Disziplin aufgelehnt haben, die bestraft werden müssen, und die Bedingungen in diesen sogenannten Strafisolatoren sind in der Regel noch härter als in den normalen Lagern.
Hanselmann: Im Westen sind die drei Frauen von "Pussy Riot" ja auf eine großartige Solidaritätswelle gestoßen, Amnesty International erkennt sie als politische Gefangene an, weltberühmte Musiker wie Paul McCartney, Madonna, Sting und mehr haben sich mit ihnen solidarisiert, Teile des Bundestages haben einen Protestbrief nach Moskau geschickt und so weiter. Wie sieht man das in der russischen Öffentlichkeit? Wie ist dort die Stimmung? Gibt es viele Menschen, die das Straflager oder solche Straflager als eine gerechte Strafe betrachten?
"Kritik an diesen Lagerbedingungen ist nicht sehr groß"
Siegert: Also was "Pussy Riot" anbelangt, so sagen Umfragen, dass eine Mehrheit der Menschen in Russland es richtig findet, dass sie verurteilt worden sind und dass sie ins Straflager geschickt worden sind für das, was sie dort gemacht haben, also dieses Singen in der Kirche. Die Strafe wird von vielen Leuten hier als angemessen angesehen. Was es insgesamt ist, ich habe das vorhin ja schon mal erwähnt:
Es gibt hier sehr stark die Stimmung im Land, dass eine Strafe gesühnt werden soll und dass Straftäter möglichst hart behandelt werden, und dass das einfach eine Möglichkeit ist, erstens, eben die Strafe zu sühnen, aber zum Zweiten auch, sie möglicherweise davon abzuhalten oder andere davon abzuschrecken, die gleiche Straftat wieder zu machen oder andere Straftaten zu begehen. Die Überzeugung ist in der russischen Bevölkerung noch sehr stark und sehr groß. Insofern ist die Kritik an diesen Lagerbedingungen nicht sehr groß, nicht sehr weit verbreitet.
Hanselmann: Also kann ich auch annehmen, dass die Abschaffung dieser Straflager so gut wie niemand fordert?
Siegert: Das ist eine kleine Minderheit von Menschen, die die Abschaffung fordert. Aber die Abschaffung wäre vielleicht auch gar nicht erst mal nötig. Möglich wäre schon, wenn es eine vernünftige Aufsicht über die Bedingungen in den Straflagern gäbe, wenn es nicht so wäre, was Frau Tolokonnikova in ihrem Brief ja auch anklagt und was nach meinen Informationen tatsächlich flächendeckend so ist, dass in diesen Straflagern viele Gefangene praktisch wie Arbeitssklaven gehalten werden, und das, was sie dann erarbeiten – sie müssen dort zum Beispiel in dem Lager von Frau Tolokonnikova Polizeiuniformen schneidern –, das, was dann dort verdient wird, sich korrupte Beamte aufteilen. Wenn es darüber schon eine vernünftige Aufsicht gäbe, da wäre schon viel mit gewonnen.
Hanselmann: Über den Brief des "Pussy Riot"-Mitglieds Nadeschda Tolokonnikova aus der Lagerhaft habe ich gesprochen mit Jens Siegert, dem Leiter der Heinrich-Böll, Stiftung in Moskau. Vielen Dank!
Siegert: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Es gibt hier sehr stark die Stimmung im Land, dass eine Strafe gesühnt werden soll und dass Straftäter möglichst hart behandelt werden, und dass das einfach eine Möglichkeit ist, erstens, eben die Strafe zu sühnen, aber zum Zweiten auch, sie möglicherweise davon abzuhalten oder andere davon abzuschrecken, die gleiche Straftat wieder zu machen oder andere Straftaten zu begehen. Die Überzeugung ist in der russischen Bevölkerung noch sehr stark und sehr groß. Insofern ist die Kritik an diesen Lagerbedingungen nicht sehr groß, nicht sehr weit verbreitet.
Hanselmann: Also kann ich auch annehmen, dass die Abschaffung dieser Straflager so gut wie niemand fordert?
Siegert: Das ist eine kleine Minderheit von Menschen, die die Abschaffung fordert. Aber die Abschaffung wäre vielleicht auch gar nicht erst mal nötig. Möglich wäre schon, wenn es eine vernünftige Aufsicht über die Bedingungen in den Straflagern gäbe, wenn es nicht so wäre, was Frau Tolokonnikova in ihrem Brief ja auch anklagt und was nach meinen Informationen tatsächlich flächendeckend so ist, dass in diesen Straflagern viele Gefangene praktisch wie Arbeitssklaven gehalten werden, und das, was sie dann erarbeiten – sie müssen dort zum Beispiel in dem Lager von Frau Tolokonnikova Polizeiuniformen schneidern –, das, was dann dort verdient wird, sich korrupte Beamte aufteilen. Wenn es darüber schon eine vernünftige Aufsicht gäbe, da wäre schon viel mit gewonnen.
Hanselmann: Über den Brief des "Pussy Riot"-Mitglieds Nadeschda Tolokonnikova aus der Lagerhaft habe ich gesprochen mit Jens Siegert, dem Leiter der Heinrich-Böll, Stiftung in Moskau. Vielen Dank!
Siegert: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.