"Stern"-Kolumnist Jörges hört auf

Keine Zwischenrufe mehr aus Berlin

12:29 Minuten
Hans-Ulrich Jörges steht vor einer Wand in Berlin.
Wichtig sei, gegen die Strömung zu schwimmen und eine eigene Meinung zu haben, sagt der langjährige "Stern"-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges. © imago images / Mauersberger
Hans-Ulrich Jörges im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
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Der Journalist Hans-Ulrich Jörges war einer, der gern austeilte, Fehler zugeben konnte und in vielen Fernsehtalkshows saß. Nach 18 Jahren beendet er nun seine regelmäßige Politik-Kolumne "Zwischenruf aus Berlin" im "Stern".
"Wenn man so lange geschrieben hat und in einem fortgeschrittenen Alter ist, dann soll man gehen,solange es noch Leute gibt, die das bedauern", sagt "Stern"-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges. "Wenn es keinen mehr gibt, der das bedauert, dann hat man den Punkt verpasst." 18 Jahre lang hat er mit einer "Zwischenruf"-Kolumne Debatten geprägt, bis 2017 war er auch Mitglied der Chefredaktion det Zeitschrift "Sterns".

Geheimrezept für eine gute Kolumne

Um so lange erfolgreich eine Kolumne zu schreiben, brauche es einen kritischen Geist und den Mut anzuecken, verrät Jörges. Man dürfe sich nicht davon beeindrucken lassen, was andere Kollegen in anderen Publikationen kommentierten. Wichtig sei, sich seinen eigenen Kopf zu machen. "Ganz besonders interessant ist es immer dann, wenn man vollkommen gegen die Strömung schwimmt und eine ganz eigene Meinung hat", so Jörges.
Seinen "Willen zur Unabhängigkeit" habe er bei der britischen Nachrichtenagentur "Reuters" gelernt. "Da bestand das Selbstbewusstsein als Journalist darin, zu sagen: Ich gehöre niemandem, ich schreibe für niemanden. Ich bin unabhängig und bilde mir die eigene Meinung." Dieser Ansatz habe ihn in seinem späteren Berufsleben geprägt. "Deshalb bin ich auch bei allen Parteien angeeckt und bei einzelnen Personen. Damit konnte ich ganz gut leben. Das ist halt einfach so", sagt der Kolumnist.

Bei Politikern zählt der Charakter

Dass Politiker sich aktiv in den Inhalt seiner Kolumne hätten einmischen wollen, habe er nicht erlebt. Nur ein Bundeskanzler, dessen Namen er nicht mehr nennen wolle, habe versucht, Druck auf seinen Verlag auszuüben, damit Jörges entlassen werde. "Dann bekam er zur Antwort zu hören, dass das bei uns nicht üblich sei. Diese Antwort ist allerdings auch nicht üblich", so Jörges.
Seiner Erfahrung nach sei es nicht darauf angekommen, in welcher Partei und in welcher Funktion ein Mensch engagiert sei, sondern um was für einen Typus oder Charakter es sich handele. "Deshalb habe ich mich auch mit sehr vielen Politikern aus allen Parteien gut verstanden und andere wiederum scharf kritisiert nach allen Seiten."

Auch große Kolumnisten irren

Obwohl Jörges im Berliner Politikbetrieb gut vernetzt ist, waren seine Einschätzungen auch mal falsch. "Ich habe ganz zum Schluss heftig danebengelegen mit meiner Erwartung, dass Angela Merkel ganz sicher vor der Bundestagswahl 2021 aus dem Kanzleramt ausscheiden würde, um ihrer Nachfolgerin oder Nachfolger den Weg freizumachen", erinnert sich der Journalist. "Politische Klugheit spricht eigentlich dafür, dass man den Nachfolger nicht so stumpf als Kandidaten in die Wahl gehen lässt. Aber so wird es nun kommen, und da hab ich mich geirrt."
Nicht mehr regelmäßig eine Kolumne schreiben zu müssen, bedeute auch, wieder mehr Zeit zu haben, so Jörges. Aber er habe eine Idee für einen zeitgeschichtlichen Roman, der im geteilten Berlin spielen soll. Daran wolle er sich versuchen.
(nho)
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