Gegen die Lichtverschmutzung
Das Biosphärenreservat Rhön ist seit 2014 eines von weltweit elf Naturgebieten, die von der "International Dark Sky Association" zu einem "Sternennationalpark" erklärt wurde. Dort ist noch ein vergleichsweise guter Blick in den Sternenhimmel möglich.
Sabine Frank öffnet die Tür zu einem dunklen Gang in einem Gebäude der Volkshochschule des Kreises Fulda. Sie greift nach einem Stromkabel, das mit einer rollbaren Stecktafel verbunden ist, auf der verschiedene Lampen angebracht sind, knipst den ersten, ziemlich grell leuchtenden Strahler an:
"Das ist ein sogenannter Baumarktstrahler, der kostet nicht viel. Das sind 6000 Calvin, so was wird verkauft. Und wenn wir das jetzt mal aufneigen – bitte die Augen schließen, es blendet wahnsinnig - wenn man da reinschaut, wenn sie jetzt mal die Augen zumachen, dann sehen sie auf ihren Augen diese kleinen Kästchen. Ich sehe sie jetzt auch.
Das ist einfach Blendung. Und das ist eine foto-chemische Veränderung auf der Netzhaut, da warnt ja auch die Strahlenschutzkommission schon lange davor. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz und Arbeitsmedizin. Und deswegen ist es unverständlich, dass die Politik einfach noch nicht reagiert hat."
Sabine Frank ist gelernte Kulturwissenschaftlerin. Seit 2014 leitet sie in Fulda das sogenannte "Sternenpark-Büro", das bundesländerübergreifend von fünf Landkreisen in der Rhön finanziert wird. Nicht zuletzt auch deswegen, weil der noch wenig durch künstliches Licht beeinträchtigte Nachthimmel ein großer touristischer Schatz für das Biosphärenreservat Rhön darstellt:
"Es hat touristische Auswirkungen. Weil gerade die Menschen in der Stadt, die haben eine Sehnsucht nach der Ruhe und Beständigkeit des Nachthimmels, und ich bin selber überwältigt, dass Leute extra wegen des Sternenparks in die Rhön kommen."
"Sternenführungen sind quasi Umweltbildung"
Ein ganzes Team, das von Sabine Frank geleitet wird, bietet inzwischen Nachtwanderungen in der Rhön an - auch bei wolkenverhangenem Himmel. Dann lenken die Sternenpark-Führer die Aufmerksamkeit ihrer nächtlichen Wandergruppen vom Himmel mehr in Richtung Erdoberfläche. Nachtfalter oder andere Tiere werden in den Blick genommen:
"Deswegen sind Sternenführungen quasi Umweltbildung – letztendlich. Nicht nur Astronomie. Das auch. Die meisten Leute wissen aber auch nicht, wie die Jahreszeiten entstehen, wo der Mond bei Neumond ist."
Die temperamentvolle Fünfundvierzigjährige ist Co-Autorin des vom Landkreis Fulda und dem Biosphärenreservat Rhön 2015 herausgegebenen Buches "Sternenpark Rhön. Warum der Schutz der Nacht Menschen und Natur so gut tut". Darin kritisiert Sabine Frank auch, dass insbesondere die deutschen Naturschutzgesetze die Ökologie der Nacht bisher zu wenig berücksichtigen:
"Es gibt ein Zitat von zwei US-Ökologen, die schon seit sehr langer Zeit die Auswirkungen von Lichtverschmutzung untersuchen. Das sind Travis Longcore und Catherine Rich. Und von denen stammt das Zitat, das wirklich über allem schwebt und das lautet: Was, wenn wir eines Morgens aufwachen und realisieren, dass all die Naturschutzbemühungen der letzten 30 Jahre nur die Hälfte der Geschichte erzählen, nur die Tagesgeschichte. Die Nacht, das Habitat Nacht, der Lebensraum Nacht spielt in den Naturschutzgesetzen in Deutschland überhaupt keine Rolle."
Das hat enorme Folgen für Flora und Fauna, betont Sabine Frank. Die Lichtverschmutzung treffe Bäume genauso wie Insekten, Igel oder Zugvögel, so die Koordinatorin des Sternenparkprojektes in der Rhön:
"Bei Zugvögeln ist es so, dass die vornehmlich in der Nacht fliegen, weil die Luft in der Nacht weniger turbulent ist als am Tag. Und die haben eine Fähigkeit, die wir nicht haben, die können auch im UV-Bereich sehen. Wie sehen ja nur im Bereich von 450 und 650 Nanometer und links daneben im kurzwelligen Bereich ist ja das UV-Licht und die können das gerade so sehen. Und danach können die sich richten und orientieren.
Und wenn wir dann halt mit einem fetten Kirchenstrahler nach oben strahlen, dann überstahlen wir das. Und sie verlieren dann halt ihre Orientierung oder fliegen riesengroße Umwege oder kollidieren halt auch."
Empfehlungen für eine umweltfreundliche Beleuchtung
Das Sternenpark-Büro in Fulda gibt deshalb den 40 beteiligten Kommunen im Biosphärenpark Rhön und anderen interessierten Gemeinden im Umland Empfehlungen für eine möglichst umweltfreundliche Beleuchtung auf ihrem Gebiet. Dieses Angebot werde gut angenommen, freut sich Sabine Frank:
"Dass die Bürgermeister - nicht alle, aber doch viele - sagen: Wir rüsten demnächst um, können Sie mal gucken, können Sie uns beraten oder auch schon Lichtplanungen vorlegen und wissen wollen, ob das so okay ist. Einfach noch mal einen Input haben wollen oder von mir noch mal Infos über andere Leuchten. Man muss da ja so verstehen, der Sternenpark ist sehr, sehr groß. Und wir haben Energieversorger, die einen Teil der Fläche abdecken, da ist es relativ einfach. Aber in Thüringen ist es so, dass die Kommune noch selbst die Beleuchtung macht und das macht dann der Elektro-Installateur um die Ecke und der kann vielleicht auch viele Fehler machen."
Das Thema "Lichtverschmutzung" sei ein Thema, dem sich auch die Umweltverbände auch in den Großstädten mehr zuwenden müssten, fordert die Sternenpark-Koordinatorin in der Rhön. Dem kann auch Professor Lutz Katzschner nur beipflichten. Er ist Sprecher des hessischen Landesarbeitskreises "Luft/Klima/Lärm" im Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND):
"Man findet ja keinen klaren Himmel mehr. Man muss ja schon weit raus, um wirklich einen Sternenhimmel zu sehen. Der Komfort, den wir in den Städten im Moment haben wollen, ist: Überall muss Licht sein und es kann nicht dunkel sein. Und da müssten wir wahrscheinlich ein Umdenken herbeiführen, dass es auch dunkel angenehm sein kann. Wobei dann immer die Frage, Kriminalität, Sicherheit, gerade von älteren Menschen da eine Rolle spielt."
Im Fuldaer Sternenpark-Büro stellt man allerdings fest, dass die öffentliche Beleuchtung in den letzten Jahren im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön zunehmend nach den Kriterien des Sternenpark-Büros entspricht wird – auch um den ungestörten Blick in den Nachthimmel weiterhin zu ermöglichen. Sorgen machen Sabine Frank im Augenblick vor allem private Lichtverschwender.
"Es werden Leuchtreklamen angeboten und verkauft, die jenseits der Blendgrenze sind und wo auch die Politik unbedingt nachregeln muss, sie hinkt wirklich der technischen Entwicklung hinterher mit Regelungen. Das muss es einfach Höchstgrenzen geben. Wo man natürlich auch im Baumarkt für zehn Euro einen Strahler bekommt, der eigentlich ein Flutlicht ist."
Es gehe darum, für die Nacht wieder eine "öffentliche Lichthoheit" zurückzugewinnen, wie sie die Kommunen früher einmal hatten, fordert die Kämpferin gegen Lichtverschmutzung. Vor 100 Jahren sei in Vollmondnächten die öffentliche Straßenbeleuchtung auch einfach mal abgeschaltet worden. Im Sternenpark Rhön ist das in Zukunft auch wieder denkbar.