Steuerbetrug

Alles Hoeneß oder was?!

Uli Hoeneß muss vor Gericht
Uli Hoeneß muss vor Gericht © picture alliance / dpa
Von Michael Watzke |
Es geht um Geld, um viel Geld und um die Frage: Ist Uli Hoeneß ein Steuerbetrüger? Das Gerichtsurteil wird für den 13. März erwartet. Doch schon lange vor dem Prozess sorgte der Fall für großes Aufsehen. Ein Stimmungsbericht aus Bayern.
Hans-Ulrich Jörges: "Ihr sitzt, glaube ich, falsch. Ihr müsst eins rüber. Nein, das ist falsch geklebt."
Am 17.April 2013 ist Uli Hoeneß noch der gute Mensch vom Tegernsee. Im großen Saal des Münchner Rathauses winkt ihm Hans-Ulrich Jörges zu, der Chefredakteur des Magazins Stern.
Hans-Ulrich Jörges: "Uli, Du bist hier drüben. Du sitzt hier."
Uli, wie alle Welt den Präsidenten des FC Bayern nennt, ist Star-Gast einer abendlichen Talkrunde. Der 62-Jährige nimmt zwischen Jörges und Peter Maffay Platz. Hoeneß wirkt an diesem Abend unkonzentriert, sein Gesicht ist feuerrot.
Hans-Ulrich Jörges: "Ich will zuerst mal die Teilnehmer vorstellen: Uli Hoeneß, der hier neben mir sitzt. Das ist ja ein Mensch, da muss man eine Seite immer wieder betonen: er ist ein im Verborgenen wahnsinnig sozial engagierter Mensch. Und auch ein gesellschaftlich engagierter Mensch. Ich hab’ immer wieder gehört, dass er aus seinem Einkommen gespendet und darauf bestanden hat, dass die Spenden anonym bleiben."
Uli Hoeneß: "Ja, ich bin ja auch im Kuratorium von der Dominik-Brunner-Stiftung. Wir müssen uns unserer riesigen sozialen Verantwortung auch bewusst sein!"
Statt den Applaus zu genießen, schaut Uli Hoeneß immer wieder nervös auf sein Handy. Er ahnt: dies ist der letzte Abend in seinem Leben, an dem ihn ein Publikum, das nicht aus FC-Bayern-Fans besteht, als moralische Instanz betrachtet. Mitten in der Talkrunde flüstert der Bayern-Boss plötzlich dem Moderator Jörges etwas zu und deutet auf seine Uhr. Der Chefredakteur des Stern nickt.
Hans-Ulrich Jörges: "Der Uli Hoeneß muss uns verlassen. Ich verrate jetzt ein Geheimnis: er trifft sich um 9 Uhr mit Lionel Messi im Hotel 'Vier Jahreszeiten'."
Hoeneß lächelt gequält, verabschiedet sich und eilt die Stufen des Rathauses hinunter. Ein Reporter läuft ihm hinterher. Er fragt, ob das Gerücht stimme. Der FC-Bayern-Präsident schüttelt den Kopf und hastet zu seinem schwarzen Audi. Sein Pressesprecher Markus Hörwick sagt:
"Also grundsätzlich: wir werden uns zu diesem Thema nicht äußern. Ich bitte um Verständnis darum."
Steuerhinterziehung in Millionenhöhe
Zu diesem Zeitpunkt weiß Ulrich Hoeneß längst, dass die Selbstanzeige, die er drei Monate zuvor beim Finanzamt Rosenheim eingereicht hat, nicht anonym bleiben wird. Unter den Münchner Journalisten hat sich das Gerücht schnell verbreitet " aber noch traut sich niemand, es zu veröffentlichen. Das Magazin Focus, dessen Herausgeber Hubert Markwort im Aufsichtsrat des FC Bayern sitzt, druckt die Geschichte schließlich zwei Tage später ab: Hoeneß hat Steuern in Millionenhöhe hinterzogen. Man übertreibt nicht, wenn man sagt: die Nachricht erschüttert das ganze Land. Dabei wusste Bayerns Finanzminister Markus Söder bereits seit Januar davon:
"Solche Sachen unterliegen dem Steuergeheimnis, aber das Ministerium ist kurze Zeit nach der Selbstanzeige informiert gewesen. Allerdings unterliegt " wie gesagt " alles dem Steuergeheimnis und geht dann nach kurzer Zeit an die Staatsanwaltschaft weiter, die die federführende Behörde ist."

Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer wusste frühzeitig vom Steuerfall Hoeneß. Durfte er das wissen? In der Staatsanwaltschaft München heißt es, eigentlich hätte nur Justizministerin Beate Merk in Kenntnis gesetzt werden dürfen " als vorgesetzte Dienstherrin der ermittelnden Staatsanwälte. So sieht das auch Hans Leyendecker, Investigativ-Journalist der Süddeutschen Zeitung:
"Es gibt große Parallelen zum Fall Edathy: dass die Politik sehr früh drin war und dass dieser Ablauf für ein Verfahren nicht gut war. Auch nicht für die Frage: wo kommt denn die Information her? Was wäre, wenn jemand in der Politik ein Interesse daran gehabt hätte, vor der Landtagswahl das Thema hochzuziehen? Ausschließen können sie das nicht."
Das gebrochene Steuergeheimnis
Vor allem deshalb nicht, weil Ilse Aigner, die Vorsitzende der CSU in Oberbayern, dem parteilosen Uli Hoeneß noch Anfang 2013 einen Landtags-Wahlkreis angeboten hatte. Wäre der Steuer-Fall Hoeneß erst kurz vor der bayerischen Landtagswahl im September öffentlich geworden " er hätte für die CSU zum Desaster werden können. Professor Rudolf Mellinghoff, der Präsident des Bundesfinanzhofs in München, sieht hier zwar keinen Rechtsbruch. Aber:
"Darin liegt natürlich eine Gefahr, weil: je mehr Personen mit diesen Informationen betraut sind, desto schwieriger ist die Geheimhaltung dieser Informationen. Und man sollte gelegentlich darüber nachdenken, ob das wirklich richtig ist, dass in so prominenten Fällen bis hin zum Minister alle diese Informationen weitergegeben werden, weil man damit die Gefahr erhöht, dass das Steuergeheimnis gebrochen wird."
Das gebrochene Steuergeheimnis " darüber klagt Uli Hoeneß bis heute. Wer hat seine Selbstanzeige verraten? Die Staatsanwaltschaft München ließ sogar Büros in der bayerischen Finanzverwaltung durchsuchen, um ein mögliches Datenleck zu finden. Peter Gauweiler, stellvertretender CSU-Vorsitzender aus München, hat Mitleid mit dem Präsidenten des FC Bayern:
"Also der Uli Hoeneß hat mehr zahlen müssen als jeder andere, der Steuerprobleme hat. Der öffentliche Pranger, den der und seine Leute haben mitmachen müssen, da beneidet ihn niemand drum. Der ist ja schon bestraft worden, bevor nur ein Urteil da ist."
Tatsächlich? Ist Uli Hoeneß in der Öffentlichkeit wirklich ungerecht behandelt worden? In München liegen gerade einmal 900 Meter Luftlinie zwischen Pranger und Wagenburg. 900 Meter ist das Trainingsgelände des Fußballvereins 1860 München von der Zentrale des FC Bayern in der Säbener Straße entfernt. Wer die Trainings-Zuschauer bei 1860 auf den Steuerfall Hoeneß anspricht, blickt in zornige Gesichter:
"Der kleine Mann, dem wird’s gleich abgezogen. Der zahlt seine Steuern ehrlich. Und da, wo man wirklich was verdienen könnte, die schaffen’s weg!"
"Die Großen lässt man meistens laufen!"
"Wir zahlen alle unsere Steuern! Das sollte Hoeneß auch tun!"
Nachsicht bei den FC-Fans
Geht man allerdings nur fünf Minuten Richtung Süden und fragt FC-Bayern-Fans nach Uli Hoeneß, fühlt man sich in einem anderen Universum:
"Ich finde es nicht so schlimm. Es ist Geld."
"Ich bin der Meinung, er hat das nicht mit Absicht gemacht. Er hatte seine Berater dafür. Und er hat seine Strafe beglichen."
"Er ist ein Mensch. Und das ist seine Privatsache. Ich steh’ nach wie vor hinter Uli Hoeneß."
"Genau. Stehen wir hinter dem Mann!"
"Das wird natürlich breitgetreten. Er steht in der Öffentlichkeit. Der FC Bayern polarisiert und hat genauso viele Gegner wie Fans."
"Wenn ich dann sehe, dass Politiker mit Kinderpornografie und solchen Geschichten in Furore kommen, dann finde ich das, was der Uli getan hat, sicher nicht richtig. Aber man soll die Kirche im Dorf lassen!"
So sehen das die Fans des FC Bayern München. Interessanterweise nehmen sie ihrem Präsidenten nicht einmal übel, dass er sich die 20 Millionen D-Mark, mit denen er in der Schweiz spekulierte, von Robert Louis-Dreyfuss schenken ließ. Dem damaligen Vorstands-Vorsitzenden von Adidas. Das Geschenk fiel ausgerechnet in jene Phase, in der der FC Bayern mit dem fränkischen Sportartikel-Hersteller einen neuen Ausrüster-Vertrag verhandelte. Obendrein bot der amerikanische Sport-Konzern Nike dem FC Bayern damals mehr Geld als Adidas. Doch Hoeneß blieb bei den Franken. Herbert Hainer, der damals stellvertretender Adidas-Chef war, will von dem Hoeneß-Dreyfuss-Konto nichts gewusst haben. Hätte ich’s gewusst, sagt er...
"... dann hätte ich zumindest mal unseren Compliance Officer angerufen und ihn gefragt, wie das aussieht."
Mit großer Sicherheit hätte der Compliance Officer dasselbe gesagt wie SZ-Journalist Hans Leyendecker.
"Diese Geschichte mit Dreyfuss ist eine Geschichte, die man eigentlich nicht glaubt, wenn man sie hört. Auch wenn sich Leute gerne mögen: Hoeneß sagt ja, da war die Internet-Blase, er war ein bisschen klamm und wollte zocken. Und Dreifuss leiht ihm 5 Millionen und gibt für weitere 15 Millionen Mark noch eine Bürgschaft. Das ist auch unter Freunden sehr ungewöhnlich. Auch wenn Herr Dreyfuss reich ist " normalerweise macht man so was nicht, wenn nicht irgendwas damit verbunden ist. Hoeneß sagt, damit war nie etwas verbunden, es ging nur um unsere Freundschaft. Das muss man so akzeptieren. Die Staatsanwaltschaft hat in dem Bereich nicht ermittelt, weil es halt keine Anknüpfungstat gibt. Das wäre verjährt, falls es in einem korruptiven Zusammenhang stehen sollte. Wir haben versucht zu recherchieren, ob da was ist, und haben nix gefunden. Also gilt die Darstellung von Herrn Hoeneß."
Herbert Hainer, der heutige Adidas-Chef, fragt erst recht nicht nach, ob da was war. Er sitzt als Anteils-Eigner im FC-Bayern-Verwaltungsrat und hat " genau wie die anderen Verwaltungsräte - keine Einwände gegen den Vorsitzenden Uli Hoeneß.
"Zunächst mal ist es so, dass es in Deutschland dieses Mittel der Selbstanzeige gibt. Und wenn die Selbstanzeige anerkannt wird, dann ist er straffrei. Das ist mal Punkt 1."
Punkt 1 ist schon mal falsch. Denn Straffreiheit erlangt nach deutschem Steuerrecht nur derjenige, der weniger als 50.000 Euro Steuern hinterzogen hat. Im Fall Hoeneß aber geht es laut Anklageschrift um 3,5 Millionen Euro Steuerschaden. Selbst wenn das Landgericht München die Selbstanzeige anerkennen würde, der Staat würde lediglich auf Strafverfolgung verzichten. Straffrei bliebe Hoeneß nicht. Und sollten die Richter Hoeneß’ Selbstanzeige nicht anerkennen, worauf derzeit vieles hindeutet, dann weist Staatsanwalt Ken Heidenreich schon mal vorsorglich auf folgenden Umstand hin:
"Der Bundesgerichtshof hat in Fällen der Steuerhinterziehung mehrfach ausgeführt, dass bei einem Hinterziehungsbetrag in Millionenhöhe eine zur Bewährung aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht kommt."
Heißt im Klartext: Hoeneß muss mit einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung rechnen, wenn seine Anwälte die Richter nicht davon überzeugen können, dass seine Selbstanzeige korrekt war. Oder dass die Selbstanzeige zumindest als Milderungsgrund in Betracht kommt. Der ganze viertägige Steuerstrafprozess wird sich um diese Selbstanzeige drehen, die Hoeneß mit seinen Helfern in nur einer Nacht zusammenschusterte. Der Nacht des 16.Januar:
"Es war, glaube ich, für alle Beteiligten eine aufregende Nacht. Hoeneß hatte das Gefühl, ein Stern-Reporter sei auf dem Weg, sein Konto aufzudecken. Er hatte seinen Steuerberater zurückgerufen aus Zürich. Ein anderer Anwalt war gekommen. Sein Sohn war gekommen. Ein Steuerfahnder in Alters-Teilzeit war gekommen. Man überlegte, wie man die Selbstanzeige hinbekommt. Man bekam spät in der Nacht Unterlagen aus Zürich. Zwischen 0.00 und 2.00 Uhr. Dann macht man die Selbstanzeige. Dann fährt man nach Rosenheim und gibt die Selbstanzeige um 8.15 Uhr ab. Eine dramatische Nacht."
Warum, so fragt sich nicht nur SZ-Journalist Leyendecker, hat es Hoeneß plötzlich so eilig? Das Konto bei der Schweizer Vontobel-Bank besteht seit Jahrzehnten. Hoeneß hat dort zeitweise Devisen-Spekulationen in 3-stelliger Millionenhöhe abgewickelt. Und nun will er in nur einer Nacht eine höchst komplizierte Selbstanzeige erstellen? Die Antwort liegt wohl beim Magazin Stern. Dessen Reporter hatte sich bei der Schweizer Vontobel-Bank nach einem ominösen Konto erkundigt, dessen Nummer dem Hoeneß-Konto sehr ähnlich war. Die Bank rief Hoeneß an: da schnüffele jemand herum. Der FC-Bayern-Boss, der sonst Nerven wie Drahtseile hat, geriet in Panik, glaubt Investigativ-Reporter Hans Leyendecker:
"Die Stern-Geschichte ist ja hochinteressant, weil sie Hoeneß aufschreckt. Hoeneß glaubt, man ist ihm auf der Spur. Es gibt diesen alten Journalistensatz: ‚Eingebrochen, aber nichts geklaut!’ Ich glaube, die haben die Geschichte nicht richtig gesehen, wie sie war. Der Stern ahnte wohl, wo der Schlüssel reinpassen könnte, hat sich aber in der Tür geirrt."
Für Hoeneß allerdings könnte der Einbruch des Stern trotzdem verheerend sein. Denn das Landgericht München muss die Frage beantworten: kam die Selbstanzeige rechtzeitig? Die Antwort wird Nein lauten, wenn Richter Rupert Heindl zur Überzeugung gelangt, dass Hoeneß in Panik gehandelt hat. Dass er also dem Finanzamt seine Steuerhinterziehung nicht aus Unrechtsbewusstsein offenbarte, sondern weil er sich ertappt fühlte.
"Sein Unrechtsbewusstsein muss ja in der ganzen Zeit relativ gering ausgeprägt gewesen sein, denn er hat eine Amnestie verstreichen lassen. Er hat diese große Zeit der CDs verstreichen lassen, die 2008 begann. In der Zeit musste er immer fürchten: auch Vontobel ist da dabei. Warum sollte Vontobel nicht dabei sein? Er konnte ja nicht ahnen, dass es keine Vontobel-CD geben würde. Und da hat er so lange durchgehalten. Das zeigt ein enormes Beharrungsvermögen."
Beharrungsvermögen hat Uli Hoeneß auch nach der öffentlichen Entdeckung seiner Steuerhinterziehung gezeigt. Reue oder gar Buße ist nicht seine Stärke. Wenn sich der Präsident des aktuell erfolgreichsten Fußballclubs der Welt zu seiner Steuermoral äußert, klingt das eher so, als sei da ein missverstandener Gutmensch durch das Finanzamt in seiner Ehre gekränkt worden. Auf der letzten Jahreshauptversammlung des FC Bayern kündigte sich Hoeneß folgendermaßen an:
"So, jetzt kommt der Präsident! [...] Ich möchte ein paar Fakten sagen. Ich habe keine hunderte Millionen ins Ausland geschafft. Ich habe Kapitalerträge im Ausland nicht deklariert. Ich habe keinen Euro unversteuertes Geld von Deutschland in die Schweiz gebracht. Ich habe in vielen Jahren zig Millionen Euro an persönlicher Steuer in unserem Land bezahlt. Ich habe in den letzten fünf Jahren über fünf Millionen Euro gespendet, indem ich für Vorträge keine Honorare genommen habe. Indem ich alle Werbe-Einnahmen für soziale Einrichtungen gespendet habe."
Eingeständnis unter Tränen
Die 5000 anwesenden Fans des FC Bayern lauschten ihrem Präsidenten andächtig. Als Hoeneß auf dem Podium dann auch noch zu weinen begann, grenzte die Stimmung im Publikum fast schon an Heiligenverehrung. 1976 hatte der Münchner Profifußballer Uli Hoeneß im Finale der Europa-Meisterschaft einen entscheidenden Elfmeter verschossen. 37 Jahre später trat der Nürnberger Rostbratwurst-Fabrikant Uli Hoeneß zum entscheidenden Elfmeter ans Rednerpult:
"Ich habe mich deshalb entschlossen, nach dem Prozess meine Kollegen Rudi Schels und Karl Hopfner zu bitten, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, in der ich Ihnen die Vertrauensfrage stelle. Ich möchte Ihnen das Recht geben, zu sagen und zu entscheiden, ob ich noch der richtige Präsident für diesen Verein bin."
Die Fans des FC Bayern sprangen auf und applaudierten stehend. Uli Hoeneß schien diesen Augenblick zu genießen: er legt sein Schicksal in die Hände der Bayern-Fans, deren Antwort er schon kennt. Dabei hat Hoeneß den Steuer-Strafprozess vor dem Landgericht München doch noch gar nicht hinter, sondern noch vor sich, sagt Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung.
"Ich habe gedacht, das ist töricht. Denn eigentlich legt man sein Schicksal in die Hände des Richters. Es ist nie gut, vor einer Verhandlung zu erklären, dass später die Mitglieder eines Vereins darüber richten, was da war. Es ist schlauer, Demut zu zeigen. Ich hätte an seiner Stelle auch den Aufsichtsrat eine Weile niedergelegt, bis zum Prozess. Um dem Gericht auch zu zeigen, was ihm da auch zugefügt wird. Sie müssen da was in die Waagschale werfen, wenn es um die Frage geht: Bewährung oder nicht?"
Eine Haftstrafe mit oder ohne Bewährung? Um diese Frage wird es im Saal 119 des Münchner Justizpalastes gehen. Dass Hoeneß mit einer Geldstrafe davonkommen könnte, gilt als kaum wahrscheinlich. Trotzdem rechnet Hans Leyendecker im Prozess mit Überraschungen.
"Ja, das kann durchaus sein. Also es waren mit die schwierigsten Recherchen, die ich in so einem Bereich hatte. Normalerweise steht ihnen sehr viel Material zur Verfügung, egal woher es dann kommt. Das war in diesem Fall nicht so. Alle, die daran beteiligt waren, haben so einen Schwur getan, dass man darüber nicht reden will. Es war äußerst schwierig zu recherchieren, die Umstände so zusammenzubekommen, dass man das Bild hat. Und da sind im Prozess sicher noch Überraschungen drin."

Uli Hoeneß erstattet Selbstanzeige
Hoeneß immer im Dienst des FC Bayern?© picture alliance / dpa / Lennart Preiss
Zahl der Selbstanzeigen steigt deutlich
Eines hat die Steuerakte Ulrich H., wie sie bei der Staatsanwaltschaft heißt, auf jeden Fall bewirkt: im letzten Jahr ist die Zahl der Selbstanzeigen in Deutschland geradezu explodiert. Auf 25.000. Denn, so Professor Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs:
"Spätestens mit dem Fall Hoeneß weiß jeder Bürger im Staat: es ist strafbar, Steuern zu hinterziehen. Und damit will ich nicht sagen, dass sich die Steuermoral geändert hat. Aber das Bewusstsein dafür, dass Steuerhinterziehung ein kriminelles Delikt ist, das den Staat schädigt, das ist nun wirklich im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen."
Allerdings, so Mellinghoff, sei das Instrument der Selbstanzeige nur noch bedingt einsatztauglich. Es sei nämlich viel zu kompliziert geworden, sich selbst der Steuerhinterziehung zu bezichtigen geworden.
"Der Fall Hoeneß ist ja das ganz typische Beispiel: da ist er hingegangen zu einem ehemaligen Steuerfahnder, der ihn unterstützt hat. Selbst der scheint ja " wenn die Anklage zugelassen ist " nicht in der Lage gewesen zu sein, eine wirklich fehlerfreie Selbstanzeige zu machen. Und wenn selbst ein ehemaliger Finanzbeamter dazu nicht in der Lage ist, der ja eigentlich damit befasst ist, dann zeigt das, wie schwierig es ist, eine Selbstanzeige zu erstatten, die keinerlei Fehler enthält."
Familienmensch, Geschäftsmann, Zocker
Der erwähnte, ehemalige Steuerfahnder muss sich übrigens inzwischen selbst vor Gericht verantworten. Denn der pensionierte Beamte befand sich in Altersteilzeit und hätte Hoeneß deshalb wahrscheinlich gar nicht beraten dürfen. Beim Prozess kommende Woche ist der Steuerfahnder als Zeuge geladen. Von seiner Aussage hängt viel ab für Uli Hoeneß. Der Bayern-Präsident lässt sich vor Gericht von drei der prominentesten und teuersten Steuer-Fachanwälte Deutschlands vertreten. Keiner der Anwälte will sich vor Prozessbeginn in der Öffentlichkeit äußern. Auch Uli Hoeneß schweigt, seitdem er auf der Hauptversammlung des FC Bayern folgendes verkündet hatte.
"Ich hoffe und kämpfe, dass ich die Geschichte im März gut vorbeibringe, und ich verspreche ihnen, wenn ich dabei bleiben kann, werden sie den Uli Hoeneß erleben, wie er immer war. Und ich werde diesem Verein dienen, bis ich nicht mehr atmen kann. Danke schön."
In einem Interview mit der Wochenzeitung "DIE ZEIT" hat Uli Hoeneß einmal gesagt: es gebe drei Versionen von Uli Hoeneß. Den Familienmensch, den Geschäftsmann und den Zocker. Vor dem Landgericht München werden wohl alle drei erscheinen.