Programmtipps: Der Fall Alice Schwarzer ist heute Thema in unserer "Debatte" ab 15.50 Uhr. Ab 16.07 Uhr sprechen wir anschließend mit dem Historiker Paul Nolte über die öffentliche Wahrnehmung von Steuerhinterziehung im Wandel der Zeit. Mehr zum Fall Schwarzer hören Sie außerdem in der "Ortszeit" ab 17.07 Uhr.
Kritiker werfen Schwarzer "Bigotterie" vor
Einen Tag nach der Steuer-Enthüllung über Alice Schwarzer ist das öffentliche Echo verheerend. Die Feministin erwägt nun ihrerseits strafrechtliche Schritte, weil das Steuergeheimnis verletzt worden sei.
Auf den "Spiegel"-Bericht über ihr Konto in der Schweiz hat Alice Schwarzer schnell reagiert. Das sei ein bedauerlicher Fehler gewesen, schrieb die Feministin auf ihrer Webseite, sie habe 200.000 Euro nachgezahlt und damit "unaufgefordert die Initiative" ergriffen. Aus Sicht der Steuerbehörden sei die Sache damit bereinigt. Fall erledigt? Vermutlich nicht. Auch wenn die Angelegenheit juristisch sauber gelöst sein sollte - die öffentliche Debatte nimmt jetzt erst richtig Fahrt auf.
Und daran ist Schwarzer nicht unbeteiligt. In ihrem Statement geht die "Emma"-Herausgeberin selbst in die Offensive. Sie geißelt die Medien für die Veröffentlichung des Falls, spricht von "Denunzierung" - und liefert für ihr Konto bei den Eidgenossen eine bemerkenswerte Erklärung. Sie habe in Deutschland versteuerte Einnahmen darauf eingezahlt, schreibt Schwarzer, "in einer Zeit, in der die Hatz gegen mich solche Ausmaße annahm, dass ich ernsthaft dachte: Vielleicht muss ich ins Ausland gehen."
"Die verlogene Ehre der Alice S."
Einen Tag später ist das Echo verheerend. Tenor: Da inszeniert sich eine gestrauchelte moralische Instanz als Opfer von Rufmord und Medienhetze. "Eine Frau, die mit höchstem moralischen Anspruch kämpft darf kein unversteuertes Vermögen in der Schweiz bunkern. Das geht einfach nicht!", schreibt die "Bild"-Zeitung. "Spiegel Online" kritisiert unter dem Titel "Die verlogene Ehre der Alice S." die "Bigotterie eines ehemaligen Vorbilds". Und die links-alternative taz schreibt in einem Kommentar: "Schwarzer schreckt also nicht davor zurück, sich als politisch Verfolgte aufzuplustern – und sich damit implizit mit den Opfern im Dritten Reich zu vergleichen." Ähnlich äußert sich der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Thielemann im Deutschlandfunk-Interview. "Deutschland ist kein Unrechtsregime, in dem man zur Flucht aufruft, auch in den 80er-Jahren nicht."
Schwarzers Anwalt, der Medienrechtler Christian Schertz, hat inzwischen juristische Konsequenzen wegen der Veröffentlichung angekündigt. Er prüfe strafrechtliche Schritte, weil das Steuergeheimnis verletzt worden sei. Schertz sprach von einer "unerträglichen Verletzung des Steuergeheimnisses und der Persönlichkeitsrechte" seiner Mandantin.
Unterstützung bekommt Schwarzer in dieser Frage von der deutschen Steuergewerkschaft. Dass ihr Fall an die Medien gespielt worden sei, werde viele Steuersünder künftig von einer Selbstanzeige abhalten, sagte der Vorsitzende Thomas Eigenthaler. "Wenn das deutsche Recht die Möglichkeit der Selbstanzeige gibt, dann muss man das akzeptieren."
Auch Berlins Kulturstaatssekretär hatte Geld in der Schweiz
Auch der Bund der Steuerzahler rügte die Enthüllung. "Frau Schwarzer hat das legitime Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige genutzt und damit den Weg in die Steuerehrlichkeit gefunden", sagte Präsident Reiner Holznagel "Handelsblatt Online". Holznagel verteidigte die Möglichkeit, sich selbst anzuzeigen. "Ohne dieses Instrument würden viele Steuerhinterzieher nie entdeckt."
Doch dass das Thema Steuerbetrug bald aus den Schlagzeilen verschwindet, dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein. Denn die Liste prominenter Steuersünder wird immer länger. Einen Tag nach der Schwarzer-Enthüllung wurde nun der Fall des Berliner Kulturstaatssekretärs André Schmitz publik. Nach einem Bericht der "B.Z." musste dieser am Montag einräumen, ein Konto mit fast einer halben Million Euro in der Schweiz nicht versteuert zu haben. Auch gegen den Berliner Filmproduzenten Atze Brauner wird derzeit wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Im März beginnt dann der Prozess gegen Uli Hoeneß. Der Fall des Bayern-Managers hatte die Debatte um Steuerhinterziehung im vergangenen Jahr ins Rollen gebracht.
twa