Hochbetrieb an deutsch-schweizerischer Grenze
Nach spektakulären Steuerfällen wie der von Uli Hoeneß und Alice Schwarzer will die Schweiz ihr Image wieder aufpolieren. Ab Januar will sie alle deutschen Konten kündigen, die den hiesigen Finanzämtern nicht gemeldet sind. Auf einmal gibt es reichlich Grenzverkehr.
Zollamtsinspektor Christian Müller ist ein Mittdreißiger von eher schmächtiger Statur. Das schwarze Brillengestell im schmalen, etwas blassen Gesicht betont den prüfenden Blick seiner Augen. Müller hält seinen Blick gesenkt, offenbar scannt er damit die Kennzeichen der ankommenden Fahrzeuge.
"Man sieht natürlich auch schon die erste Information, das Kennzeichen, dass die Person von einem weiteren Anreiseort kommt. Ja dann fragt man mal, wie lange, weshalb unterwegs und überzeugt sich dann im Anschluss davon."
Fahrzeuge mit grenznahen Kennzeichen rollen ungeschoren vorbei. Doch bald hat Müller offenbar einen entdeckt, der ihm von weit genug herkommt.
"Wo kommen Sie her…"
Die Befragung hat wohl Anhaltspunkte ergeben, denn Müller bittet den Fahrer rechts ran zu fahren und den Kofferraum zu öffnen. Von weit aus dem Norden in die Schweiz und am selben Tag wieder zurück, das kommt dem Zollbeamten verdächtig vor.
"Natürlich ein längerer Anfahrtsweg um einen Ausflug zu machen, Schaffhausen. Es wäre ja möglich, dass auch Bargeld transportiert wird."
Grenzübergang Bietingen, schnörkellose Funktionsbauten in Containerarchitektur, Zollwärterhäuschen, wenige Kilometer hinter der Grenze der wohl bedeutendste Schweizer Finanzplatz Zürich.
Die Schweizer Banken wollen zum 1. Januar sämtliche Konten kündigen, die den deutschen Finanzämtern nicht gemeldet sind. Das wird noch mal eine Rückholwelle aus der Schweiz lostreten. Und viel von diesem Rückholverkehr wird über den Grenzübergang Bietingen fließen.
"Hat sich nicht weiter bestätigt. Und drum sind die Personen weiter gefahren."
"Führen Sie Bargeld, Barmittel in Höhe von 10.000 Euro oder mehr mit? Sie sind verpflichtet, wenn Sie 10.000 Euro oder mehr mitführen, dies hier schriftlich und unaufgefordert anzumelden. Nichts dabei? Alles klar. Danke schön."
Verdächtige im Blick
Immer wenn Zollinspektor Müller jemanden aus der Schlange in die Parkbucht winkt, folgt ihm ein Kollege, der aus einem Abstand von vier, fünf Metern vor allem die aussteigenden Reisenden im Blick behält und aufpasst, dass da nicht noch schnell was verschwindet. Dem eher zierlichen Müller steht jetzt mit Piotr Lawniczak ein Kollege zur Seite mit der Figur eines Modellathleten, dessen Oberarme die Elastizität des Dienst-T-Shirts auf das Äußerste fordern.
"Wir haben einige Blankoschecks gefunden. Dann schaut man natürlich nach. Es ist ja immer mal wieder möglich, dass irgendwo zwischen den Unterlagen vielleicht doch mal ein ausgefüllter Scheck durchgerutscht ist oder so. Das ergibt sich dann schon. Aber – es konnte entkräftet werden."
Es scheint ein Dienst ohne besondere Auffälligkeiten zu werden, da hat Zöllner Christian Müller plötzlich zwei Reisende mittleren Alters in einem Peugeot raus gewunken, die sich ungewöhnlich nervös verhalten. Da wird nach dem Aussteigen das Sakko angezogen und gleich wieder ausgezogen, Zigaretten werden angesteckt und hektisch inhaliert, Hände kramen in Hosentaschen, irgendetwas wird von links nach rechts gesteckt, die Fragen der Zöllner werden mit ausholender Gestik beantwortet. Eines ist klar: die Beiden wird man sich genauer ansehen. Und nach ziemlich kurzer Zeit kann Zollamtsinspektor Christian Müller, nicht frei von Jagdfieber, verkünden:
"Jackpot. 260.000 US-Dollar und nicht angemeldet."
260.000 Dollar in einem Fach unter der Hutablage, da wo die Reiseapotheke liegt. Kein besonders originelles Versteck, aber für die Zöllner in Bietingen nach Monaten mal wieder ein richtig dicker Fisch. Jetzt beginnen weitere Nachforschungen, ob man vielleicht noch mehr findet, und danach gibt es für Zollamtsinspektor Müller jede Menge Schreibarbeit, die ausführliche Dokumentation des Falls.
"Ich hab’ jetzt ein Bußgeldverfahren eingeleitet gegen die Person. Das heißt, wir haben jetzt hier vor Ort erst mal eine Anhörung gemacht im Bußgeldverfahren, ein Protokoll, wo die Person ihre Personalien angibt. Dann wurde eine Sicherheit erhoben von 26 Prozent. Das waren in dem Falle dann umgerechnet 51.000 Euro. Das war es eigentlich so weit erst mal. Geldwäschegründe konnten vor Ort nicht benannt werden. Deswegen durfte die Person die Reise fortsetzen."
Mit umgerechnet 51.000 Euro weniger im Gepäck, als Kaution im anstehenden Bußgeldverfahren. Außerdem werden die Finanzbehörden am Heimatort informiert, Verdacht auf Steuerhinterziehung.
Auch im vorliegenden Fall hat die Nervosität des Reisenden beim Grenzübergang den Zollbeamten erst auf die Fährte gesetzt.
"Wenn man dann speziell das Geld noch mal explizit anspricht, dann merkt man, dass die Leute eventuell noch nervös werden, zittern. Er hat dann im Auto auch noch nach einem Auszahlungsbeleg gesucht, weil er war eigentlich nicht mehr so ganz imstande, das mit Worten zu erklären. Weil er war wirklich sehr nervös. Das hat man schon gemerkt. Also er hat richtig gezittert."
Während Zollamtsinspektor Christian Müller den Rest seiner Dienstschicht am Computer verbringt, geht draußen, am Grenzübergang in Bietingen, die Suche nach dem Geld von Schweizer Konten unvermindert weiter.
"Führen Sie Bargeld, Barmittel in Höhe von 10.000 Euro oder mehr mit? Wenn Sie kurz zur Kontrolle mal auf die rechte Seite fahren…"