James Baldwin: The Fire Next Time - Photographs by Steve Schapiro
Taschen Verlag, Köln, 2017
Hardcover-Band im Schuber, 272 Seiten, 200 Euro
Collector’s Edition von 1.813 nummerierten Exemplaren, jeweils signiert von Steve Schapiro
"Das bessere Amerika ist heutzutage in Gefahr"
In den 60er-Jahren fotografierte Steve Schapiro die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, unter anderem den Schriftsteller James Baldwin. Im Gespräch warnt Schapiro, dass unter Trump die liberalen Errungenschaften der Ära Obama in Gefahr seien.
Ob Marlon Brando, Jodie Foster oder Robert de Niro - der Fotograf Steve Schapiro wurde vor allem für seine Bilder von Hollywood-Filmsets berühmt. Aber er fotografierte auch Personen der Zeitgeschichte. 1963 begleitete er den afroamerikanischen Schriftsteller und Bürgerrechtler James Baldwin auf einer Lesetour durch die Vereinigten Staaten. Das war der Startpunkt seiner Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Civil-Rights-Movement.
"Ich traf damals auf sehr viele sehr wichtige Mitglieder des Civil-Rights-Movements und habe dann eigentlich auch fünf Jahre lang, von 1963 bis 1968, sehr viele Fotos gemacht, die damals dieses Civil-Rights-Movement eben auch fotografisch festgehalten hat", sagte Schapiro im Deutschlandradio Kultur. Eine Auswahl der damals entstandenen Bilder ist jetzt in dem Buch "The Fire Next Time" erschienen, gemeinsam mit dem gleichnamigen Text von James Baldwin.
Es fehlt ein charismatischen Anführer, der die Gesellschaft vereint
"Wir haben uns gut verstanden. Er war ein sehr intelligenter Mensch. Allerdings war immer irgendeine Krise. Wir verpassten fast immer unsere Flugzeuge, erst Minuten vorher haben wir es immer geschafft, unser Flugzeug zu erreichen", erinnert sich Schapiro. "Ich glaube auch, dass er ziemlich einsam war, aber trotzdem jemand, der einfach ein wunderbarer Mensch war." Außerdem einer der wichtigsten Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung, der auch Kontakt zu Bobby Kennedy geknüpft hatte und die Kennedys für die Bürgerrechtsbewegung gewann.
Derzeit fehle es in den USA in der Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus an einer Art Anführer, der auch Massen inspirieren könne, bedauert Schapiro.
"All die liberalen Gedanken, die es in der Obama-Zeit gab, versucht man irgendwie zurückzudrehen", sagt er. "Das ist eine große Gefahr auch für die Freiheit heutzutage in den Vereinigten Staaten. Was uns fehlt, ist ein charismatischer Anführer, der auch etwas Verbindendes hat, weil zurzeit ist Amerika wirklich zweigeteilt, in eine sehr rechtspopulistische Strömung und eine sehr liberale Strömung. Wir sind in so einer Zwischenphase zurzeit, die sehr schwierig ist für die USA.
Das Interview im Wortlaut:
Andrea Gerk: Unser Gast in der Lesart ist heute der amerikanische Fotograf Steve Schapiro, einer der bekanntesten Fotografen unserer Zeit. Er kam 1934 in Brooklyn zur Welt und wurde in den 60-Jahren als Fotograf des "Life-Magazine" bekannt. Er hat berühmte journalistische Arbeiten veröffentlicht, zum Beispiel über Martin Luther King. Aber er hat auch Schauspieler wie Robert De Niro und Marlon Brando am Filmset fotografiert und Stars wie Muhammad Ali und David Bowie vor der Kamera gehabt. Nun ist im Taschen-Verlag ein Band erschienen mit einem Text des Schriftstellers James Baldwin und hundert Fotos von Steve Schapiro, der ihn 1963 auf einer Lesetour begleitet hat.
Baldwin hatte damals gerade den bewegenden Essay "The Fire Next Time", in dem es um den Albtraum der Rassenfrage ging. Zum Erscheinen des Buches und zu einer Ausstellung in der CWC-Galerie Berlin war Steve Schapiro in Deutschland, und ich hatte Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Guten Tag, Mister Schapiro, welcome, nice to have you here, Mister Shapiro. Wie kamen Sie denn mit James Baldwin damals zusammen beziehungsweise zu diesem Auftrag, ihn auf dieser Reise zu begleiten?
Schapiro: James Baldwin hatte diesen Essay geschrieben, 1962, "The Fire Next Time", und ich bin an den Herausgeber oder an den Redakteur vom "Life Magazine" herangetreten und habe gesagt, ich würde gern einen langen Essay dazu machen und mit James Baldwin auf eine Art Lesetour gehen. Das haben wir dann gemacht. Das hat einen Monat gedauert. Das ging in Harlem in New York los.
Wir waren in Mississippi, wir waren in New Orleans, wir waren in vielen anderen amerikanischen Städten, und ich traf damals auf sehr viele sehr wichtige Mitglieder des Civil-Rights-Movements und habe dann eigentlich auch fünf Jahre lang, von 1963 bis 1968, sehr viele Fotos gemacht, die damals dieses Civil-Rights-Movement eben auch fotografisch festgehalten hat.
Wie die Bürgerrechtsbewegung die Kennedy-Brüder gewann
Gerk: Wie war denn Ihr Kontakt zu James Baldwin in dieser Zeit? Haben Sie einen guten Draht zueinander? Wie haben Sie ihn so erlebt?
Schapiro: Wir haben uns gut verstanden. Er war ein sehr intelligenter Mensch. Allerdings war immer irgendeine Krise. Wir verpassten fast immer unsere Flugzeuge, erst Minuten vorher haben wir es immer geschafft, unser Flugzeug zu erreichen. Ich glaube auch, dass er ziemlich einsam war, aber trotzdem jemand, der einfach ein wunderbarer Mensch war. Und er war eben einer der wichtigsten Aktivisten damals, einer der wichtigsten Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung, und hat eben auch Treffen mit Bobby Kennedy initiiert, der anfing, sich für die Aktivisten, für die schwarze Bürgerrechtsbewegung zu interessieren.
Ich kann mich auch erinnern, in den 60er-Jahren hat er ein Treffen mit Bobby Kennedy vermittelt. Da war auch Jeremy Smith dabei, der dann irgendwann aus der Sitzung stürmte und sagte, das kotzt mich hier alles an. Und Kennedy merkte dann auch, dass die Sache nicht so gut lief für die Kennedy-Brüder – sein Bruder war ja damals Präsident der Vereinigten Staaten, und Bobby Kennedy sagte nur zu ihm, ich glaube, wir haben noch nicht die schwarzen Wähler auf unserer Seite. Und von dem Punkt an haben sich die Kennedy-Brüder dann etwas mehr engagiert und wurden noch etwas hilfreicher im Bezug auf diese schwarze Bürgerrechtsbewegung.
Gerk: Sie haben gesagt, dass Sie da sehr viele schwarze Bürgerrechtsaktivisten getroffen haben auf dieser Reise. Wie war das für Sie als Weißer, wenn Sie diesen Leuten begegnet sind? Wie sind die mit Ihnen umgegangen?
Schapiro: Das hat eigentlich keinen wirklichen Unterschied gemacht. Es kam mehr auf die innere Geisteshaltung an, die man damals hatte. Die Hautfarbe war kein wirklicher Faktor. Einmal habe ich über James Baldwin dann auch James Meredith kennengelernt. Das war dieser Student, der als erster eben in ein weißes College durfte. Wir waren bei ihm in Jackson, Mississippi, zu Hause, und dann sind Baldwin und Meredith Essen gegangen und konnten mich nicht mitnehmen. Das war sozusagen eine Art umgekehrte Ausgrenzung in gewisser Weise. Aber das war wirklich sehr selten, und letztendlich kam es wirklich darauf an, wer wir sind, und nicht, wie wir aussehen.
"Weiße Studenten waren gegen die schwarze Bürgerrechtsbewegung"
Gerk: Wenn man sich diesen Fotoband, der jetzt veröffentlicht wird, ansieht, auch einzelne Bilder wie zum Beispiel eines, auf dem eine schwarze Demonstration zu sehen ist mit einem Plakat, auf dem steht "Stop Police Killings", dann hat man ja das Gefühl, dass gar nicht so viel passiert ist offenbar in diesen Jahrzehnten, seit Sie mit James Baldwin unterwegs waren, oder? Wie empfinden Sie das?
Schapiro: Es haben sich natürlich Dinge verändert seit den 60er-Jahren, beispielsweise diese Rassentrennung im Süden des Landes, die war natürlich viel massiver in den 60er-Jahren, das gibt es natürlich in der Form heute nicht mehr so. Und dann war es einfach auch so, damals ist man so aufgewachsen, ganz egal, ob man schwarz oder weiß war, die ganze Kindheit war davon bestimmt, von dieser Ausgrenzung auch der schwarzen Bevölkerung. Und damals, würde ich sagen, war eben diese Rassentrennung einfach universeller. Heute gibt es nach wie vor diese Form von Police Killings, also von Polizisten, die einfach Schwarze, vor allen Dingen junge schwarze Männer eben erschießen. Und das hat so etwas Arbiträres, das hat so etwas Zufälliges.
Die Frage, die man sich dabei stellt, ist, warum wird jemand Polizist? Wird jemand Polizist, weil er den Menschen dienen möchte, oder wird er Polizist, weil er mit sich selbst eigentlich ein Gewaltproblem hat? Und irgendwann kommt diese Gewalt einfach heraus, und ich glaube, das ist heute eher das Problem, warum es immer noch dazu kommt, dass so viele Schwarze von Polizisten getötet werden, erschossen werden. Damals natürlich, in den 60er-Jahren, war eine andere Situation, da waren eigentlich alle Polizisten weiß und rassistisch. Und auch die Sheriffs im Süden waren sehr rassistisch eingestellt und konnten mit dieser schwarzen Bürgerrechtsbewegung, die ja für Nicht-Gewalt plädierte, gar nichts anfangen. Aber das ging auch weiter. Auch weiße Studenten waren damals gegen diese schwarzen Bürgerrechtsbewegungen.
Und insofern hat sich die Situation schon verändert, würde ich sagen. Das Problem ist heute einfach nur, dass, wenn es dazu kommt, zu diesen Tötungen von Polizisten, was junge schwarze Männer betrifft, dann wird das, weil wir ein System haben, 24 Stunden am Tag nur Nachrichten zu machen, so in den Vordergrund gestellt, dass es fast übertrieben wirkt. Natürlich ist es wichtig, darüber zu berichten, aber in den 60er-Jahren hatten wir vielleicht 15 Minuten Nachrichten pro Tag, und heute sind es 24 Stunden.
Das bessere Amerika Obamas ist in Gefahr
Gerk: Würde denn der schwarzen Bewegung in Amerika so eine Figur wie James Baldwin gut tun im Moment? Fehlt so jemand?
Schapiro: Was einfach fehlt, ist eine Art Anführer, der auch Massen inspirieren kann, weil wir haben heute das Problem dieser Rechtspopulisten, die letztendlich die Trump-Administration an die Macht gebracht haben. Und die Trump-Administration versucht eigentlich alles, was es an Errungenschaften aus der Obama-Zeit gab, wieder zunichte zu machen. Sie greifen ja auch das öffentlich-rechtliche Radio an, in Amerika eben das PBS, das ist das National Public Radio, aber auch so ganz einfache Sachen wie Essen auf Rädern, die eben älteren Bürgern zugute kamen. Das sind alles so Sachen, die von den Republikanern eben nicht nur angegriffen werden, sondern das wollen sie richtig abschaffen. Und all die liberalen Gedanken, die es in der Obama-Zeit gab, versucht man irgendwie zurückzudrehen. Das ist diese rechtspopulistische Strömung.
Wenn Obama für ein besseres Amerika stand, dann ist das heutzutage eben in Gefahr, und das ist eine große Gefahr auch für die Freiheit heutzutage in den Vereinigten Staaten. Was uns fehlt, ist ein charismatischer Anführer, der auch etwas Verbindendes hat, weil zurzeit ist Amerika wirklich zweigeteilt, in eine sehr rechtspopulistische Strömung und eine sehr liberale Strömung. Wir sind in so einer Zwischenphase zurzeit, die sehr schwierig ist für die USA.
Gerk: Kommen wir noch mal auf Ihre Fotos, Mister Schapiro. Sie haben ja nicht nur solche Dokumentationen gemacht, sondern auch sehr berühmte Menschen, Stars wie Marlon Brando am Set von "Der Pate" fotografiert, oder den jungen Muhammad Ali. Was ist anders für Sie, wenn Sie solche Dokumentationen machen wie die, die wir hier vorliegen haben, oder wenn Sie eben solche Prominente fotografieren?
Schapiro: Da ist eigentlich kein Unterschied, weil man versucht eigentlich immer, wenn man jemanden porträtiert, die Essenz dieser Person irgendwie herauszufinden, was er für eine Geisteshaltung hat, für was er steht, was ihn ausmacht. Und ich versuche das eher sehr ruhig anzugehen. Deswegen bin ich gar nicht so daran interessiert, großartige Gespräche dann mit diesen Personen, die ich fotografiere, zu führen, weil dann fangen sie an, sich für mich interessieren, und das ist mir gar nicht recht. Mir geht es wirklich darum, in dem Moment, wo ich jemanden fotografiere, etwas zu finden, was ihn ausmacht, was etwas Ikonisches, etwas Symbolhaftes hat. Und da, finde ich, ist es dann letztendlich egal, ob man dokumentarisch arbeitet oder an einem Filmset ist. Die Aufgabe des Fotografen ist immer die gleiche.
Auch Präsident Obama wurde von ihm fotografiert
Gerk: Gibt es denn etwas, wo Sie sagen würden, eine Ereignis oder eine Person, die Sie verpasst haben, wo Sie denken, ach, da wäre ich doch gern dabei gewesen?
Schapiro: Vor einigen Jahren hätte ich Ihnen geantwortet, ich möchte unbedingt Obama fotografieren, aber das habe ich mittlerweile geschafft. Jetzt ist es eher so, es gibt einen römisch-katholischen Priester, der heißt Pfleger, den würde ich sehr gern mal fotografieren, weil er verbindet so Elemente von Martin Luther King und John Lewis, mit dem ich ja auch zusammengearbeitet habe. Er ist einfach jemand, der sich für die Menschen interessiert, für die menschliche Natur, für das Wesen des Menschen interessiert. Das ist der Grund, warum ich ihn gern mal fotografieren möchte.
Gerk: Ich habe gelesen, dass Sie immer noch jeden Tag mit der Kamera unterwegs sind. Sie haben auch vor einigen Jahren in einem Langzeitprojekt nochmal so eine Hippie-Gruppe in Kalifornien begleitet. Mit wem sind Sie denn derzeit unterwegs, oder wem sind Sie auf der Spur?
Schapiro: Ich habe ein Buch gemacht, das nennt sich "Misericordia", und da geht es um eine Art Heim für Menschen mit gewissen geistigen Problemen, die dort aber – das sind 600 Leute, die in einem ziemlich großen Areal leben und die permanent irgendwelche Projekte machen, zum Beispiel ist dienstags immer Bäckerei. Das ist in Chicago, und die haben auch Kulturprogramme und sind voller Elan, und ich finde das einen ganz wunderbaren Ort. Ich bin da täglich dann mit meiner Frau damals gewesen, und immer, wenn wir den Ort wieder verlassen haben, hatten wir so ein Lächeln im Gesicht, weil wir eben auch ganz wunderbare Persönlichkeiten dort kennengelernt haben, auf die einige Leute immer so ein bisschen geringschätzig hinunterblicken.
Gerk: Steve Schapiro, vielen Dank für dieses Gespräch. Thank you very much for being here.
Schapiro: Thank you for having me, been a delight!
Gerk: Das Buch "The Fire Next Day" mit hundert Fotografien von Steve Schapiro ist im Taschen-Verlag erschienen in einer limitierten Auflage von 1.963 Exemplaren, die an das Erscheinungsdatum erinnern, und bis zum 15. April ist ein Teil der Fotos mit Texten in der CWC-Galerie in Berlin-Mitte zu sehen.
Schapiro: It's a really good show. I hope you'll all come.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.