Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung

Krisentreffen mit deutlichen Konsequenzen

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU)
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat heute wegen der Vertrauenskrise vier Vertreter des wissenschaftlichen Beraterkreises ins Kanzleramt eingeladen. © dpa / picture alliance / Stephanie Pilick
Von Christiane Habermalz |
Das Vertrauensverhältnis zwischen Direktor Manfred Kittel und dem wissenschaftlichen Beraterkreis sei zerrüttet gewesen. Nach einem Krisentreffen bei Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Kanzleramt sind Kittels Tage offenbar gezählt.
Krise? Welche Krise?, hatte Bernd Fabritius, neuer Präsident des Bundes der Vertriebenen gestern noch gesagt. Differenzen, ja, aber eine Führungskrise gäbe es nicht in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Ein Krisentreffen fand heute dennoch statt. Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur, hatte vier Vertreter des wissenschaftlichen Beraterkreises zu sich ins Kanzleramt eingeladen. Es ging um die Personalie Manfred Kittel, Direktor der Stiftung. Das Vertrauensverhältnis zum Direktor sei zerrüttet, hatte der Vorsitzende des Beraterkreises, der Osteuropahistoriker Stefan Troebst, im Vorfeld festgestellt, einzelne Wissenschaftler hatten einen Rücktritt nicht ausgeschlossen, sollte Kittel im Amt bleiben. Nun sollte Grütters es richten.
Beiratsvorsitzender: "Die Kuh ist vom Eis"
Zwei Stunden Warten im Schneegeriesel vor dem Kanzleramt – dann endlich tauchten die Wissenschaftler auf, in der Hand einen Zettel mit der vereinbarten Stillschweigeklausel: Das Treffen habe in konstruktiver und vertraulicher Atmosphäre stattgefunden, Inhalt und Entscheidungen wurden in großer Übereinstimmung diskutiert, dies beinhalte auch personelle Veränderungen an entscheidender Stelle. Was das bedeute? Beiratsvorsitzender Troebst wird lyrisch.
"Die deutsche Sprache hält ja eine sehr farbige Metapher bereit – von einer Kuh, die vom Eis ist, jetzt überlasse ich es Ihrer Phantasie, wer die Kuh ist und wo das Eis sich befindet.
Auf die Frage, ob er mit dem Ergebnis zufrieden sei, antwortete Troebst kurz aber eindeutig:
"Ja"
Immerhin schob Troebst doch noch den vollständigen Satz nach:
"Was sehr positiv war, war die deutliche Wertschätzung des wissenschaftlichen Beraterkreises und das deutliche Interesse, dass der weiterhin zusammenhält, um nicht negative Schlagzeilen im In- und Ausland wieder zu produzieren."
Neue Verwendung für Direktor Manfred Kittel gesucht
Damit ist nichts gesagt, und doch alles. Für die Kuh, sprich Kittel, wird Grütters eine neue Verwendung suchen, doch seine Tage als Direktor sind gezählt. Die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" kann einen weiteren Eklat nicht gebrauchen. Hintergrund der Auseinandersetzung waren zwei Ausstellungen zum Thema Flucht und Vertreibung, die Kittel in der vergangenen Woche im Deutschen Historischen Museum eröffnet hatte, darunter eine Vorschau auf die künftige Dauerausstellung – ohne den Beraterkreis zu beteiligen oder zu informieren.
Weiterhin Auseinandersetzung über Umfang der deutschen Vertreibungsgeschichte
Doch die Zerwürfnisse gehen tiefer: Kittels Vorab-Werkstattschau machte deutlich, dass es in der Stiftung offenbar immer noch sehr unterschiedliche Vorstellungen von der grundsätzlichen Ausrichtung der künftigen Dauerausstellung gibt – sprich, wie zentral die Vertreibungsgeschichte der Deutschen darin präsentiert sein soll.
Stickler: "Wir haben uns ja seinerzeit auf ein Konzept geeinigt und dieses Konzept sieht vor, einen Schwerpunkt auf die Vertreibung der Deutschen zu setzen und nicht den Schwerpunkt. Und daran halten wir auch weiter fest. Der europäische Zugang steht für uns außer Frage, das ist eine der Grundkonzeptionen, die wir haben,"
betont Matthias Stickler, Historiker an der Universität Würzburg und ebenfalls Mitglied des wissenschaftlichen Beraterkreises. Dieses Konzept finde er im Haus der Geschichte nicht wieder, bestätigte auch Troebst, darüber werde noch zu reden sein.
Im Stiftungsrat der Stiftung ist der Bund der Vertriebenen mit sechs Sitzen stark vertreten. Die Stiftung und ihr geplantes Projekt, die Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibung, ist umstritten seit ihrer Gründung. Vor allem in Polen gab es Bedenken, man wolle das Leid der Deutschen in den Vordergrund rücken und damit die deutsche Kriegsschuld relativieren. Zum wissenschaftlichen Beraterkreis gehören auch zwei polnische und ein ungarischer Historiker.
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