Stifter und ihre Motive

Wohltätig und uneigennützig?

08:47 Minuten
John D. Rockefeller, dargestellt in der politischen Karikatur "The Trust Giant's Point of View" von Horace Taylor in "The Verdict", 1900
Wer Geld hat, hat auch politischen Einfluss: Die Karikatur zeigt den Ölmagnaten John D. Rockefeller, wie er mit der US-Regierung spielt. © picture alliance / Everett Collection
Von Magdalena Neubig |
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Geld zu stiften, das hört sich erst einmal ehrenwert an. Längst sind Stiftungen aber in die Kritik geraten: als Steuersparmodelle für Superreiche, die so noch ihren Einfluss auf Politik und Gesellschaft ausbauen. Was ist dran an den Vorwürfen?
Wenn man die sogenannten Kirchenpfründe-Stiftungen außen vor lässt, in denen die meisten Kirchgemeinden organisiert sind, kommt man in Deutschland auf etwa 40.000 Stiftungen unterschiedlichster Rechtsformen. Nichtsdestotrotz denken die meisten Menschen bei Stiftungen aber zuallererst an die USA – den Ort, an dem die „Mega-Foundations“ sitzen: Rockefeller, Ford, Gates, Zuckerberg.
Das kommt nicht von ungefähr, sagt Ray Madoff. Die Juristin ist Professorin am Boston Law College und Direktorin eines Philanthropie-Thinktanks. Ihrer Meinung nach ist das Geben Teil der historischen Identität der USA. „Im Allgemeinen wird erwartet, dass sich Menschen philanthropisch engagieren“, sagt sie. „Ganz normale Menschen.“ De Tocqueville habe sogar über die Bedeutung von Vereinen in den Vereinigten Staaten geschrieben – ehrenamtliche Vereine. „Menschen, die zusammenkommen, um Probleme zu lösen und Gutes zu tun.“
Lange Zeit hatte das vor allem religiöse Gründe. Noch bis vor wenigen Jahren erhielten kirchliche Organisationen die größten Spendensummen, erzählt Ray Madoff. Inzwischen gehen allein rund 30 Prozent der Spenden an private Stiftungen und Fonds.

Spenden hat in den USA Tradition

Die Spendenbereitschaft in den USA hänge aber auch damit zusammen, dass der amerikanische Staat weniger bereitstelle als etwa der deutsche. „In den USA ist unser soziales Sicherheitsnetz nicht so stark ausgebaut. Es gibt obdachlose Menschen, es gibt hungrige Menschen“, sagt Madoff. „Deshalb gibt es eine größere Dringlichkeit für diejenigen, die die nötigen Mittel besitzen, sich zu beteiligen, um eine bessere Gesellschaft zu fördern.”
Für die Deutschen hingegen gilt, so Rupert Strachwitz, Vorsitzender der Maecenata Stiftung, die ihrerseits Menschen berät, die etwas von ihrem Vermögen etwa für die Gründung einer Stiftung einsetzen wollen. „Wir überlassen dem Staat sehr viel mehr und rufen auch viel, viel schneller nach dem Staat.“ Trotzdem spielen Stiftungen auch in Deutschland eine wichtige Rolle etwa in der Krankenpflege und Fürsorge.

Ersatz für den Sozialstaat

In Deutschland hätten die Stiftungen traditionell ein hohes Ansehen, so Strachwitz. „Unter anderem deswegen, weil sie viele Einrichtungen betrieben und auch noch betreiben.“ Krankenhäuser, Altenheime, Museen. „Streckenweise wurden die Stiftungen in ihrer Leistungskraft sogar weit überschätzt. Man hat auch von Staatsseite eine Zeit lang ernsthaft geglaubt, die Stiftungen könnten in einem nennenswerten Umfang Staatsaufgaben finanzieren. Das war und ist wirklich unsinnig.“
In den USA spielt noch ein anderer Aspekt eine wichtige Rolle: Da in der US-Gesellschaft die private Eigeninitiative eine viel stärkere Rolle spielt, stellt sich auch die Frage, ob erfolgreiche Bürgerinnen und Bürger auch Wohltäterinnen und Wohltäter sind, so Ray Madoff. „In Gesprächen heißt es in der Regel: Ist diese Person nicht großzügig, weil sie spendet? In den letzten fünf Jahren allerdings sind mehrere Bücher erschienen, die sich kritischer mit der Philanthropie auseinandersetzen.“

Einfluss auf Gesellschaft und Politik

Philanthropisches Engagement wird aus zweierlei Gründen kritisiert. Zum einen steht die Frage im Raum, ob Stiftungen als private Organisationen nicht zu viel Einfluss auf Gesellschaft und Politik haben.
Feststeht, dass die amerikanischen Privatstiftungen große finanzielle Ressourcen haben. Nach Angaben eines Forschungsinstituts der US-amerikanischen Notenbank kontrollieren sie zusammen ein Vermögen von mehr als einer Billion Dollar.
Der Einfluss deutscher Stiftungen ist damit nicht vergleichbar. Organisationen mit einem Vermögen von mehr als einer Million Euro sind in Deutschland eine Ausnahme. Dadurch ist ihr informeller Einfluss auf Politik und Gesellschaft nicht so stark wie in den USA.
Andererseits gibt es die Parteistiftungen – und noch etwas, betont Stiftungsexperte Rupert Graf Strachwitz: „Es gibt einige große Stiftungen, die durchaus einen politischen Anspruch haben.“ Beispielsweise die Bertelsmann Stiftung, Stiftung Mercator oder Körber-Stiftung. „Die zeichnen sich dadurch aus, dass sie erstens Menschen zusammenführen, was oft gerade der Politik selber sehr schwerfällt, und sie erarbeiten Studien zu irgendwelchen Themen und verbreiten die auch. Das bringt einen gewissen Einfluss klarerweise mit sich.“

Ein Steuersparmodell?

Der zweite Kritikpunkt am Stiftungswesen betrifft die Motive der Stifter und Stifterinnen: Gründen vermögende Menschen Stiftungen vor allem, um Steuern zu sparen? Rupert Graf Strachwitz hält das zum Teil für eine etwas bösartige Unterstellung. „Ich will gar nicht ausschließen, dass das so ein bisschen mitspielt, weil keiner gerne Steuern zahlt“, räumt er ein. „Dann sagt man, bevor man Steuern zahlt, mache ich lieber eine Stiftung. Da lege ich zwar was drauf, aber dann kann ich das auch kontrollieren.“
Aber spätestens, wenn sie mit ihren Steuerberatern sprechen würden, merkten Stiftungswillige, dass sie mit einer Stiftung unterm Strich kein Geld sparen. Anders in den USA, sagt Ray Madoff. „Vermögende Amerikaner, die eine gut geplante wohltätige Spende machen, können bis zu 72 Prozent des Wertes der Spende an Steuern sparen.”

Schlupflöcher trotz strenger Regulierungen

Dazu komme, dass viele Vermögende rechtliche Schlupflöcher nutzen, und das, obwohl Stiftungen in den USA im Vergleich zu Deutschland eigentlich streng reguliert sind. So müssen sie offenlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben und jährlich mindestens fünf Prozent ihrer Mittel ausschütten. Diese Vorschriften sind aber nicht effektiv, sagt Ray Madoff. „Diese Fünf-Prozent-Vorgabe können sie auch erreichen, indem sie Familienmitgliedern Gehälter zahlen oder die Reisekosten für Jahrestreffen auf Hawaii und an anderen reizenden Orten.”
Außerdem steckten viele ihre Vermögenswerte inzwischen in andere Spendenorganisationsformen wie etwa Donor-Advised Funds oder im Fall von Mark Zuckerberg in eine Limited Liability Company, für die viele Regularien nicht gelten. „Gates und Musk und Zuckerberg und all diese Menschen können einfach nie etwas in das Steuersystem einzahlen, da sie schlicht selbst entscheiden können, ihr Geld für das auszugeben, was sie für eine gute Idee halten“, so Madoff.
Genau das hält die Österreicherin Marlene Engelhorn auch im deutschsprachigen Raum für ein Problem. Die 29-Jährige wird eines Tages ein millionenschweres Vermögen erben. Aus diesem Grund ist sie Teil der Kampagne #taxmenow, in der Vermögende unter anderem höhere Vermögens- und Erbschaftssteuern fordern.

Superreichen nicht die Entscheidung überlassen

Aus Sicht von Marlene Engelhorn ist es problematisch, Vermögenden die Entscheidung selbst zu überlassen, welche Beiträge sie für die Gesellschaft leisten wollen. „Es ist ein Problem, wenn das eine Privatsache wird, wie mit so viel Geld umzugehen ist“, sagt sie. „Das geht alle was an. Das sollte eine demokratische Frage sein, die im öffentlichen, transparenten Diskurs beantwortet wird. Dafür gibt es ja Steuerpolitik. Am Ende des Tages ist das wesentlich legitimer, als sich darauf zu verlassen, dass irgendwelche Superreichen korrekt ihr Geld verteilen.“
Auch wenn Stiftungen wichtige Dienste am Zusammenhalt der Gesellschaft leisten, hat sich eine Frage von zentraler Bedeutung nicht erledigt: die Frage nach dem Verhältnis von staatlich garantierter Sozialpolitik und den unbestreitbaren Leistungen von Stiftungen, die aber nicht garantiert sind.
In den USA gibt es Vermögende wie etwa die Patriotic Millionaires: Sie setzen sich für höhere Steuersätze ein und damit für eine Stärkung staatlicher Sozialpolitik. Außerdem gibt es dort eine Initiative, die das Spenden fördern möchte. “Es ist ein Zusammenschluss vermögender Menschen, die sich für eine Steuerreform einsetzen“, sagt Madoff. „Um sicherzustellen, dass wenn man Steuervorteile für Spenden bekommt, das Geld dann auch tatsächlich für wohltätige Zwecke genutzt wird und es nicht einfach in privaten Stiftungen und Donor-Advised Fonds geparkt werden kann.”

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