Stilgerechtes Bilderbuch für Rockfans
Hinter dem etwas großspurigen Namen des Buches verbirgt sich nicht weniger als die komplette Sammlung der Titelseiten des "Rolling Stone", des Zentralorgans der Rockmusik. Und das sind weit mehr grafische Formen als die üblichen Portrait- oder Kunstfotos: Karikaturen, Comics, Illustrationen mit Zeichenstift oder Wasserfarben. Eine komplette Geschichte der Popkultur ist der dicke Band allerdings nicht.
"On the cover of the Rolling Stone", hiess ein Song von Dr. Hook. Tenor: Wer es auf’s Cover geschafft hatte, war "big in the business". Seine 1000. Ausgabe feiert das Zentralorgan der Rockmusik mit einem dicken Band: "Rolling Stone. 1000 Cover – die Geschichte der einflussreichsten Zeitschrift der Popkultur".
Hinter dem etwas großspurigen Namen verbirgt sich nicht weniger als die komplette Sammlung der Titelseiten. Und das sind weit mehr grafische Formen als die üblichen Portrait- oder Kunstfotos: Karikaturen, Comics, Illustrationen mit Zeichenstift oder Wasserfarben. Auch Andy Warhol hat sich daran versucht, Anton Corbijn gehört zu den bekannten Namen, Mark Seliger und vor allem Annie Leibovitz haben lange für den Rolling Stone gearbeitet.
Zu den Frontseiten gibt es Auszüge aus Titelgeschichten und ein langes Vorwort von Gründer Jann S. Wenner. Der brachte den Rolling Stone 1967 in San Francisco als 21-Jähriger erstmals heraus. Zunächst in Zeitungsaufmachung - und gedacht als Sprachrohr der "beat generation": Die Gegenkultur formulierte sich zum ersten Mal als Kunst. Hunter S. Thompson wurde einer der wichtigsten Autoren. Tom Wolfes späterer Bestseller "Fegefeuer der Eitelkeiten" war zuerst als Fortsetzungsroman im "Rolling Stone" zu lesen.
"1000 Cover" ist aber in erster Linie ein Bildband. "Unsere Figuren waren die Architekten ihrer Zeit", schreibt Herausgeber Jann S. Wenner im Vorwort: "Präsidenten und Poeten – die Outsider und Insider."
Die allererste Titelseite zeigt John Lennon als Soldat. Die beste den nackten Lennon in Fötus-Stellung an Yoko Ono geklammert, fotografiert am Tag seines Todes und später zum besten Magazinfoto der vergangenen 40 Jahre gewählt. John Lennon blieb bevorzugtes Kunstobjekt.
In Erinnerung blieben dem Pop-Zeitzeugen auch andere: Neil Young als Vogelscheuche, Fleetwood Mac im Bett, Bette Midler auf Rosen gebettet. Legendär auch Janet Jackson oben ohne, ihre Brüste werden von hinten in Händen gehalten. Auch beim Rolling Stone gilt: Sex sells. Zu den meistverkauften Ausgaben gehört die mit der fast nackten Cindy Crawford am Strand von Malibu. Am eindrucksvollsten sicher die Toten: Elvis, Johnny Cash, Kurt Cobain. Die Titelseiten dazu ganz ohne Text. Ebenso weihevoll die Nachrufe.
Rekordhalter mit 27 Titelfotos ist Mick Jagger. Wen wundert’s? Auch bei der vielbeachteten Wahl des Magazins für die besten Songs aller Zeiten stehen seine Rolling Stones mit "Satisfaction" ganz oben. Überboten nur von Bob Dylans "Like a rolling stone". Zufall oder nicht – der Name des Blatts scheint stimmig.
In 68er Tradition hat sich das Magazin auch immer politisch geäußert: Krass das Zerrbild von Post-Watergate-Nixon. Vor vier Monaten war eine böse Bush-Karikatur untertitelt: "Der schlechteste Präsident aller Zeiten?" Und kurz danach das teuerste Titelblatt der Geschichte des Magazins: 1,5 Millionen Dollar kostete die 3-D-Collage zur 1000. Ausgabe im Mai 2006.
Immer mal wieder hat es mit neuen Art Directors neue Gestaltungsversuche gegeben. Als - vor allem aus Großbritannien – neue Konkurrenz erwuchs, wagte man grafische Experimente: Mitte der 80er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends. Der aktuelle Verantwortliche kommt vom Nachrichtenmagazin Newsweek mit einer dementsprechend vereinfachten, informativen Aufmachung.
Dem Lektorat sind ein paar Ungenauigkeiten anzulasten, für 600 Seiten nur wenige. Was dem Buch fehlt, ist ein Inhaltsverzeichnis der Künstler. Der aufgeführte Index der Fotografen und Illustratoren ist für viele Leser nicht von Interesse.
Die Kritik am Buch trifft eigentlich das Magazin an sich: Der Rolling Stone hat eine US-zentrierte Sicht. Im Zentrum stand und steht weißer Rock. Black music und erst recht Weltmusik finden weniger Interesse und Platz im Blatt. Viele neue popmusikalische Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre werden nicht oder zu spät wahrgenommen. Das spiegelt sich erst recht in dem auf Cover und Titelgeschichten konzentrierten Band, der die musikalische Vielschichtigkeit auf Stars reduziert, sie zu Ikonen macht.
Für den klassischen Rockfan ein stilgerechtes Bilderbuch, eine schöne Rückschau auf seine Geschichte mit dieser Musik. Aber keine komplette Geschichte der Popkultur.
Rolling Stone. 1000 Covers – die Geschichte der einflussreichsten Zeitschrift der Popkultur
Mit einem Vorwort von Jann S. Wenner. Übersetzung von Thorsten Wortmann und Madeleine Lampe.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2006, 600 Seiten, 49,90 Euro
Hinter dem etwas großspurigen Namen verbirgt sich nicht weniger als die komplette Sammlung der Titelseiten. Und das sind weit mehr grafische Formen als die üblichen Portrait- oder Kunstfotos: Karikaturen, Comics, Illustrationen mit Zeichenstift oder Wasserfarben. Auch Andy Warhol hat sich daran versucht, Anton Corbijn gehört zu den bekannten Namen, Mark Seliger und vor allem Annie Leibovitz haben lange für den Rolling Stone gearbeitet.
Zu den Frontseiten gibt es Auszüge aus Titelgeschichten und ein langes Vorwort von Gründer Jann S. Wenner. Der brachte den Rolling Stone 1967 in San Francisco als 21-Jähriger erstmals heraus. Zunächst in Zeitungsaufmachung - und gedacht als Sprachrohr der "beat generation": Die Gegenkultur formulierte sich zum ersten Mal als Kunst. Hunter S. Thompson wurde einer der wichtigsten Autoren. Tom Wolfes späterer Bestseller "Fegefeuer der Eitelkeiten" war zuerst als Fortsetzungsroman im "Rolling Stone" zu lesen.
"1000 Cover" ist aber in erster Linie ein Bildband. "Unsere Figuren waren die Architekten ihrer Zeit", schreibt Herausgeber Jann S. Wenner im Vorwort: "Präsidenten und Poeten – die Outsider und Insider."
Die allererste Titelseite zeigt John Lennon als Soldat. Die beste den nackten Lennon in Fötus-Stellung an Yoko Ono geklammert, fotografiert am Tag seines Todes und später zum besten Magazinfoto der vergangenen 40 Jahre gewählt. John Lennon blieb bevorzugtes Kunstobjekt.
In Erinnerung blieben dem Pop-Zeitzeugen auch andere: Neil Young als Vogelscheuche, Fleetwood Mac im Bett, Bette Midler auf Rosen gebettet. Legendär auch Janet Jackson oben ohne, ihre Brüste werden von hinten in Händen gehalten. Auch beim Rolling Stone gilt: Sex sells. Zu den meistverkauften Ausgaben gehört die mit der fast nackten Cindy Crawford am Strand von Malibu. Am eindrucksvollsten sicher die Toten: Elvis, Johnny Cash, Kurt Cobain. Die Titelseiten dazu ganz ohne Text. Ebenso weihevoll die Nachrufe.
Rekordhalter mit 27 Titelfotos ist Mick Jagger. Wen wundert’s? Auch bei der vielbeachteten Wahl des Magazins für die besten Songs aller Zeiten stehen seine Rolling Stones mit "Satisfaction" ganz oben. Überboten nur von Bob Dylans "Like a rolling stone". Zufall oder nicht – der Name des Blatts scheint stimmig.
In 68er Tradition hat sich das Magazin auch immer politisch geäußert: Krass das Zerrbild von Post-Watergate-Nixon. Vor vier Monaten war eine böse Bush-Karikatur untertitelt: "Der schlechteste Präsident aller Zeiten?" Und kurz danach das teuerste Titelblatt der Geschichte des Magazins: 1,5 Millionen Dollar kostete die 3-D-Collage zur 1000. Ausgabe im Mai 2006.
Immer mal wieder hat es mit neuen Art Directors neue Gestaltungsversuche gegeben. Als - vor allem aus Großbritannien – neue Konkurrenz erwuchs, wagte man grafische Experimente: Mitte der 80er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends. Der aktuelle Verantwortliche kommt vom Nachrichtenmagazin Newsweek mit einer dementsprechend vereinfachten, informativen Aufmachung.
Dem Lektorat sind ein paar Ungenauigkeiten anzulasten, für 600 Seiten nur wenige. Was dem Buch fehlt, ist ein Inhaltsverzeichnis der Künstler. Der aufgeführte Index der Fotografen und Illustratoren ist für viele Leser nicht von Interesse.
Die Kritik am Buch trifft eigentlich das Magazin an sich: Der Rolling Stone hat eine US-zentrierte Sicht. Im Zentrum stand und steht weißer Rock. Black music und erst recht Weltmusik finden weniger Interesse und Platz im Blatt. Viele neue popmusikalische Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre werden nicht oder zu spät wahrgenommen. Das spiegelt sich erst recht in dem auf Cover und Titelgeschichten konzentrierten Band, der die musikalische Vielschichtigkeit auf Stars reduziert, sie zu Ikonen macht.
Für den klassischen Rockfan ein stilgerechtes Bilderbuch, eine schöne Rückschau auf seine Geschichte mit dieser Musik. Aber keine komplette Geschichte der Popkultur.
Rolling Stone. 1000 Covers – die Geschichte der einflussreichsten Zeitschrift der Popkultur
Mit einem Vorwort von Jann S. Wenner. Übersetzung von Thorsten Wortmann und Madeleine Lampe.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2006, 600 Seiten, 49,90 Euro