Stille Fotos im Widerstand
Sie hatten einen Sinn für gefühlvolle Genrebilder, romantische Landschaft und individuelle Schönheit. Doch die "Piktorialisten" hatten es schwer in der Sowjetunion. Eine Ausstellung in Berlin zeigt ihre Werke und erläutert, wie die Fotografie zu ihrem Rückzugsort wurde.
"Ich habe mich ja seit geraumer Zeit mit Fotografie befasst und sehe sehr viel Zeitgenössisches, aber auch Historisches. Aber diese Stilrichtung, in der Fotografen versucht haben in einer Zeit, die von Futurismus geprägt war, von aufstrebenden Konstruktivisten und wie auch immer, dass sie versucht haben, in einer vergleichsweise altmodischen Weise Menschen, Landschaften, Situationen abzubilden und dabei durchaus malerische Mittel zu verwenden, diese Zusammenballung von den technisch begrenzten Möglichkeiten bis zu den hochwertigen Ergebnissen, die wir hier sehen, das finde ich besonders eindrucksvoll."
Sagt Wolf Kühnelt, der Leiter des Ausstellungsprojektes. Und tatsächlich – auch wenn manche dieser zwischen 1900 und 1930 entstandenen Fotografien wirklich etwas altertümlich anmuten, diese Fotos beeindrucken auch heute noch mit ihrer eigentümlichen Schönheit. Die Winterlandschaften, über die, das spürt man beim Betrachten, eiskalt der Wind fegt. Die charaktervollen Gesichter der Landleute, herb und zerfurcht vom harten Leben, doch dabei allzu menschlich. Der Blick auf fast mystische Orte, in denen Löwenfiguren verträumt über Ruinen wachen. Oder auf Kleinigkeiten – wie das im Licht glitzernde Spinnennetz.
Sie beeindrucken zunächst mal in ihrer malerischen Machart, den mit Hilfe feiner Nachbearbeitungen erzielten Effekten. Jenseits der Wiederentdeckung der künstlerischen Schönheiten piktorialistischer Fotografie im Allgemeinen will man mit der Schau aber auch über die kulturpolitische Bedeutung dieser fotografischen Strömung in Russland aufklären. Und in der Tat wird klar, wie wenig diese Fotografie mit ihrem weichen Konturen, den romantisch vernebelten Szenerien in die Wirklichkeit des neuen Sowjetreiches gepasst haben dürften.
Olga Sviblova, Direktorin des Moskauer Hauses der Fotografie, das die Schau konzipiert hat:
"Zu Anfang waren die russischen Piktoralisten noch anerkannt, über Russlands Grenzen hinaus wurden sie gefeiert, selbst als sich andere Strömungen durchzusetzen begannen. In Russland selbst aber änderte sich alles nach der Oktoberrevolution. Die individuellen Portraits, die gefühlvollen Genrebilder, die romantische Weite der Landschaften, die Schlösser, die Ruinen – all das entsprach so gar nicht der Vorstellung der kommunistischen Führer und Funktionäre, wie diese Realität aussehen sollte. Zwar wurde die Fotografie allgemein protegiert, weil man die visuelle Macht der Bilder erkannt hatte – aber da passten die Fotos von Militärparaden, die heldenhaften Inszenierungen , die modernen, konstruktivistischen Montagen viel besser."
Manche der Fotografen mussten ihre Heimatstadt verlassen, viele konnten nicht mehr frei arbeiten. Etwa Wassily Ulitin, der auf die von ihm geliebten Großformate verzichtete und stattdessen kleine Fotos an der Zensur vorbei entwickelte – bezaubernde Detailaufnahmen aus der Natur. Andere, wie Alexander Grinberg, landeten gar im Gulag. Wegen Pornografie. Dabei hatte die Dame, die er ganz im Stile Rodins ins Bild setzte, so gar nichts Obszönes – passte wohl aber nicht zum Ideal der arbeitsamen russischen Frau.
"Man könnte sagen, der Piktoralismus war eine stille Art von Widerstand. Denn auch wenn sie keine Aufträge mehr bekamen, wenn sie ihre Arbeitserlaubnis verloren, ja sogar wenn sie ins Gulag kamen – sie versuchten immer, ihren Stil, ihre Themen weiterzuentwickeln."
So ist der Titel der Schau "Stiller Widerstand" durchaus schlüssig. Auch wenn die meisten der Piktorialisten wohl kaum politisch motiviert waren. Denn die Art, wie sie fotografierten, ist gekennzeichnet vom Blick für die individuellen Schönheiten der Welt. Ja, man könnte es auch als Suche nach Rückzugsorten betrachten, den Piktorialismus in Russland als Nische der Fotografie. Und vielleicht faszinieren uns viele dieser Fotos auch deshalb bis heute, weil wir in diesen von Geschwindigkeit und drohenden Umbrüchen geprägten Zeiten bisweilen auch nach solchen Nischen suchen.
Informationen des Martin-Gropius-Baus in Berlin zur Ausstellung
Sagt Wolf Kühnelt, der Leiter des Ausstellungsprojektes. Und tatsächlich – auch wenn manche dieser zwischen 1900 und 1930 entstandenen Fotografien wirklich etwas altertümlich anmuten, diese Fotos beeindrucken auch heute noch mit ihrer eigentümlichen Schönheit. Die Winterlandschaften, über die, das spürt man beim Betrachten, eiskalt der Wind fegt. Die charaktervollen Gesichter der Landleute, herb und zerfurcht vom harten Leben, doch dabei allzu menschlich. Der Blick auf fast mystische Orte, in denen Löwenfiguren verträumt über Ruinen wachen. Oder auf Kleinigkeiten – wie das im Licht glitzernde Spinnennetz.
Sie beeindrucken zunächst mal in ihrer malerischen Machart, den mit Hilfe feiner Nachbearbeitungen erzielten Effekten. Jenseits der Wiederentdeckung der künstlerischen Schönheiten piktorialistischer Fotografie im Allgemeinen will man mit der Schau aber auch über die kulturpolitische Bedeutung dieser fotografischen Strömung in Russland aufklären. Und in der Tat wird klar, wie wenig diese Fotografie mit ihrem weichen Konturen, den romantisch vernebelten Szenerien in die Wirklichkeit des neuen Sowjetreiches gepasst haben dürften.
Olga Sviblova, Direktorin des Moskauer Hauses der Fotografie, das die Schau konzipiert hat:
"Zu Anfang waren die russischen Piktoralisten noch anerkannt, über Russlands Grenzen hinaus wurden sie gefeiert, selbst als sich andere Strömungen durchzusetzen begannen. In Russland selbst aber änderte sich alles nach der Oktoberrevolution. Die individuellen Portraits, die gefühlvollen Genrebilder, die romantische Weite der Landschaften, die Schlösser, die Ruinen – all das entsprach so gar nicht der Vorstellung der kommunistischen Führer und Funktionäre, wie diese Realität aussehen sollte. Zwar wurde die Fotografie allgemein protegiert, weil man die visuelle Macht der Bilder erkannt hatte – aber da passten die Fotos von Militärparaden, die heldenhaften Inszenierungen , die modernen, konstruktivistischen Montagen viel besser."
Manche der Fotografen mussten ihre Heimatstadt verlassen, viele konnten nicht mehr frei arbeiten. Etwa Wassily Ulitin, der auf die von ihm geliebten Großformate verzichtete und stattdessen kleine Fotos an der Zensur vorbei entwickelte – bezaubernde Detailaufnahmen aus der Natur. Andere, wie Alexander Grinberg, landeten gar im Gulag. Wegen Pornografie. Dabei hatte die Dame, die er ganz im Stile Rodins ins Bild setzte, so gar nichts Obszönes – passte wohl aber nicht zum Ideal der arbeitsamen russischen Frau.
"Man könnte sagen, der Piktoralismus war eine stille Art von Widerstand. Denn auch wenn sie keine Aufträge mehr bekamen, wenn sie ihre Arbeitserlaubnis verloren, ja sogar wenn sie ins Gulag kamen – sie versuchten immer, ihren Stil, ihre Themen weiterzuentwickeln."
So ist der Titel der Schau "Stiller Widerstand" durchaus schlüssig. Auch wenn die meisten der Piktorialisten wohl kaum politisch motiviert waren. Denn die Art, wie sie fotografierten, ist gekennzeichnet vom Blick für die individuellen Schönheiten der Welt. Ja, man könnte es auch als Suche nach Rückzugsorten betrachten, den Piktorialismus in Russland als Nische der Fotografie. Und vielleicht faszinieren uns viele dieser Fotos auch deshalb bis heute, weil wir in diesen von Geschwindigkeit und drohenden Umbrüchen geprägten Zeiten bisweilen auch nach solchen Nischen suchen.
Informationen des Martin-Gropius-Baus in Berlin zur Ausstellung