Stilvoll zu Tode essen
An der <papaya:link href="http://www.volksbuehne-berlin.de" text="Berliner Volksbühne" title="Volksbühne Berlin" target="_blank" /> wird nun eine Theaterfassung des Skandalfilms "Das große Fressen" von Marco Ferreri gezeigt. Unter der Regie von Dimiter Gotscheff werden sich vom Leben gelangweilte Männer - getreu dem filmischen Vorbild - stilvoll zu Tode essen.
Vier Freunde aus der besseren Gesellschaft ziehen sich aus Überdruss am Überfluss zurück zum letzten orgiastischen Gelage. In einem Landhaus kochen sie sich die opulentesten Mahlzeiten, "fachsimpeln" bei der Betrachtung erotischer Dias, vergnügen sich mit Prostituierten und überfressen sich zielbewusst bis zum Exitus. Nichts als fressen, ficken und scheißen werde gezeigt, und zu hören seien vor allem die derben Verdauungsprobleme der vier Esser, hieß es anklagend zu Marco Ferreris Film "Das große Fressen".
Auch wenn der Film mit seinem illustren Darstellerquartett Marcello Mastroianni, Michel Piccoli, Philippe Noiret und Ugo Tognazzi einige Filmpreise gewann, hatte er schnell sein Etikett weg und galt als pornographisch und eklig. Wenn Regisseur Dimiter Gotscheff sich jetzt an der Volksbühne an eine Bühnenversion des alten Filmes macht, liegt ihm nichts ferner als einen provokativen Beitrag zur kürzlichen Feuilletondiskussion über ein so genanntes Ekeltheater zu liefern:
"Das interessiert uns überhaupt nicht. Der Ekel ist in uns und nicht eine taktische Überlegung. Dieser Ekel, den der Regisseur Ferreri und die grandiosen Schauspieler damals erspielt haben, war die Reduzierung auf das Wesentliche, ja, archaische Moment. Figuren, Menschen, die keinen Raum besitzen außer zu fressen und zu genießen."
Natürlich wird, das ist ja nicht neu an der Volksbühne, viel mit Essen gemanscht. Und auch die sexuellen Aktionen des über 30 Jahre alten Films, gegen deren Bravheit heute jede Vorabend-Talkshow pornographisch wirkt, werden natürlich auf die Bühne gebracht. Aber nicht mit viel Nacktheit und Naturalismus, sondern als bewusst ausgestellte und übersteigerte Künstlichkeit:
Gotscheff: "Wie gesagt, Naturalismus im Theater interessiert mich nicht, kann ich nicht, und noch weniger diese Schauspieler hier in der Volksbühne. Wir versuchen das Körperliche zu übersetzen, also die Energien oder das Zeichen und nicht der konkrete Akt. Außerdem sind das nur Zuckungen, finde ich, die können weder fressen noch ficken. Sie wollen es, aber sie können es nicht."
Während der Film seine Hedonismuskritik, wenn auch ohne klare Botschaft, in schöne, satte Bilder fasst und dabei die Dekadenz einer sich zu Tode amüsierenden und fressenden Gesellschaft süffig ausstellt, sterben die vier Männer in der Volksbühne nicht in Schönheit, betont Dimiter Gotscheff:
"Mir reicht der leere Raum der Volksbühne und die Schauspieler."
Die Theateraufführung orientiert sich ohne Aktualisierungen weitgehend am Dialogbuch des Films. Dimiter Gotscheff betont immer wieder, dass die Aufführung pures Schauspielertheater sei. Das Spiel von Milan Peschel, Samuel Finzi, Marc Hosemann und Herbert Fritsch entstand aus vielen Proben-Improvisationen.
Doch wir sind an der Volksbühne, was bedeutet: Aus diesen Improvisationen entsteht natürlich das typische Volksbühnentheater. Also ein wildes, eher expressives und von Einfällen übersprudelndes Spiel, das sich vom Naturalismus der Filmvorlage weit entfernt. Während die Schauspieler zu Klaviermusik und Gebrüll auf leerer Bühne in einem anschwellenden Meer aus Schaum toben, wird in Wort und Ton auch Slapstick geboten. Ein Stilvergleich - die gleiche Szene, zuerst aus dem Film, dann aus der Theaterprobe:
Überfluss und Diätwahn in den Industrieländern, Mangel und Hunger in der so genannten Dritten Welt. Für Dimiter Gotscheff hat der 32 Jahre alte Film nichts von seiner Aktualität verloren:
"Ich entdecke, dass ich sehr oft Partei ergreife für die 3. Welt oder natürlich mich dieses Thema sehr bewegt, und ich ertappe mich auch dabei, dass es irgendwie nur leere Floskeln sind. Und deshalb versuche ich mich zu konzentrieren, sage ich mal, auf unsere "weiße Welt", reiche Welt. Da hat sich nicht viel verändert, eigentlich. Wir fressen weiter, wir feiern uns weiter und sind abgeschottet durch unsere eigenen Gelüste der übrigen Welt gegenüber."
Frauen kommen auch in der aktuellen Theaterversion, trotz zwischenzeitlicher Frauenbewegung, nur als Lustgespielinnen für die Männer vor:
Gotscheff: "Das sind Objekte. Das sind vier Männer, die jahrhunderte lang nur genießen und ein sinnliches Verhältnis zur Frau besitzen die nicht. Die Wüste ist in diesen vier Männern schon sehr, sehr fortgeschritten."
Wie der Film wartet auch Dimiter Gotscheffs Theaterinszenierung mit keiner Botschaft auf. Sie ist ein Denkangebot: Heute abend wird zu erfahren sein, wie und ob die Zuschauer dieses annehmen.
Auch wenn der Film mit seinem illustren Darstellerquartett Marcello Mastroianni, Michel Piccoli, Philippe Noiret und Ugo Tognazzi einige Filmpreise gewann, hatte er schnell sein Etikett weg und galt als pornographisch und eklig. Wenn Regisseur Dimiter Gotscheff sich jetzt an der Volksbühne an eine Bühnenversion des alten Filmes macht, liegt ihm nichts ferner als einen provokativen Beitrag zur kürzlichen Feuilletondiskussion über ein so genanntes Ekeltheater zu liefern:
"Das interessiert uns überhaupt nicht. Der Ekel ist in uns und nicht eine taktische Überlegung. Dieser Ekel, den der Regisseur Ferreri und die grandiosen Schauspieler damals erspielt haben, war die Reduzierung auf das Wesentliche, ja, archaische Moment. Figuren, Menschen, die keinen Raum besitzen außer zu fressen und zu genießen."
Natürlich wird, das ist ja nicht neu an der Volksbühne, viel mit Essen gemanscht. Und auch die sexuellen Aktionen des über 30 Jahre alten Films, gegen deren Bravheit heute jede Vorabend-Talkshow pornographisch wirkt, werden natürlich auf die Bühne gebracht. Aber nicht mit viel Nacktheit und Naturalismus, sondern als bewusst ausgestellte und übersteigerte Künstlichkeit:
Gotscheff: "Wie gesagt, Naturalismus im Theater interessiert mich nicht, kann ich nicht, und noch weniger diese Schauspieler hier in der Volksbühne. Wir versuchen das Körperliche zu übersetzen, also die Energien oder das Zeichen und nicht der konkrete Akt. Außerdem sind das nur Zuckungen, finde ich, die können weder fressen noch ficken. Sie wollen es, aber sie können es nicht."
Während der Film seine Hedonismuskritik, wenn auch ohne klare Botschaft, in schöne, satte Bilder fasst und dabei die Dekadenz einer sich zu Tode amüsierenden und fressenden Gesellschaft süffig ausstellt, sterben die vier Männer in der Volksbühne nicht in Schönheit, betont Dimiter Gotscheff:
"Mir reicht der leere Raum der Volksbühne und die Schauspieler."
Die Theateraufführung orientiert sich ohne Aktualisierungen weitgehend am Dialogbuch des Films. Dimiter Gotscheff betont immer wieder, dass die Aufführung pures Schauspielertheater sei. Das Spiel von Milan Peschel, Samuel Finzi, Marc Hosemann und Herbert Fritsch entstand aus vielen Proben-Improvisationen.
Doch wir sind an der Volksbühne, was bedeutet: Aus diesen Improvisationen entsteht natürlich das typische Volksbühnentheater. Also ein wildes, eher expressives und von Einfällen übersprudelndes Spiel, das sich vom Naturalismus der Filmvorlage weit entfernt. Während die Schauspieler zu Klaviermusik und Gebrüll auf leerer Bühne in einem anschwellenden Meer aus Schaum toben, wird in Wort und Ton auch Slapstick geboten. Ein Stilvergleich - die gleiche Szene, zuerst aus dem Film, dann aus der Theaterprobe:
Überfluss und Diätwahn in den Industrieländern, Mangel und Hunger in der so genannten Dritten Welt. Für Dimiter Gotscheff hat der 32 Jahre alte Film nichts von seiner Aktualität verloren:
"Ich entdecke, dass ich sehr oft Partei ergreife für die 3. Welt oder natürlich mich dieses Thema sehr bewegt, und ich ertappe mich auch dabei, dass es irgendwie nur leere Floskeln sind. Und deshalb versuche ich mich zu konzentrieren, sage ich mal, auf unsere "weiße Welt", reiche Welt. Da hat sich nicht viel verändert, eigentlich. Wir fressen weiter, wir feiern uns weiter und sind abgeschottet durch unsere eigenen Gelüste der übrigen Welt gegenüber."
Frauen kommen auch in der aktuellen Theaterversion, trotz zwischenzeitlicher Frauenbewegung, nur als Lustgespielinnen für die Männer vor:
Gotscheff: "Das sind Objekte. Das sind vier Männer, die jahrhunderte lang nur genießen und ein sinnliches Verhältnis zur Frau besitzen die nicht. Die Wüste ist in diesen vier Männern schon sehr, sehr fortgeschritten."
Wie der Film wartet auch Dimiter Gotscheffs Theaterinszenierung mit keiner Botschaft auf. Sie ist ein Denkangebot: Heute abend wird zu erfahren sein, wie und ob die Zuschauer dieses annehmen.