Stimme der Freiheit
Bis 1999 war der Deutsche Dienst der britischen Rundfunkanstalt BBC eine wichtige Brücke in den Beziehungen der beiden Länder. Im Zweiten Weltkrieg hörten Millionen Deutsche heimlich den sogenannten Feindsender. Je größer das Misstrauen gegenüber den deutschen Wehrmachtberichten wurde, desto mehr Hörer gewann er. Das Hauptprinzip, dem sich der Sender verpflichtet fühlte, war -, wie sein erster Leiter Hugh Carlton Green erklärte - die Wahrheit. Am 27. September 1938, heute vor 70 Jahren, strahlte die BBC ihre erste Sendung in deutscher Sprache aus.
"Hier ist England, hier ist England!"
Die verschwörerischen Paukenschläge kamen erst später, im Krieg. Am Anfang ging es darum, den Frieden zu wahren. September 1938, Hitler hatte das Rheinland besetzt, Österreich angeschlossen und wollte nun das Sudentenland. Wollte er, wie viele Briten glaubten, nur die Ungerechtigkeit der Versailler Verträge revidieren? Oder war es Zeit, den Großmachtgelüsten Hitlerdeutschlands den Riegel vorzuschieben?
Krieg lag in der Luft. Der 70-jährige britische Premier Neville Chamberlain war nach Berchtesgaden geflogen, um mit Hitler zu verhandeln. Nach seiner Rückkehr, am 27. September 1938 abends um acht, wollte er die Briten und das Ausland auf die Kriegsgefahr in Europa hinweisen. Seine Rede sollte möglichst viele Hörer erreichen, besonders in Deutschland.
Die BBC, die damals nur englisch und arabisch sendete, rief den Wiener Korrespondenten Robert Ehrenzweig-Lucas als Übersetzer in den Sender. Der Deutsche Karikaturist Walter Goetz wurde als Sprecher aus einer Cocktailparty abkommandiert. Einen Vorabtext gab es nicht, Lucas musste von den Eilmeldungen der Agenturen übersetzen.
Goetz, der Sprecher, musste oft minutenlang auf neue Textstücke warten, bevor er weiterlesen konnte.
"Ich bin ein Mann des Friedens bis in die tiefste Tiefe meiner Seele. Für mich ist der bewaffnete Konflikt zwischen Nationen ein Angsttraum. Aber wenn ich die Überzeugung gewinnen sollte, dass eine Nation entschlossen ist, die Welt durch die Drohung mit Gewalt zu beherrschen, dann fühle ich, dass Widerstand geleistet werden muss."
Einige BBC-Hörer waren erstaunt, Deutsch zu hören. Sie glaubten, die Nazis hätten den Sender überfallen. Es war der Beginn des deutschen BBC-Programms, das bis 1999 senden sollte.
"Sie haben soeben eine Rede Mr. Neville Chamberlains, des Premierministers von Großbritannien gehört. Es folgen nun einige Nachrichten in deutscher Sprache."
Ganz unvorbereitet war man nicht. Im BBC-Handbuch für 1938 waren die Grundsätze für die neuen Sprachendienste schon festgelegt:
"Ziel ist nicht, Propaganda mit Gegenpropaganda zu begegnen, sondern ein größeres Publikum für einen Nachrichtendienst zu gewinnen, der in Englisch bereits in aller Welt einen Ruf für Fairness und Unparteilichkeit gewonnen hat."
Dabei blieb es. Auch im Krieg stand die Wahrheit im Zentrum. Die Nachrichten waren knapp, nüchtern, korrekt. Aber an Pathos fehlte es nicht.
"Deutsche Hörer. Was ich euch aus der Ferne zu sagen hatte, das haben euch andere Münder zuvor überliefert. Diesmal hört ihr meine eigene Stimme ..."
60 Aufrufe von Nobelpreisträger Thomas Mann wurden gesendet. Aufgenommen in Los Angeles, ausgestrahlt in London.
"Die Stimme eines Deutschlands, das der Welt ein anderes Gesicht zeigte und wieder zeigen wird, als die scheußliche Medusenmaske, die der Hitlerismus ihm aufgeprägt hat."
Doch es war Wärme und Menschlichkeit, die den Londoner Rundfunk auch ohne Propagandalügen zu einer Waffe der psychologischen Kriegsführung machte. Die BBC wurde ein Sammelpunkt für Naziflüchtlinge und ein bis heute wenig beachtetes Zentrum deutscher Exilliteratur. Robert Lucas war einer der wichtigsten Autoren - Millionen kannten die "Briefe des Gefreiten Hirnschal an seine Frau Amalia".
BBC O-Ton Hirnschal, gelesen von Fritz Schrecker:
"Ich bitt dich Jaschke, ich hab da wieder einen Brief an meine Frau geschrieben.
Also lies ihn mir vor, Hirnschal.
Also, pass auf, Jaschke: Teure Amalia, viel geliebtes Weib. Teile dir mit, dass ich plötzlich ein berühmter Mann geworden bin, und ich werd' dir erklären, wieso. Also begonnen hat es, wie der Kiesmann die Kopfhörer abnimmt und sagt: Kinder, sagt er, das wird ein zweites Stalingrad. Bei Tscherkassy ist unsere achte Armee schon über zwei Wochen lang eingekesselt ... "
Später erklärte Lucas, man habe die alltäglichen Probleme und Ängste der Deutschen unter Hitler aufzeigen wollen:
"Wir wollten den Hörern das Gefühl geben, wir in England wissen genau, was du unter dem Nazi-Regime fühlst, das dich in diesen Krieg hineingezogen hat. Wir sind auf deiner Seite."
Die verschwörerischen Paukenschläge kamen erst später, im Krieg. Am Anfang ging es darum, den Frieden zu wahren. September 1938, Hitler hatte das Rheinland besetzt, Österreich angeschlossen und wollte nun das Sudentenland. Wollte er, wie viele Briten glaubten, nur die Ungerechtigkeit der Versailler Verträge revidieren? Oder war es Zeit, den Großmachtgelüsten Hitlerdeutschlands den Riegel vorzuschieben?
Krieg lag in der Luft. Der 70-jährige britische Premier Neville Chamberlain war nach Berchtesgaden geflogen, um mit Hitler zu verhandeln. Nach seiner Rückkehr, am 27. September 1938 abends um acht, wollte er die Briten und das Ausland auf die Kriegsgefahr in Europa hinweisen. Seine Rede sollte möglichst viele Hörer erreichen, besonders in Deutschland.
Die BBC, die damals nur englisch und arabisch sendete, rief den Wiener Korrespondenten Robert Ehrenzweig-Lucas als Übersetzer in den Sender. Der Deutsche Karikaturist Walter Goetz wurde als Sprecher aus einer Cocktailparty abkommandiert. Einen Vorabtext gab es nicht, Lucas musste von den Eilmeldungen der Agenturen übersetzen.
Goetz, der Sprecher, musste oft minutenlang auf neue Textstücke warten, bevor er weiterlesen konnte.
"Ich bin ein Mann des Friedens bis in die tiefste Tiefe meiner Seele. Für mich ist der bewaffnete Konflikt zwischen Nationen ein Angsttraum. Aber wenn ich die Überzeugung gewinnen sollte, dass eine Nation entschlossen ist, die Welt durch die Drohung mit Gewalt zu beherrschen, dann fühle ich, dass Widerstand geleistet werden muss."
Einige BBC-Hörer waren erstaunt, Deutsch zu hören. Sie glaubten, die Nazis hätten den Sender überfallen. Es war der Beginn des deutschen BBC-Programms, das bis 1999 senden sollte.
"Sie haben soeben eine Rede Mr. Neville Chamberlains, des Premierministers von Großbritannien gehört. Es folgen nun einige Nachrichten in deutscher Sprache."
Ganz unvorbereitet war man nicht. Im BBC-Handbuch für 1938 waren die Grundsätze für die neuen Sprachendienste schon festgelegt:
"Ziel ist nicht, Propaganda mit Gegenpropaganda zu begegnen, sondern ein größeres Publikum für einen Nachrichtendienst zu gewinnen, der in Englisch bereits in aller Welt einen Ruf für Fairness und Unparteilichkeit gewonnen hat."
Dabei blieb es. Auch im Krieg stand die Wahrheit im Zentrum. Die Nachrichten waren knapp, nüchtern, korrekt. Aber an Pathos fehlte es nicht.
"Deutsche Hörer. Was ich euch aus der Ferne zu sagen hatte, das haben euch andere Münder zuvor überliefert. Diesmal hört ihr meine eigene Stimme ..."
60 Aufrufe von Nobelpreisträger Thomas Mann wurden gesendet. Aufgenommen in Los Angeles, ausgestrahlt in London.
"Die Stimme eines Deutschlands, das der Welt ein anderes Gesicht zeigte und wieder zeigen wird, als die scheußliche Medusenmaske, die der Hitlerismus ihm aufgeprägt hat."
Doch es war Wärme und Menschlichkeit, die den Londoner Rundfunk auch ohne Propagandalügen zu einer Waffe der psychologischen Kriegsführung machte. Die BBC wurde ein Sammelpunkt für Naziflüchtlinge und ein bis heute wenig beachtetes Zentrum deutscher Exilliteratur. Robert Lucas war einer der wichtigsten Autoren - Millionen kannten die "Briefe des Gefreiten Hirnschal an seine Frau Amalia".
BBC O-Ton Hirnschal, gelesen von Fritz Schrecker:
"Ich bitt dich Jaschke, ich hab da wieder einen Brief an meine Frau geschrieben.
Also lies ihn mir vor, Hirnschal.
Also, pass auf, Jaschke: Teure Amalia, viel geliebtes Weib. Teile dir mit, dass ich plötzlich ein berühmter Mann geworden bin, und ich werd' dir erklären, wieso. Also begonnen hat es, wie der Kiesmann die Kopfhörer abnimmt und sagt: Kinder, sagt er, das wird ein zweites Stalingrad. Bei Tscherkassy ist unsere achte Armee schon über zwei Wochen lang eingekesselt ... "
Später erklärte Lucas, man habe die alltäglichen Probleme und Ängste der Deutschen unter Hitler aufzeigen wollen:
"Wir wollten den Hörern das Gefühl geben, wir in England wissen genau, was du unter dem Nazi-Regime fühlst, das dich in diesen Krieg hineingezogen hat. Wir sind auf deiner Seite."