Die eigene Version der Geschichte
Über die sozialen Medien melden sich aus der syrischen Stadt Aleppo Stimmen zu Wort, die Botschaften in die Welt senden. Einige von ihnen scheinen authentische Stimmen der Verzweiflung zu sein. Doch der Internet-Experte Philipp Banse mahnt zur Skepsis.
Viele Abschiedsbotschaften aus Aleppo kursierten derzeit in den sozialen Medien, sagte der Internet-Experte Philipp Banse im Deutschlandradio Kultur. Unter den Absendern seien teilweise verlässliche Quellen wie Lehrer oder Journalisten aus Aleppo, sagte Banse. "Ich werde getötet werden. Das ist genau, was passieren wird. Macht´s gut.", lautet der Text eines Lehrers. "Ich bin mir sicher, dass wir diese Nacht erobert werden", twittert das angeblich siebenjährige Mädchen Bana Alabed, die mit ihrer Mutter im Netz bereits berühmt geworden sei.
"Wir sehen uns dann wieder in einer, schöneren Welt", heiße es weiter. Solche Botschaften würden häufig mit Videos aus der komplett zerstörten Stadt verbunden. Viele klagten darüber, dass es keine Nahrungsmittel mehr gebe.
Unterschiedliche Stimmen aus Aleppo
"Völlige Hoffnungslosigkeit" präge das Bild dieser Stadt und es bleibe völlig unklar, was jetzt passieren soll, sagte Banse. Das gelte auch für die Rolle der internationalen Gemeinschaft. In Videoaufsagern aus den Ruinen sei zu hören: "Vergesst die UNO" oder "Ihr habt uns alle im Stich gelassen." Aber es gebe auch andere Stimmen im Netz, sagte Banse, beispielsweise von Soldaten der syrischen Regierungstruppen oder aus russischen Kreisen. Da heiße es, man habe die Stadt von Terroristen befreit. "Wir nehmen nicht die Freiheit, wir bringen die Freiheit" sei zu lesen.
Fact-checking als professionelles Business
Banse warnte davor, dass in allen Kriegen soziale Medien stark dazu genutzt würden, um die eigene Version der Geschichte zu erzählen. Dafür werde viel Geld ausgegeben. "Da ist natürlich eine enorme Skepsis angebracht, einerseits weil man natürlich weiß, dass alle Parteien das auch für ihre professionelle Kriegspropaganda nutzen." Dennoch gebe es Unterschiede. Unter den Hashtag Aleppo würden bei Twitter Bilder von weinenden, blutüberströmten Kindern herumgeschickt mit dem Text: "So soll kein Kind aufwachsen. Assad ist ein Mörder".
Da wisse man weder, von wann diese Bilder seien und ob sie überhaupt aus Aleppo stammten. Gleichzeitig gebe es Journalisten und Organisationen wie Snopes oder Storyfull, die solche Bilder und Videos professionell überprüften. "Dieses Überprüfen, dieses fact-checking von diesen Nachrichten, das ist ein professionelles Business geworden." Aber es habe auch sehr viele Falschmeldungen gegeben. Banse erinnerte an den Fall einer twitternden Frau aus Damaskus, die nie existierte, sondern von einem US-Bürger im Netz erfunden worden war.