Nach den Anschlägen - jetzt erst recht
Wenige Tage nach den Terroranschlägen fand jetzt zum ersten Mal auf dem Marché Popincourt im 11. Pariser Arrondissement wieder ein Markt statt. Die Straßen füllen sich, scheinbar kehrt in Paris langsam das normale Leben zurück.
Es duftet herrlich nach Brathähnchen. Ein paar Schritte weiter wähnt mancher Besucher sich plötzlich am Meer, so intensiv ist der Fischgeruch. Hier sein und aber mit dem Kopf ganz woanders – so geht es heute vielen Verkäufern und Kunden auf dem Marché Popincourt im 11. Pariser Arrondissement. Denn es ist der erste Markttag seit den Terroranschlägen.
50, höchstens 100 Meter sind es vom Startpunkt des Marktes auf dem Boulevard Richard-Lenoir und dem Konzertsaal Bataclan. Wenn Moustafa El-Aishry von seinem Obst- und Gemüsestand ein paar Schritte vortritt, kann er die Fassade des Bataclans sehen – jenem Ort, an dem in der Nacht von Freitag auf Samstag mindestens 90 Menschen ums Leben gekommen sind.
"Ich komme seit 1976 hierher. So etwas haben wir noch nie gehabt. Am Samstag und am Sonntag durften in Paris sämtliche Märkte nicht stattfinden. Es ist wichtig, dass es heute wieder losgeht. Das ist auch eine Frage des Vertrauens. Viele meiner Kunden sind ältere Leute, die kommen nicht, weil die sich nicht trauen."
Doch unter den Marktbesuchern an diesem Dienstagmittag sind durchaus auch Damen und Herren älteren Semesters, die mit ihren Einkaufstrolleys sich bei den Ständen eindecken.
Zum Beispiel France: Eine Dame in den 60ern, die nur 150 Meter vom Bataclan entfernt wohnt. Bananen, Zitronen, Tomaten und Birnen habe sie bereits gekauft. Sie findet, dass der Marktbesuch heute eigentlich gar nicht so anders sei. Klar, es fehlten ein paar Händler und ein paar Kunden, aber es gehe doch.
"Vielleicht werden die Wohnungsmieten etwas sinken"
Ob sich dass 11. Arrondissement, wo die Attentäter gleich mehrfach zu schlugen, ändere, wisse sie nicht.
"Vielleicht werden die Wohnungsmieten etwas sinken. Aber das war’s dann auch. Die Anschläge auf Charlie Hebdo waren hier ja auch in der Nähe. Und dadurch hat sich überhaupt nichts geändert."
Und dann ergänzen sie und ihre Freundin: Nein, sie selber wollten sich nicht ändern nach den Anschlägen. Etwas anders klingt ein Marktbesucher aus dem 20. Arrondissement. Er fühlt sich nach den Anschlägen nicht mehr wohl:
"In der Bar geht es, aber in der Metro oder in den Kaufhäusern hat man jetzt ein anderes Gefühl."
Der Fischhändler Lorenzo Jacky, der einen riesigen Stand mit einem ganzen Team betreibt wundert sich unterdessen:
"Die Leute reden heute zwar weniger. Aber ich bin überrascht, dass doch so viele gekommen sind. Das hätte ich nicht gedacht. Ich habe extra nicht so viel Fisch eingekauft. Nun werde ich vielleicht sogar zu wenig haben zum Verkaufen."
Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo hätte es zwei bis drei Monate gedauert, ehe sich das Marktgeschäft wieder normalisiert habe, weil sich kaum jemand raus traute, sagt Fischhändler Jacky. Das sei nun anders.
Auch vor dem Konzerthaus Bataclan lassen sich an diesem Tag kleine Zeichen der Normalisierung entdecken: Immer noch stehen hier duzende Kamerateams und es werden Blumen und Kerzen niedergelegt im Gedenken an die Toten. Aber auf dem Boulevard Voltaire rollt der Autoverkehr wieder inzwischen.