Stofftiere ins Feuer und Pinkelverbot
Amy Chua hat gleich zwei Nerven des Zeitgeists getroffen: das Thema Kindererziehung und das Thema China. In den USA ist ihr Buch, in dem sie von den brutalen Methoden der "chinesischen Erziehung" nicht ohne Humor berichtet, bereits ein Bestseller.
Der Schrei dieser Tigermutter wird so schnell nicht verhallen: Nur Erfolgserlebnisse machen Kinder glücklich! Drum seid erdrückend streng und brutal fordernd, denn nur so wird man erfolgreich! Zwingt die Kinder zu ihrem Glück, sie werden es euch danken! Denn geforderte Kinder merken, dass ihre Eltern mehr Achtung vor ihnen haben als lasche - westliche - Eltern, denn schließlich trauen chinesische Eltern ihren Kindern alles zu. Und Amy Chua, Juraprofessorin und selbst Tochter chinesischer Einwanderer, tut alles, wirklich alles, um ihrer Vorstellung der "chinesischen Mutter" gerecht zu werden.
Welche Methoden sie dazu einsetzt, was ihr wie gelingt und woran sie scheitert, all das erzählt sie jetzt in ihrem Buch "Die Mutter des Erfolgs", das bereits jetzt ein Bestseller ist. Platz vier bei "Amazon". Dazu ausführliche Besprechungen in allen großen amerikanischen Zeitungen. Amy Chua hat gleich zwei Nerven des Zeitgeists getroffen. Das Thema Kindererziehung und das Thema China und dessen Vorreiterrolle. Beides verwebt die Juraprofessorin so gekonnt, dass man ihr gerne folgt. Mit einer Mischung aus Ehrlichkeit, Selbstironie und Arroganz verführt sie zum Nachdenken, zum Ärgern, zum Mitleiden und oft genug auch zum Lachen. Glücklicherweise. Denn die Mutter des Erfolgs wird belehrt. Sie hat die Rechnung ohne ihre jüngste Tochter gemacht. Adios, "chinesische Mutter"!
Eine chinesische Mutter gibt sich nicht mit der Note "eins minus" zufrieden. Nein, überall – abgesehen von Sport und Theater – müssen ihre Kinder Klassenbeste sein. Sie müssen die anderen abhängen. Oben kann es nur einen geben: das eigene Kind. Deshalb dürfen die Kinder laut Amy Chuas Liste all das nicht: bei Freundinnen übernachten, Kinderpartys besuchen, im Schultheater mitspielen, fernsehen oder Computerspiele spielen und sich ihre Freizeitaktivitäten selbst aussuchen.
Um all das zu erreichen, rauft sich die chinesisch-amerikanische Mutter Chua die Haare, schreit, droht, erpresst, besticht, beleidigt und bettelt - wenn alles andere nicht hilft. Amy Chuas Töchter sollen beste Musikerinnen werden: Sophia als Pianistin, Lulu als Geigerin. Und weil das der Wunsch ihrer Mutter ist, wird jeden Tag stundenlang geübt. Erst wenn das Stück wirklich sitzt, wird aufgehört. Wird rebelliert, dann müssen die Töchter schon mal im Schnee stehen – Lulu ist drei –, dürfen nichts trinken oder zur Toilette gehen. Ihrer vierjährigen Tochter Sophia sagt sie: "Oh mein Gott, du wirst immer nur schlechter und schlechter. Ich zähle jetzt bis drei, dann erwarte ich Musikalität! Wenn das beim nächsten Mal nicht PERFEKT ist, NEHME ICH DIR SÄMTLICHE STOFFTIERE WEG UND VERBRENNE SIE." Und ihre Tochter Lulu wird als gewöhnlich und langweilig beschimpft – weil sie sich weigert, Kaviar zu probieren.
Harter Tobak, den man nur deshalb nicht aus der Hand legt, weil Chuas es schafft, sich selbst gekonnt in Frage zu stellen. Etwa dann, wenn sie von den Streitereien ihrer Kinder wortwörtlich berichtet, kein Blatt vor den Mund nimmt und schonungslos gesteht, ihre Kinder würden sie zeitweise sogar hassen. Um dann gleich darauf von ihren Hunden zu berichten: beides ganz normale Tölen, die zu Chuas Entsetzen auf der Intelligenzliste der Hunde ganz weit unten stehen.
Trotzdem: Amy Chua kämpft eine gnadenlosen Kampf und nimmt dafür völlig selbstverständlich ihre eigene Erschöpfung in Kauf. Besorgt fragt man sich nach wenigen Seiten, wie schafft dieses Mutter des Erfolgs all das? Sie ist selbst berufstätig, schreibt Fachbücher und betreut ihre Studenten. Reist viel. Gleichzeitig fährt sie ihre Kinder zu den besten Lehrern, wenn es sein muss an weit entfernte Orte. Wie viele Stunden hat ihr Tag?
Die Antwort bleibt sie schuldig, wie manch anderes auch: denn zu guter Letzt rebelliert Tochter Lulu, als sie dreizehn ist. Sie verweigert sich dem Regiment der Mutter. Packt die Geige weg und nimmt dafür den Tennisschläger in die Hand. Amy Chua muss einsehen, dass ihre Tochter eine ebenso starken Willen hat wie sie selbst. Lulu geht ihren eigenen Weg. Wie auch Sophia. Aber vielleicht ist genau das der eigentliche Erfolg der Amy Chua.
Besprochen von Kim Kindermann
Amy Chua: Die Mutter des Erfolgs. Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte
Aus dem Englischen von Barbara Schaden
Nagel & Kimche, Zürich 2011
256 Seiten, 19,90 Euro
Welche Methoden sie dazu einsetzt, was ihr wie gelingt und woran sie scheitert, all das erzählt sie jetzt in ihrem Buch "Die Mutter des Erfolgs", das bereits jetzt ein Bestseller ist. Platz vier bei "Amazon". Dazu ausführliche Besprechungen in allen großen amerikanischen Zeitungen. Amy Chua hat gleich zwei Nerven des Zeitgeists getroffen. Das Thema Kindererziehung und das Thema China und dessen Vorreiterrolle. Beides verwebt die Juraprofessorin so gekonnt, dass man ihr gerne folgt. Mit einer Mischung aus Ehrlichkeit, Selbstironie und Arroganz verführt sie zum Nachdenken, zum Ärgern, zum Mitleiden und oft genug auch zum Lachen. Glücklicherweise. Denn die Mutter des Erfolgs wird belehrt. Sie hat die Rechnung ohne ihre jüngste Tochter gemacht. Adios, "chinesische Mutter"!
Eine chinesische Mutter gibt sich nicht mit der Note "eins minus" zufrieden. Nein, überall – abgesehen von Sport und Theater – müssen ihre Kinder Klassenbeste sein. Sie müssen die anderen abhängen. Oben kann es nur einen geben: das eigene Kind. Deshalb dürfen die Kinder laut Amy Chuas Liste all das nicht: bei Freundinnen übernachten, Kinderpartys besuchen, im Schultheater mitspielen, fernsehen oder Computerspiele spielen und sich ihre Freizeitaktivitäten selbst aussuchen.
Um all das zu erreichen, rauft sich die chinesisch-amerikanische Mutter Chua die Haare, schreit, droht, erpresst, besticht, beleidigt und bettelt - wenn alles andere nicht hilft. Amy Chuas Töchter sollen beste Musikerinnen werden: Sophia als Pianistin, Lulu als Geigerin. Und weil das der Wunsch ihrer Mutter ist, wird jeden Tag stundenlang geübt. Erst wenn das Stück wirklich sitzt, wird aufgehört. Wird rebelliert, dann müssen die Töchter schon mal im Schnee stehen – Lulu ist drei –, dürfen nichts trinken oder zur Toilette gehen. Ihrer vierjährigen Tochter Sophia sagt sie: "Oh mein Gott, du wirst immer nur schlechter und schlechter. Ich zähle jetzt bis drei, dann erwarte ich Musikalität! Wenn das beim nächsten Mal nicht PERFEKT ist, NEHME ICH DIR SÄMTLICHE STOFFTIERE WEG UND VERBRENNE SIE." Und ihre Tochter Lulu wird als gewöhnlich und langweilig beschimpft – weil sie sich weigert, Kaviar zu probieren.
Harter Tobak, den man nur deshalb nicht aus der Hand legt, weil Chuas es schafft, sich selbst gekonnt in Frage zu stellen. Etwa dann, wenn sie von den Streitereien ihrer Kinder wortwörtlich berichtet, kein Blatt vor den Mund nimmt und schonungslos gesteht, ihre Kinder würden sie zeitweise sogar hassen. Um dann gleich darauf von ihren Hunden zu berichten: beides ganz normale Tölen, die zu Chuas Entsetzen auf der Intelligenzliste der Hunde ganz weit unten stehen.
Trotzdem: Amy Chua kämpft eine gnadenlosen Kampf und nimmt dafür völlig selbstverständlich ihre eigene Erschöpfung in Kauf. Besorgt fragt man sich nach wenigen Seiten, wie schafft dieses Mutter des Erfolgs all das? Sie ist selbst berufstätig, schreibt Fachbücher und betreut ihre Studenten. Reist viel. Gleichzeitig fährt sie ihre Kinder zu den besten Lehrern, wenn es sein muss an weit entfernte Orte. Wie viele Stunden hat ihr Tag?
Die Antwort bleibt sie schuldig, wie manch anderes auch: denn zu guter Letzt rebelliert Tochter Lulu, als sie dreizehn ist. Sie verweigert sich dem Regiment der Mutter. Packt die Geige weg und nimmt dafür den Tennisschläger in die Hand. Amy Chua muss einsehen, dass ihre Tochter eine ebenso starken Willen hat wie sie selbst. Lulu geht ihren eigenen Weg. Wie auch Sophia. Aber vielleicht ist genau das der eigentliche Erfolg der Amy Chua.
Besprochen von Kim Kindermann
Amy Chua: Die Mutter des Erfolgs. Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte
Aus dem Englischen von Barbara Schaden
Nagel & Kimche, Zürich 2011
256 Seiten, 19,90 Euro