"Stoiber hat eindeutig Schwierigkeiten mit Frauen"

Moderation: Gabi Wuttke |
In der CSU-Spitzelaffäre um die Fürther Landrätin Gabriele Pauli hat der Musiker und Kabarettist Hans Well ("Biermösl Blosn") dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. "Er hat Schwierigkeiten mit Frauen, eindeutig", sagte Well.
Gabi Wuttke: Noch heute wird er gepriesen und besungen, der bayrische Hiesel, ein Wilderer, der die Obrigkeit offen herausforderte, wofür das Volk ihn sehr liebte. 250 Jahre später ist die CSU-Politikerin Gabriele Pauli auf der Pirsch und zieht gegen den Regenten Edmund Stoiber zu Felde. Hans Well von den "Biermösl Blosn" ist nun am Telefon. Herr Well, Gabriele Pauli kommt aus Franken, was für Sie als Oberbayer ein gewichtiger Unterschied sein dürfte, ist das trotzdem eine bayrische Affäre?

Hans Well: Doch, ja natürlich. Es findet statt im Freistaat Bayern und hat natürlich viel zu tun generell mit dem Verhältnis von Stoiber zu Frauen. Also die Merkel war ja schon die erste große Niederlage, die Hinterpommerin. Und jetzt diese Fränkin, die rothaarig ist und geschieden bekanntlicherweise. Und ich sehe es eher so, dass der Stoiber generell ein bisschen Probleme hat. Vielleicht ist er ein bisschen verklemmt, ein bisschen z’sammen’zwickt. Er hat Schwierigkeiten mit Frauen, eindeutig, und sie hat ein Gespräch gesucht, aber sie war ihm zu unwichtig, er hat sie als unwichtige Person bezeichnet. Und so was lässt sich eine Frau, die Format hat und auch ein Auftreten hat wie die Pauli, nicht sagen.

Wuttke: Das ist interessant. Ich glaube, Sie sind einer der ersten, der tatsächlich das Moment Frau in diese Affäre bringt. Alle anderen kommen und sagen: Ja, da ist mal jemand, der aufbegehrt gegen das, was man immer noch eine obrigkeitsstaatliche Tradition in Bayern nennt und damit die Staatskanzlei. Was ist die Staatskanzlei für Sie?

Well: Die Staatskanzlei ist so etwas Ähnliches wie beim Putin. Also wo beim Putin mit Polonium gearbeitet wird, wird in München in der Staatskanzlei mit Paulonium gearbeitet. Also es ist offenkundig, wenn man so die Zeitungen liest, wenn man die Affäre Hohlmeier mitverfolgt hat: verschiedene Dossiers, die da angelegt wurden, unter anderem auch ist zum Beispiel der Streibl, der vorige Ministerpräsident, ist er gestürzt darüber, dass bestimmte Affären, die er gehabt hat, bestimmte auch kriminelle Affären, dass jemand das der Zeitung verraten hat, der direkt im Umfeld vom Streibl war.

Es ist vermutet worden, der Innenminister, der damalige, der hat Stoiber geheißen, nebenbei bemerkt. Es sind dann immer wieder so verschiedene Journalisten muniziert worden mit, ja, mit Hintergrundinformationen. Also das Ganze ist anonym gelaufen, unterzeichnet "ein guter Freund, jemand, der es gut mit Ihnen meint" und so weiter. Und hier hat es jemand offenkundig schlecht mit dem Streibl gemeint. Der war dann nach einem Jahr weg, und der nächste Ministerpräsident hat Stoiber geheißen.

Wuttke: Man weiß jetzt nach dem, was Sie gesagt haben, dass der Bayer viel Humor haben kann. Aber irgendwie wird nicht klar, wo eigentlich der rebellische Geist geblieben ist, der auch in den alten Räuber- und Wildererliedern besungen wird und wurde.

Well: Der ist in den Wirtshäusern immer noch anzutreffen, der rebellische Geist.

Wuttke: Na, dann ist es ja kein Wunder, dass es in der Staatskanzlei so zugeht, wie Sie es beschrieben haben.

Well: Ja, sagen wir so, vor lauter Wirtshaus hat man wahrscheinlich vergessen, dass man die Staatskanzlei mehr kontrolliert. Die ganze Affäre hat ja ein Riesenvorspiel. Die Hauptursache, warum die Pauli ja relativ erfolgreich ist, hängt eben mit der Flucht aus Berlin zusammen. Der Stoiber ist schon verwundet nach München zurückgekommen, und er hatte den Rückhalt in Oberbayern eigentlich nicht.

Bloß die Oberbayern sind relativ gut eingebunden, und wenn ein rebellischer Geist einen Posten kriegt in der Regierung oder einen, ja, was auch immer, also wenn er gut versorgt ist, dann ist es schlecht für den rebellischen Geist. Und mit so was arbeitet natürlich auch die Regierung Stoiber. Trotzdem ist er nicht beliebt, der Mann, das ist eindeutig festzustellen. Nicht einmal mehr geschätzt, weil die Leute ihm nicht verziehen haben, dass er Bayern so lächerlich gemacht hat. Schaun’s, wir spielen in zwei Tagen in der Oper, in München, zur "Fledermaus" machen wir da so eine Einlage. Da tritt ein Tenor auf, der ist vor kurzem in Mailand, nachdem er ausgebuht worden ist,

Wuttke: …von der Bühne gegangen, wir haben darüber berichtet.

Well: Genau, und jetzt, der Stoiber, der ist nicht einmal ausgebuht worden, der ist schon vorher gegangen, bevor es überhaupt so weit war, bevor der überhaupt irgendwie in die Pflicht genommen wurde, ist er wirklich geflohen, hat er das Land Bayern damit der Lächerlichkeit preisgegeben. Und ich glaube, das verzeiht man ihm eigentlich nicht. Das ist der eigentliche Grund, warum die Pauli so erfolgreich ist und warum die Bastion Stoiber jetzt wirklich offenkundig massiv wackelt.

Wuttke: Na ja, Moment mal, ist es jetzt Berlin, oder ist es tatsächlich eine zweite starke Frau, an die er gekommen ist. Denn eins muss man sagen, Gabriele Pauli hat in ihrem Wahlkreis die Leute hinter sich, aber es gibt auch Parteikollegen, die wittern jetzt Morgenluft für ihre eigene Karriere. Und so gesehen, hat Edmund Stoiber ja vielleicht doch ein bisschen Recht, wenn er sagt, Frau Pauli ist erstens eine Unruhestifterin und zweitens betreibt sie das Geschäft des politischen Gegners.

Well: Ich habe mich natürlich schon gewundert, die Pauli muss natürlich schon wissen, in welcher Partei sie ist. Das Spitzelsystem hat ja offenkundig schon früher und längere Zeit funktioniert, und man konnte sich natürlich schon die Frage stellen, warum ist überhaupt in die CSU gegangen. Es ist in Bayern schon längere Zeit ein Phänomen, der Waigel ist auch fertiggemacht worden vom Stoiber mit dem Hinweis, dass er geschieden ist.

Ich glaube, an den Kardinal Wetter ist das sogar herangetragen worden vom Stoiber damals, und damit hat der den Konkurrenten Waigel aus dem Feld geschlagen, ein geschiedener Ministerpräsident. Und so auf dieser Tour hat der Mann schon lange gearbeitet, das ist nicht von heute auf morgen gekommen, diese Bespitzelung, sondern offenkundig gibt es viele Fälle, und, wie gesagt, es sei erinnert an das Dossier von der Frau Hohlmeier, das sie aus der Mappe rauszückt und dann sagt, über jeden von euch steht hier etwas geschrieben. Und allen ist klar geworden, wahrlich, sie ist die Tochter von Franz-Josef Strauß.

Wuttke: Aber Herr Well, mal ganz unter uns, nach alldem, was Sie erzählen, warum hat das auch der CSU unter Edmund Stoiber bis zu seiner Ankündigung, nach Berlin gehen zu wollen, um dann doch wieder in München zu landen, offensichtlich nie geschadet?

Well: Der Achternbusch hat das erklärt mit der Anarchie Bayerns.

Wuttke: Ach so, ja so habe ich natürlich Anarchie noch nie gesehen.

Well: Das versteht man bloß als Bayer wahrscheinlich. Es gibt in Bayern 60 Prozent Anarchisten, die wählen CSU, so war es ungefähr, glaube ich, was der Herbert Achternbusch damals gesagt hatte. Die CSU hat es geschafft, dass sie das schöne Bayern erfunden hat, das ist eindeutig. Die CSU wird als identisch für das Land empfunden. Bayrisch zu sein bedeutet für viele Menschen, man wählt diese Partei.

Wuttke: Und Sie?

Well: Ich werde doch nicht im Deutschlandradio sagen, was ich in Bayern wähle.

Wuttke: Nun ja, entweder Sie sagen, auch ich gehöre zum Stammtisch, oder Sie sagen, nein, natürlich sitze ich niemals am Stammtisch.

Well: Ja, ich sitze natürlich am Stammtisch, aber ich möchte auch gar nicht für jeden, der am Stammtisch sitzt, die Hand ins Feuer legen. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Ausdruck, an politischem Ausdruck in dem Land, das dürfen wir nicht vergessen. Es gibt zum Beispiel in Waging am Chiemsee einen grünen Bürgermeister, der Dachsenberger heißt, und der hat inzwischen eine Zwei-Drittel-Mehrheit fast von grünen Gemeinderäten.

Der Dachsenberger ist ein ganz gestandener Mann, also der verkörpert für mich natürlich, jetzt einmal ganz im Vertrauen gesagt, in aller Öffentlichkeit ganz privat, der verkörpert für mich natürlich Bayern viel mehr als so ein Manschgerl, so eine Wilhelm-Busch-Figur wie der Stoiber. Stoiber erinnert mich eher so an den Pater … oder an den Lehrer …, den der Wilhelm Busch gezeichnet hat, aber der Dachsenberger, das ist ein gestandener Mann, der steht da und hat es offenkundig geschafft, dass er in seinem Wahlkreis unter vielen Bauern, das ist dort noch sehr ländlich, dass er da punkten konnte.

Wuttke: Nicht nur Sie sind der Meinung, dass es mit Edmund Stoiber an der Spitze von Bayern ja durchaus zu Ende gehen könnte. Nun müssen wir an dieser Stelle, um die Geschichte rund zu machen, auch über das traurige Schicksal des Hiesel sprechen, der ist nämlich damals hingerichtet worden, 1777. Wie, glauben Sie, geht die Geschichte jetzt aus?

Well: Tja, also ich werde mir einen Kaffee machen und den Kaffeesatz lesen. Es ist ja noch nicht entschieden. Die Geschichte ist jetzt so, dass nicht einmal der Höhenberger, der durch dieses Paulionium hinweggerafft worden ist, der Büroleiter, er hat ja alle Haare verloren. Nebenbei bemerkt, haben Sie ihn noch mal gesehen in der Zeitung? Der ist vollkommen glatzert, also wahrscheinlich das Gift hat sehr schnell gewirkt.

Wuttke: Vielleicht war das Buße?

Well: Ich weiß nicht, das war das Paulionium. Meiner Meinung nach wird es jetzt so wahrscheinlich kommen, dass der Höhenberger, der wird zunächst einmal befördert, vielleicht gibt es einen Aufsichtsratsposten von der Bank oder so. Insofern ist das Hinrichten und Rädern in Bayern, das wird ein bisschen abgefedert. Es könnte aber auch sein, dass eine große Äh-Ähpoche, Äpoche zu Ende geht. Das könnte auch sein.

Der Frau Pauli kann eigentlich wenig passieren, weil sie Landrätin ist. Wenn sie jetzt irgendwie im Landtag wäre, dann würde sie wahrscheinlich, dann würde es schlecht ausschauen, dann würde sie das Schicksal von Sauter, der mal Justizminister war, oder von Gauweiler teilen: Bedeutungslosigkeit.

Wuttke: Na ja, immerhin hat es Herr Gauweiler bis Berlin geschafft, womit wir am Ende und am Anfang der Geschichte wären.

Well: Gauweiler ist noch in Berlin, der Stoiber nicht mehr. Gratulation!

Wuttke: Hans Well von den Biermösl Blosn über die Spitzelaffäre und bayrische Anarchie. Ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch und wünsche Ihnen einen schönen Tag.

Well: Ebenfalls. Servus!