Stolpersteine
Der Erfinder der Stolpersteine, Gunter Demnig, ist unermüdlich unterwegs, um die Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes wach zu halten. © imago images / Future Image / Jean MW
Ein Lebenswerk gegen das Vergessen
09:02 Minuten
Seit Mitte der 1990er-Jahre hat Gunter Demnig fast 100.000 Stolpersteine verlegt, um an Opfer der NS-Diktatur zu erinnern. Heute wird der Initiator der Gedenkaktion 75 Jahre alt. Ihn bewegen vor allem die Begegnungen mit Angehörigen.
Gunter Demnigs Stolpersteine gelten als weltweit größte dezentrale Erinnerungsstätte. Die kleinen Messingplatten im Boden ehren Menschen, die während der Nazi-Diktatur verfolgt und getötet wurden. Heute wird der Künstler 75 Jahre alt.
Seit Anfang der 1990er-Jahre lässt Demnig die quadratischen Stolpersteine in den Boden ein. Sie liegen vor Häusern, in denen Verfolgte des Naziregimes einst gelebt haben. Mehr als 100.000 Steine wird Gunter Demnig bis zum nächsten Frühjahr eingelassen haben.
Stolpersteine - etwas anderes als Grabsteine
Die ersten Steine wurden noch ohne Genehmigung verlegt, damals stieß Demnig mit der Aktion noch auf einigen Widerstand. Solchen Gegenwind erlebe er heute nicht mehr, sagt Demnig. "Das sind für mich auch zum Teil vorgeschobene Widerstände." Beispielsweise wurde argumentiert, man laufe quasi über Gräber. Der Rabbi von Köln habe ihn darauf hingewiesen, dass die Stolpersteine keine Grabsteine seien, das Argument also nicht zutreffe.
Ursprünglich beabsichtigte Demnig, Tafeln an die Wände der Häuser zu schrauben. Ein jüdischer Mitarbeiter des WDR in Köln, der selbst 20 Angehörige im Holocaust verloren habe, sei allerdings sicher gewesen, dass die meisten Hausbesitzer dem niemals zustimmen würden. Dieser Hinweis sei für das Projekt ein Glücksfall gewesen.
Er habe gedacht, die Steine würden blank poliert, wenn Menschen darüber laufen, sagt der Künstler. "Aber die meisten tun mir gar nicht den Gefallen, auf die Steine zu treten." Stattdessen machen die meisten Menschen einen Bogen um die Steine. Sie müssten hin und wieder geputzt werden.
Demnig gefällt, dass man eine kleine Verbeugung machen muss, wenn man die Inschrift auf den Stolpersteinen lesen will. Einige Menschen, die ihre Brille nicht dabeihatten, mussten sich sogar niederknien.
Die Initiative, einen Stolperstein zu verlegen, geht inzwischen nicht immer von Demnig aus, sondern von Privatpersonen, Angehörigen, auch von Schülern. Gerade für junge Leute sei das wie ein Geschichtsunterricht.
Bewegende Begegnungen
Das wichtigste für ihn sei beim Verlegen der Stolpersteine das Zusammentreffen mit den Angehörigen der Opfer, die oft von sehr weit her kämen, sagt der Künstler. "Man sieht dann, wie diese Menschen fliehen mussten und vom Winde verweht worden sind." Die weiteste Anreise nach Köln sei einmal aus Tasmanien gewesen. Hin und wieder komme es auch dazu, dass Angehörige erst bei der Verlegung des Stolpersteines ihre Verwandtschaft entdeckten.
Ärger gab es im Sommer, als vor dem Auswärtigen Amt auch einige Stolpersteine für Nazi-Helfer verlegt wurden. Es sei eigentlich selten so gewesen, dass Steine versehentlich für Mittäter verlegt würden, sagt Demnig und verweist auf seine inzwischen elf Mitarbeiter. Es werde eigentlich immer nachgeforscht. "Wenn da Bedenken sind, werden die Steine überhaupt nicht gemacht."
In diesem Fall habe man nicht nachgeforscht, sondern habe sich auf das Auswärtige Amt verlassen. "Ich will die Steine wieder raus haben." Er sei noch dabei, darüber zu verhandeln, so der Künstler. "Ich kann sagen, dass unsere Steine zu 99 Prozent richtig sind", sagt Demnig, "und wenn es Fehler gibt, werden sie ausgewechselt".
(gem)