Der Rapper, den sogar die Oma kennt
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Der britische Rapper Stormzy gilt für "Time" mit Greta Thunberg als einer der Leader der nächsten Generation. Er ist nicht nur als Musiker hervorgetreten, sondern auch als Stimme seiner Community. Auch davon handelt sein neues Album.
Big Michael aka Stormzy rappt. Er kommt aus Croyden, einem eher ärmlichen Stadtteil Südlondons, ist 26 Jahre alt und heißt mit vollständigem Namen Michael Ebenazer Kwadjo Omari Owuo Jr. Gerade hat Stormzy sein zweites Album "Heavy is the Head" rausgebracht – "Schwer ist der Kopf".
Elissa Hiersemann hebt hervor, dass Stormzys erstes Debüt-Album "Gang Signs & Prayers" das erste Album überhaupt aus dem Genre "Grime" war, das es auf Platz eins der britischen Charts geschafft hat.
Grime – also besonders roher, besonders schneller Rap mit Einflüssen aus dem Dancehall, 2Step, Jungle. Rauer, im wahren Wortsinn von "grime" – "schmutziger. Neben seiner Musik hebt aber auch Stormzys Engagement, sowohl sozial als auch politisch, den Musiker heraus.
Engagement für die Community
So habe Stormzy die britische Premierministerin Theresa May immer wieder öffentlich massiv kritisiert, weil sie bei der Brandkatastrophe im Grenfell Tower 2017 untätig geblieben sei. Damals waren in dem Sozialbau in Nord-Kensington 72 Menschen ums Leben gekommen. Da habe sich der Musiker immer wieder eingemischt. "Er setzt sich permanent für seine Community ein, die schwarze Community", sagt Hiersemann.
Er habe sich auch gegen den Brexit engagiert und auch immer wieder die Labour Party und deren Chef Jeremy Corbyn massiv unterstützt, allerdings in beidem Fällen ohne Erfolg. Und er hat sich auf dem Glastonbury Festival sehr deutlich gegen den jetzigen Premierminister Boris Johnson positioniert: Bei seinen Song "Vossi Bop", der auf dem neuen Album ist, jubelten ihm Zehntausende junge Leute zu und stimmten ein in die Zeile "fuck Boris".
Ohnehin war das Glastonbury Festival eine Art Krönung für ihn: Als erster schwarzer, britischer Rapper überhaupt spielte Stormzy auf der Hauptbühne des Festivals. Und während dieses Auftritts trug Stormzy eine stichsichere Weste mit dem Union Jack drauf, in Ermahnung an die tödlichen Messerstechereien, die überall in Großbritannien grassierten. Diese Weste war ihm von einer anderen nationalen Leitfigur der Subkultur geschenkt worden, von Banksy, dem sozialkritischen Street-Art-Künstler.
Krönungsmesse Glastonbury
"Der Glastonbury-Auftritt war der finale Moment in dem Stormzy von einem normalen, britischen Rapper zu einem sogenannten Household Name wurde, also einem, den jeder kennt – nicht nur die Kids, sondern auch Oma und Opa", sagt Hiersemann.
Das neue Album thematisiert auch, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Natürlich gebe es auch das typische Rap-Geprotze, sagt Hiersemann, aber eben auch mehr. In seinem Song "Crown" beschreibe Stormzy etwa, was für ein Gewicht auf seinen Schultern laste, wenn er sich für seine Community engagiert. "Er zahlt zum Beispiel künftig vier schwarzen Bewerberinnen und Bewerbern an der britischen Elite-Uni Cambridge das Studium und den Unterhalt, wenn sie angenommen werden sollten", berichtet Hiersemann. Allerdings sei ihm in dem Zusammenhang auch vorgeworfen worden, dass er rassistisch sei, weil er nur schwarze Benachteiligte Studierende fördern wolle.
Darum gehe es in dem Song. "Stormzy nutzt seine Popularität für solche Dinge, aber es sieht seine Krönung zur nationalen Ikone auch mit gemischten Gefühlen als eine Art Bürde. Er hat Angst, all dem nicht gerecht werden zu können – diese Zweifel tauchen immer wieder in den Songs auf."
Mit Punch, mit Spuren von Pop
Hiersemann sagt, musikalisch habe das Album "Punch" und sei straff produziert. Sie hebt hervor, dass Stormzy aus ihrer Sicht eigentlich nie ausschließlich Grime oder Rap gewesen sei. "Seine künstlerische Integrität erlaubt es ihm, auch total Pop zu sein, ohne einen Beigeschmack von Ausverkauf hervorzurufen."
Ihr persönlich, so Hiersemann, seien ein paar Balladen zu viel auf dem Album, R'n'B Songs mit Sängerinnen wie HER oder Yebba. Und wenn Stormzy da singe, falle auf, "dass seine Stärke dann doch das Rappen ist". Aber er findet immer wieder zurück zu dem, was seine Musik ausmacht – und auch musikalisch wisse er um die Verantwortung. "Er bekommt es hin, dass sein Triumph wie der des gesamten britischen Rap wirkt und er hat Grime zu einem weltweiten Exportschlager gemacht."
(mfu)