Strafvollzug

Zu viele Häftlinge, zu wenig Personal

Gefängnis in Rom
Schuld an den Zuständen in den Gefängnissen Italiens ist auch die langsame Justiz. © picture alliance / dpa
Von Jan-Christoph Kitzler |
Die Uhr tickt: Bis Ende Mai hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Italien Zeit gegeben, die desaströse Lage in seinen Gefängnissen zu verbessern. Seit Jahren drohen Italien Sanktionen wegen eines inhumanen Strafvollzugs in dramatisch überfüllten Gefängnissen.
Regina Coeli ist das wohl berühmteste Gefängnis der italienischen Hauptstadt. Mitten in der Innenstadt gelegen mit langer Tradition. Jeder, der in Rom und Umgebung in Haft kommt, landet zuerst hier. Mauro Mariani, der Gefängnisdirektor ist ein freundlicher Mann, aber er hat die unangenehme Aufgabe, den Mangel zu verwalten und gleichzeitig den Überfluss. Das ist im Regina Coeli nicht anders als in den anderen rund 200 Gefängnissen Italiens. Einerseits musste sein Haus bei den letzten Spar-runden der Regierung heftig bluten, zum Beispiel beim Personal: von 620 Plan-stellen, sind zur Zeit nur rund 490 besetzt. Gleichzeitig gibt es viel zu viele Gefangene. Eigentlich hat das alte Gebäude etwa 900 Plätze. Aber zur Zeit sitzen hier rund 1000 Häftlinge – und das, während ein Viertel der Anlage zur Zeit nicht belegt wird. Wegen Renovierungsarbeiten. Heillos überfüllt ist Regina Coeli – und das wirkt sich aus auf die Menschen, die hier arbeiten und auf die Häftlinge:
"Das hat natürlich auch einen Einfluss auf die Bedingungen hier, die Zellen. Was früher eine Einzelzelle war, ist jetzt eine für drei. Wo zwei Häftlinge waren, werden es sechs. Es gibt da auch eine Vermischung, die einen optimalen, individuellen Umgang mit den Häftlingen nicht mehr gestattet."
Menschenunwürdige Haftbedingungen
Regina Caeli ist typisch für viele Gefängnisse in Italien. Zwei Mal schon wurde das Land vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen der Haftbedingungen verurteilt. Und für Mauro Mariani, den Gefängnisdirektor, heißt das ganz konkret: Sein Haus hat Schwierigkeiten, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen:
"Das Gefängnis wird zu einem Entzug im Entzug der Freiheit. Und das droht auszuarten in eine Verletzung der Grundrechte, die wir garantieren müssen. Unsere Verfassung unterscheidet zwei Grundbedingungen in der Haft: den Respekt der Menschenwürde und das Ziel den Häftling wieder zu resozialisieren. Und das wird mit der Überfüllung kompliziert."
Dass aber das mit der Resozialisierung oft nicht klappt, beobachtet auch die Organisation Antigone, die mit großem freiwilligen Aufwand die Haftbedingungen in italienischen Gefängnissen dokumentiert. Viele, die einmal im Gefängnis waren, kommen wieder, hat Alessio Scandura festgestellt:
"Dass die Gefängnisse versagen, sieht man auch an den Rückfallquoten, die in Italien sehr hoch sind. Es gibt nur wenige Daten, aber man geht von 60, 70 Prozent der Personen aus, die entlassen werden und wieder im Gefängnis landen."
Prozesse dauern so lange wie nirgends in Europa
Und auch die lahme Justiz Italiens tut ihr Übriges: Prozesse dauern hier so lange wie nirgendwo sonst in Europa. Vier Jahre und neun Monate dauert im Schnitt ein Strafprozess – über 40 Prozent der Häftlinge warten in Italiens Gefängnissen auf ein definitives Urteil, die Untersuchungshaft ersetzt in vielen Fällen die eigentliche Strafe. Von einer Justizreform war schon viel die Rede, passiert ist bisher nur wenig. Aber weil die Zeit drängt, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Italien bis Mai Zeit gegeben hat, die Lage zu verbessern, hat Alessio Scandura von Antigone einen einfachen Vorschlag:
"Wenn man die Grundrechte der Gefangenen ernst nimmt, dann gibt jetzt nur eine Lösung: eine Amnestie. Das ist ein quantitatives Problem: In Italien haben wir 15-20.000 Häftlinge mehr als wir in den Gefängnissen Plätze haben. Und der einzige schnelle Weg, das Problem zu lösen ist eine Amnestie, bei der wir 20.000 Menschen frei lassen."
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