Strahlender Held und skeptischer Analytiker

Von Ulrike Gondorf |
Während des Ersten Weltkriegs führte der britische Offizier T.E. Lawrence einen Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich an. Dabei schuf er sein Image als Musterbild des charismatischen Führers. Eine Schau in Köln begibt sich nun auf die Spuren des Mythos.
Peter O‘Tooles stahlblauer Blick fixiert den Besucher gleich beim Eintreten. Kinobilder zeigen den hageren, hochgewachsenen Mann in strahlend weißer Beduinentracht, auf einem Pferd dahinjagend durch den rotglühenden Sand.

Die Ausstellung verspricht, die Genese des Mythos Lawrence von Arabien zu durchleuchten, und versetzt uns erst einmal mitten hinein in das Klischee. Dessen Ursprünge enthüllt dann der gleich angrenzende Videoraum, und sie reichen überraschend weit zurück: Ein amerikanischer Fotograf hat Lawrence während des erfolgreichen Feldzugs nach Damaskus über Monate begleitet. Diese Bilder wurden dann, umrahmt von Musik, Schleiertänzen und prunkvollen Kulissen, in einer aufwändigen Show jahrelang in Europa und den USA gezeigt. Vier Millionen Menschen sollen dieses frühe Medienspektakel der 20er-Jahre gesehen haben, das einen Heldenmythos inszenierte und es mit den Fakten nicht sehr genau nahm.

Damit, so Klaus Schneider, Direktor des Rautenstrauch-Joest-Museums und Projektleiter der Ausstellung in Köln, war der Star "Lawrence von Arabien" geboren. Aber:

"Show hin und her, so was kann man nicht so perfekt aufbauen, wenn nicht die handelnde Person so etwas Besonderes hat."

Der Rundgang durch die klar und übersichtlich gegliederte und großzügig präsentierte Ausstellung stellt dann nach dem medialen den tatsächlichen Thomas Edward Lawrence vor: Fotos, Zeichnungen, Skizzen, Reisenotizen und eigenhändige Ausgrabungen von Tongefäßen aus dem Garten der Familie in Oxford dokumentieren die Kinder- und Jugendjahre des vielfach begabten Schülers. Sein Studium der Geschichte und Archäologie in Oxford und die anschließende Mitarbeit bei einer Grabung bringen ihn zum ersten Mal in die Welt, die ihn nicht mehr loslassen wird.

"Er hätte das nie gemacht, wenn er nicht fasziniert gewesen wäre von der Wüste. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum er in dieser Region gerne war. Ich glaube, dass es wirklich dieser Zugang zum Orient war, dass er da diese orientalische Lebensweise als hochinteressant empfand."

Ob in diese Faszination eine verdrängte oder verheimlichte Homosexualität hineinspielt – diese oft angestellte Vermutung will die aktuelle Ausstellung weder beweisen noch widerlegen. Viele zeitgenössische Fotografien, aber auch ein Beduinenzelt und einige typische Gewänder aus dem Besitz von Lawrence machen die fremde Welt der Wüste anschaulich. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird er als englischer Offizier wegen seiner Kontakte und Sprachkenntnisse Verbindungsmann zu den arabischen Stammesführern. Die Engländer unterstützen deren Aufstände gegen das Osmanische Reich, weil sie damit einen Verbündeten ihres Hauptgegners Deutschland schwächen können.

"Er hatte in einer frühen Phase beim Militär von diesem Gesamtproblem der Region wesentlich mehr begriffen als viele andere Strategen. Ich glaube, das hat ihn fasziniert, dass er durch diese persönlichen Kontakte es schaffen könnte, da etwas in militärischer Hinsicht zu schaffen."

In einer Art Guerillataktik fügt er dem Gegner mit Überfällen auf Bahnlinien, Brücken und andere strategische Punkte empfindliche Stiche zu, und es gelingt ihm, die Stammesrivalitäten der Beduinen zu überwinden und sie hinter dem Ziel eines vereinten arabischen Königsreichs zu vereinen. Lawrence ist 30, als der Erste Weltkrieg zu Ende geht und die Konferenzen zur Neuordnung der Welt den Arabern keineswegs die versprochene Autonomie, sondern neue Abhängigkeit - diesmal von England und Frankreich - bringen. Der in der aktuellen Literatur diskutierten Frage, ob Lawrence als eine Art Doppelagent diese Absichten von vornherein gekannt habe, erteilt die Ausstellung eine abschlägige Antwort.

" In Bezug auf die Rolle gegenüber den Arabern sind wir, die Kuratoren, der Meinung, dass er absolut loyal war zu den Beduinen."

Sein weiteres Leben verläuft unstet. Eine alte klapprige Schreibmaschine, Druckausgaben seiner Bücher und Übersetzungen, technische Skizzen für Schnellboote, ein selbst gebauter Sessel dokumentieren rastlose, aber nicht kontinuierlich verfolgte Tätigkeiten eines Mannes, der viele Talente gehabt hat. Und dann steht man vor einem schweren schwarzen Motorrad der Marke Row, typgleich mit der Maschine, mit der T.E. Lawrence 1935 verunglückte. Er starb an den Folgen, erst 46 Jahre alt. Museumsdirektor Klaus Schneider zieht ein ambivalentes Fazit.

"Alles von zwei Seiten gesehen, nicht alles konsequent gelebt, und letztendlich Einzelgänger wie er im Buche steht, der sich immer wieder zurückzieht."

Angesichts der gegenwärtigen Kämpfe in der arabischen Welt nimmt man nachdenklich eines der Zitate mit auf den Weg, die in der Ausstellung projiziert werden. Mehr als der strahlende Held fasziniert aus heutiger Sicht der skeptische Analytiker.

Als wir siegten und die neue Welt dämmerte, da kamen wieder die alten Männer und nahmen unseren Sieg, um ihn der früheren Welt anzupassen, die sie kannten. Die Jugend konnte siegen, aber sie hatte nicht gelernt, den Sieg zu bewahren. Wir dachten, wir hätten für einen neuen Himmel und für eine neue Welt gearbeitet, und sie dankten uns freundlich und machten ihren Frieden.