Straßenmärkte in Südafrika

Wo alle Arbeit finden

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Berea Street Market - einer der neun Märkte von Warwick © Leonie March
von Leonie March |
Unzählige Südafrikaner verdienen ihren Lebensunterhalt auf dem Markt. Dabei ist es verboten, einfach irgendwo seinen Stand aufzubauen. Aber was wie Wildwuchs und Chaos wirkt, hat seine eigene wundersame Ordnung.
‚Warwick Junction‘, so heißt der zentrale Verkehrsknotenpunkt und Marktplatz von Durban. Minibustaxis fahren hupend kreuz und quer. Männer schieben voll bepackte Sackkarren durch den dichten Verkehr. Aus dem Bahnhof strömen die Pendler ins Stadtzentrum und drängen sich an den Ständen der Straßenhändler vorbei.
"Diese Gegend ist ein Teil meines Lebens," sagt Patrick Ndlovu während er sich routiniert einen Weg durch das Getümmel bahnt. Mit einem strahlenden Lächeln grüßt der muskulöse Glatzkopf rechts und links.

Ein urbanes Labyrinth

Patrick kennt scheinbar jeden in diesem Labyrinth aus Schnellstraßen, Über- und Unterführungen, Bahnhöfen und Markthallen. ‚Hallo, wie geht’s?‘, ruft er zwei Frauen zu, die auf dem Bürgersteig gegrillte Maiskolben verkaufen. Nur Sekunden später grüßt er den Friseur, der unter einer windigen Zeltplane auf Kunden wartet. Ein paar Schritte weiter hebt er seine Faust vom Herz gen Himmel, und ruft einem älteren Minibusfahrer ‚Hallo Genosse‘ zu, den Gruß aus Zeiten des Freiheitskampfes.
"Ich bin hier in Durban aufgewachsen. Rund um den sogenannten englischen, den Fisch- und den Gemüsemarkt waren damals wie heute die Haltestellen der Minibustaxis, mit denen wir Afrikaner aus den Townships in die Innenstadt gelangen. Ich bin früher schon hier einkaufen gegangen und seit über 30 Jahren arbeite ich nun schon in Warwick."
Bis Anfang der 90er Jahre war Patrick Polizist. Warwick war sein Revier. Es war die Zeit, in der die ersten Gesetze der Apartheid gelockert wurden und immer mehr dunkelhäutige Südafrikaner in die Innenstädte geströmt sind. Auch, um hier in einer rechtlichen Grauzone Handel zu treiben.
"Als Polizisten hatten wir damals einen Ermessensspielraum. Einige von uns haben hart gegen die Händler durchgegriffen, andere waren verständnisvoller. Ich habe bei Dieben und anderen Kriminellen keine Kompromisse gemacht, aber bei diesen Händlern, die hier schließlich nur ihren Lebensunterhalt verdienen, war ich nachsichtig."
Patrick folgt dem Strom der Passanten in die große Markthalle des über einhundert Jahre alten "Early Morning Market" – der sogenannten Mutter der insgesamt neun Märkte von Warwick. Jeder von ihnen hat sein eigenes, unverwechselbares Profil. Neben dem Gemüsemarkt, gibt es beispielsweise einen für gekochte Kuh-Köpfe, die unter Zulus als besondere Delikatesse gelten. Einen Markt für traditionelle Medizin und Kräuter. Oder einen, auf dem es die Mitgift für den traditionellen Brautpreis gibt: Bastmatten, bunte Perlenketten und Kleider, die vor Ort direkt von Schneidern angefertigt werden.
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Waracik Junction - Verkehrsknotenpunkt und Marktplatz in Durban, Südafrika© Leonie March
Die Märkte sind durch ein verwirrendes Geflecht von Treppen, Fluren, Brücken und Unterführungen miteinander verbunden. Einige Stände stehen unter freiem Himmel, nur wenige sind in klassischen Markthallen mit einer festen Dachkonstruktion untergebracht, wie der ‚Early Morning Market‘.
Gepäckträger, die sogenannten Porter, huschen mit selbstgebauten Karren durch die engen Flure, um größere Warenlieferungen zu transportieren.
"In Warwick gibt es 8.000 registrierte Händler. Viele kaufen ihre Waren bei niedergelassenen Geschäften oder Kleinbauern ein und sie schaffen selbst Jobs für Zulieferer und Hilfskräfte wie die ‚Porter‘. Unsere Regierung täte also gut daran, diese Händler zu unterstützen. Die sogenannte informelle Wirtschaft ist einer der größten Arbeitgeber unseres Landes und schafft für einen Großteil der Bevölkerung Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen."

Nur der informelle Sektor boomt in der Krise

Auf dem Arbeitsmarkt sieht es in Südafrika düster aus. Die Quote hat gerade wieder einen neuen Höchststand von offiziell 28 Prozent erreicht. Und damit werden nur jene erfasst, die auch aktiv nach einer Arbeit suchen. Experten gehen daher eher von 40 Prozent aus. Nur der sogenannte informelle Sektor boomt in dieser Krise. Als informell gelten auch die Händler von Warwick, die ihre Waren nicht in einem Ladenlokal oder Kiosk, sondern von einem Straßen- oder Marktstand aus verkaufen.
Mit federnden Schritten steigt Patrick die Treppe zum Bahnhofsgebäude hoch und betritt einen weiteren der neun Märkte von Warwick, den ‚Berea Station Market‘. In dem weiten Flur, der zu den Gleisen führt, wimmelt es nur so von Menschen, die sich durch die letzten freien Zwischenräume drängen. Die Lautstärkeregler sind bis zum Anschlag aufgedreht.
"Manchmal wünsche ich mir leisere Nachbarn", sagt Beauty Mginqizana zu Patrick, nachdem sie sich herzlich begrüßt haben. Die beiden sind alte Bekannte. Die 66-Jährige war eine der ersten Händlerinnen hier. Mit ihrem Stand hat sie ihren Kindern eine Ausbildung finanziert und zahlt heute das Schulgeld für die Enkel.
"Als ich angefangen habe, war dieser informelle Handel noch illegal. Manchmal sind wir fünfmal am Tag verhaftet worden und mussten ein Bußgeld zahlen. Aber was blieb uns anderes übrig, als weiterzumachen? Wir mussten ja irgendwie überleben. So haben wir uns diesen Handelsplatz regelrecht erobert. Irgendwann hat die Stadt klein bei gegeben und uns feste Plätze zugewiesen. Aber sie hat für winzige Tische eine satte Standmiete verlangt. Viele konnten sie sich nicht leisten, aber ich habe es glückerweise irgendwie geschafft."
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Händlerin Beuaty Mginqizana an ihrem Stand© Leonie March
Während Beauty auf Kundschaft wartet, bestickt sie Hosen und Westen, so wie Zulu-Jungs sie zu traditionellen Anlässen tragen. Inklusive Kopfschmuck aus Fell. Sie ist stolz darauf, dass die meisten ihrer Waren selbst herstellt und nicht wie viele andere billig ein- und dann weiterverkauft. Auf ihrem Tisch liegen Halsketten aus bunten Perlen, selbstgestrickte Schals und weiße Hauben, die viele Frauen sonntags zur Kirche tragen. "Früher konnte ich mein Sortiment keine Sekunde aus den Augen lassen", erzählt die Großmutter. "Heute wissen wir uns zu helfen."
"Wenn wir jemanden beim Klauen erwischen, dann sperren wir ihn in einen Lagerraum ein. Dort bekommt er eine ordentliche Tracht Prügel. Aber keine Sorge, wir bringen hier niemanden um. Wir erteilen ihm nur eine Lektion, bevor wir ihn der Polizei ausliefern."
Früher hat hier auf diesen wildwuchsartig gewachsenen Märkten noch absolutes Chaos geherrscht, meint Patrick, als er über eine Treppe zum nächsten Markt geht. Jeder hat einfach irgendwo seinen Stand aufgebaut, überall waren Kisten und Container, in denen die Händler ihre Waren aufbewahren. Das waren auch perfekte Verstecke für Kriminelle, betont er.
Mittlerweile haben die Händler ihre Märkte aus eigener Kraft besser organisiert. So ist auf den zweiten Blick tatsächlich eine Struktur erkennbar: Dunkle Ecken sind ausgeleuchtet, neue Lagerräume entstanden, die Wege zwischen den Ständen frei, sogar der Müll wird recycelt. Auch das schafft Jobs.

Schlangenhäute und Zebrahufe gegen böse Geister

Der ‚Muthi Market‘, in den Patrick nun einbiegt, ist der wohl schillerndste Markt von Warwick. Auf einer stillgelegten Zubringerbrücke mit Blick auf die Skyline von Durban verkaufen die traditionellen Heiler, die Sangomas und Nyangas, ihre Medizin. Je nach Windrichtung riecht es verwest, blumig oder erdig. Rechts und links liegen bündelweise Kräuter, bergeweise Zebra- und Kuh-Hufe, Säcke mit Wurzeln und Knollen. Viele dieser medizinischen Zutaten werden bis nach Johannesburg oder Kapstadt verkauft. Vor vielen dieser Stände zerkleinern junge Männer mit schulterhohen Stößeln Baumrinden, Kräuter und Knochen in Metall-Mörsern.
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Wurzeln, Rinden, Tierkadaver auf dem Muthi Markt© Leonie March
"Das hier nennen wir Intelezi. Diese traditionelle Medizin ist Teil eines Reinigungsrituals, um Pech und böse Geister abzuwehren. Es ist eine Mischung aus zwanzig verschiedenen Zutaten, die man in Wasser einweicht und dann rund um sein Haus verteilt."
Andere Mischungen kurieren körperliche Krankheiten wie Hautausschläge, Grippe oder Durchfall. Auf Holzregalen stehen recycelte Wodka-Flaschen mit geheimnisvollen, trüben Mixturen neben Plastiksäckchen mit ebenso sonderbaren Pulvern. Von den Wellblechdächern der Stände hängen getrocknete Seesterne und Schlangenhäute.
Ein luftgetrockner Hyänen-Kadaver hängt neben seinem abgezogenen struppigen Fell und der Haut eines Pavians. Patrick sieht solche Zutaten nicht nur wegen des Artenschutzes eher skeptisch. Es gibt natürlich auch Scharlatane, meint er und zuckt mit seinen breiten Schultern. Aber die meisten dieser Sangomas und Nyangas verstehen ihre Heilkunst, meint er. Das hat er am eigenen Leib erfahren.
"Meine Achillessehne ist bei einem Joggingunfall gerissen. Ich war bei mehreren Ärzten und Physiotherapeuten, aber ich hatte über zwei Jahre lang Schmerzen. Schließlich bin ich hierhergekommen und habe einen traditionellen Heiler konsultiert. Er hat mit eine Salbe verschrieben und nach ein paar Anwendungen war ich schmerzfrei. Ich musste sie nur auf die verletzte Stelle auftragen und die Haut wie bei Akupunktur mit einer Nadel bearbeiten."
In einem Backsteingebäude in den Hinterhöfen von Warwick hat Patrick 2008 mit dem Architekten Richard Dobson die zivilgesellschaftliche Organisation ‚Asiye eTafuleni‘ gegründet, die sich für bessere Arbeitsbedingungen und die Rechte der informellen Händler in Durban einsetzt. Richard hebt den Blick von seinem Laptop. Rein äußerlich könnte der Unterschied zwischen dem muskulösen, dunkelhäutigen Patrick und dem schlanken, hellhäutigen Richard nicht größer sein.
"Patrick und ich ergänzen uns in unserer Arbeit wirklich gut. Es ist eine Kombination aus Streetwork, bei der wir die Stimmen, Meinungen und Ideen der Leute einholen und Architektur, die wir gemeinsam mit den Händlern entwickeln. Meine Entwürfe richten sich nach ihren Bedürfnissen. Natürlich sind das keine glamourösen Bauten, sondern eher robuste Lösungen, wie simple Dachkonstruktionen, verbesserte Markstände, Lager- und Transportmöglichkeiten. Aber bei näherem Hinsehen entfalten sie eine große Wirkung."
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Patrick Ndlovu und Richard Dobson, Gründer der NGO Asiye eTafuleni© Leonie March
Urbanes Design, betont Richard muss sich nach den Menschen richten und nicht anders herum. Vor allem in südafrikanischen Städten wie Durban, die versuchen, sich von den rassistischen Strukturen ihrer Vergangenheit zu lösen. Nach der demokratischen Wende war Richard einer der Stadtplaner.
"Durban war die erste internationale Stadt, die Gesetze zur Nutzung des öffentlichen Raums durch informelle Händler verabschiedet hat. Das waren die goldenen Jahre von Warwick. Aber sie fanden 2006 ein jähes Ende, als sich die Stadt auf ihre Gastgeberrolle bei der Fußball-Weltmeisterschaft vorbereitet hat. Warwick wurde als Schandfleck gesehen, der nicht ins Image einer modernen afrikanischen Metropole passte. Die Gegend sollte modernisiert und verschönert werden. In diesem Zusammenhang wollte die Stadt den historischen ‚Early Morning Market‘ abreißen und durch ein Einkaufszentrum ersetzen."
Patrick schüttelt bei dieser Erinnerung noch immer empört seinen kahlgeschorenen Kopf.
"Tausende Händler arbeiten in diesen Märkten. Zehntausende Pendler kaufen hier jeden Tag ein. Diesen Menschen kann man nicht einfach ihre Existenz und ihre preiswerten Einkaufsmöglichkeiten rauben. Deshalb habe ich meinen sicheren Job als Polizist lieber gekündigt, als zu einem Feind meiner Landsleute zu werden."
Warwick ist viel mehr als nur ein Handelsplatz, betont Richard, der damals ebenfalls als Architekt bei der Stadt gekündigt hat.
"Viele der Dinge, die wir hier sehen, die Heilkräuter und all die anderen Produkte, sind untrennbar mit den Traditionen der Mehrheitsbevölkerung verbunden. Diese Menschen müssen ihre Kultur in ihrer eigenen Stadt auch ausdrücken dürfen. Geschäfte oder Einkaufszentren können dieser Rolle nicht gerecht werden. Es geht also darum, die Stadt so zu gestalten, dass die Menschen sich dort wohlfühlen und ihre Kultur praktizieren können. Das heißt nicht, dass man gar nicht mehr regulierend eingreift. Aber man sollte diese Aspekte bei urbanen Veränderungsprozessen berücksichtigen."
Mehrmals sind Richard und Patrick mit ‚Asiye eTafuleni‘ gegen die Stadt vor Gericht gezogen. Ihre Organisation finanziert sich und diese kostspieligen Verfahren teils durch die Einnahmen touristischer Rundgänge durch die Märkte von Warwick, teils durch Spenden. Dem Engagement der beiden Männer ist es zu verdanken, dass in Warwick heute kein seelenloses Einkaufszentrum steht und die Händler erstmals eine Lobby haben. Aber es ist ein stetiger Kampf. Gerade erst haben sie erfahren, dass die Polizei wieder einmal mit unverhältnismäßiger Härte gegen die Frauen vorgegangen ist, die auf den Bürgersteigen ohne eine entsprechende Genehmigung Maiskolben verkaufen.

Wer darf Maiskolben verkaufen – und wer nicht?

Am nächsten Morgen sind Patrick, Richard und zwei Mitarbeiterinnen zu einem Treffen mit den Maiskolbenverkäuferinnen unterwegs. Mit Klapphockern unter dem Arm gehen sie eine der belebten Straßen entlang, durch eine schummrige Unterführung. Dichter Rauch schlägt ihm entgegen, als er um die nächste Ecke biegt. Er kneift die Augen zusammen. Auf einem Schotterplatz zwischen zwei Schnellstraßen brennen Feuer unter dutzenden Metallfässern. Zerlumpte Männer fachen die Glut an; die Farbe ihrer Kleidung ist unter der dicken Rußschicht nicht mehr zu erkennen. Auch die Kittelschürzen der Frauen, die in den Fässern Maiskolben kochen, sind von einem Grauschleier bedeckt.
"Wir müssen erst durch die Hölle gehen, um auf die andere Seite zu gelangen", sagt Patrick und geht voran. Ein schmaler Pfad führt durch die Rauchschwaden an dampfenden Fässern, klapprigen Einkaufswägen und Plastikkanistern mit Wasser vorbei. Eine stämmige Frau rührt mit einem riesigen Löffel in einem der Fässer. Wie alle hier in ‚Warwick Junction‘ ernährt auch Beauty Sobohe mit dieser Arbeit eine ganze Großfamilie. Gern erklärt sie, wie ihr Geschäft funktioniert.
"Ich besitze drei dieser Fässer und koche darin jeden Tag 30 Dutzend Maiskolben. Ein Zwischenhändler bringt sie von den Farmen hierher, andere verkaufen uns Feuerholz und Wasser. Nachdem ich die Maiskolben gekocht habe, transportiert einer der ‚Porter‘ sie für mich zu den Verkaufsstellen. Ich beliefere vier Straßenhändlerinnen. Deshalb bin auch ich von den Polizeirazzien betroffen. Wenn alle Maiskolben beschlagnahmt werden, dann mache ich Verluste. Im besten Fall, ohne dass Polizei dazwischen funkt, verdiene ich nach Abzug aller Kosten bis zu 500 Rand, also rund 30 Euro am Tag."
Wieder einmal zeigt sich, dass in Warwick nur auf den ersten Blick Chaos herrscht. Bei näherem Hinhören und –sehen ist der informelle Handel durchaus organisiert. An den Lieferketten verdienen wesentlich mehr Menschen ihren Lebensunterhalt als nur die Händlerinnen. Beauty folgt Patrick und den anderen zu einem umgebauten Schiffscontainer mit Wellblechveranda, wo gleich das Treffen beginnen soll.
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Patrick Ndlovu beim Krisentreffen mit den Maisköchinnen © Leonie March
Als sich rund zwanzig Mais-Köchinnen und Verkäuferinnen rundherum auf Getränkekisten und Eimer gesetzt haben, eröffnet Patrick das Treffen. Er möchte aus erster Hand erfahren, was bei den Razzien der letzten Tage geschehen ist. "Die Polizisten haben alles in einen Müllwagen geworfen", erzählen die Frauen. "Die Maiskolben, unsere Kochtöpfe und Einkaufswägen, mit denen wir unsere Waren zu ihnen bringen. Wir haben mit dem Handy Fotos gemacht, die das beweisen. Jetzt haben wir nicht nur unsere Tageseinnahmen verloren, sondern müssen vieles wieder neu kaufen. Außerdem haben uns die Beamten saftige Bußgelder aufgebrummt."
Patrick macht sich Notizen. Innerlich brodelt der ehemalige Polizist vor Wut.
"Es ist wirklich schlimm zu hören, wie sich meine Ex-Kollegen verhalten. Es macht mich traurig, dass sie einige Frauen sogar festgenommen haben, auch wenn es nur für ein paar Stunden war. Ich rate ihnen, gemeinsam mit uns juristische Schritte einzuleiten. Denn es ist nicht nur illegal, konfiszierte Waren zu vernichten, auch für diese ungesetzlichen Festnahmen können wir sie anklagen."

Die Leute nennen ihn "Väterchen"

Nach gut anderthalb Stunden ist Patrick diesmal gemeinsam mit Richard wieder auf dem Markt unterwegs. Sie möchten sich mit einem der führenden Händler über ein weiteres Problem beraten. Wieder plant die Stadt ein Einkaufszentrum mitten in Warwick, wenn auch an anderer Stelle als vor der Fußball-WM. Viele der Händler fürchten erneut um ihre Existenz. Eingemummelt in einer dicken Jacke, mit einer Wollmütze auf dem Kopf harrt Kholomu Mkhize an seinem Stand aus. Ein junger Mann kauft ihm gerade eine einzelne Zigarette ab. Ein mageres Geschäft ist das heute, meint der alte Mann, der als einer der Sprecher der Händler fungiert.
"Jede Straße hat einen Anführer. Wir weisen die freien Standplätze zu. Wir vermitteln, wenn es Konflikte unter den Händlern gibt. Dann rufen wir ein Treffen ein, hören beide Seiten an und finden einen Kompromiss. Das ist unsere Aufgabe."
Dieses Engagement hat ihm den Spitznamen Baba Mkhize eingebracht. Väterchen. Früher haben die Pendler auf dem Weg zu den Minibus-Taxis in ihre ländliche Heimat immer bei Baba Mkhize eingekauft: Stricke für das Vieh, Geschenke, Haushaltwaren. Doch nun hat er zunehmend Schwierigkeiten seine zwölfköpfige Großfamilie über die Runden zu bringen.
"Früher sind die Leute von weit her gekommen, um bei mir einzukaufen, aber nun gibt es in vielen der Gegenden, in denen sie wohnen auch Geschäfte, Supermärkte und Einkaufszentren. So habe ich viele meiner Kunden verloren."
Von der Stadt erwartet er keine Hilfe. Obwohl es dort eine Abteilung für die Unterstützung von Kleinstunternehmern gibt.
"Sie sollen uns zwar unterstützen, aber ganz ehrlich, sie tun es nicht. Ansonsten sollten sie uns dabei helfen, Waren billiger einzukaufen, um im Wettbewerb bleiben zu können. Sie sollten wissen, dass hier viele Leute ums Überleben kämpfen, weil es einfach keine Jobs gibt. Aber stattdessen verlangen sie happige Standmieten von uns. Und wenn wir sie nicht bezahlen, dann hetzen sie uns die Polizei auf den Hals. Sieht so ihre Definition von Unterstützung aus?"

Die neuen Stadtpläne bereiten Sorge

Kein Wunder also, dass dem 66-Jährigen die neuen Pläne der Stadt erhebliche Sorgen bereiten. Das geplante Einkaufszentrum soll nur ein Stockwerk über seinem Stand entstehen. Außerdem wird in Durban ein neues öffentliches Verkehrssystem gebaut; noch ist unklar, ob die Minibustaxis dann überhaupt noch in seiner Nähe halten.
"Sie haben uns noch keinen Entwurf gezeigt, auf dem wir diese Pläne genau nachvollziehen können. Sie garantieren uns nicht einmal, dass wir hier weiter arbeiten können. Wir werden also dagegen kämpfen. Zum Glück wissen wir Leute wie Patrick und Richard an unserer Seite. Sie haben uns schon in der Vergangenheit immer gut beraten. Sie wissen ja, wie die Stadtverwaltung funktioniert, was sie darf, was nicht und wie wir uns wehren können."
Patrick und Richard nicken. Bevor sie mit Baba Mkhize einen ersten Schlachtplan entwerfen, versichern sie: Der alte Mann kann sich auf sie verlassen.
"Wenn wir den Abriss des ‚Early Morning Markets‘ nicht verhindert hätten, dann sähe Warwick heute wohl anders aus. Tausende Menschen hätten ihre Existenzgrundlage verloren. Unser Beitrag war und ist es, die Arbeits- und Lebensbedingungen der informellen Händler hier in Warwick zu verbessern."
Auch wenn sie damit anderen auf die Nerven gehen. Patrick bleibt siegesgewiss. Warwick, das ist auch ein Teil seiner Heimat. Und die Händler seine informelle Familie.
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