Straßenmusiker in Peking

"Ich brauche was zum Leben und Essen"

Straßenmusiker Pang Que sitzt in einer Straßenunterführung des Pekinger Stadtteils Chaoyang.
Pang Que kann ein Lied vom harten Brot der Straßenmusiker in Peking singen. Die Straßenunterführung ist sein Stammplatz. © Benjamin Eyssel
Von Benjamin Eyssel |
In Peking gibt es nur wenige Straßenmusiker. Sie stören angeblich das "saubere" Straßenbild - und wer erwischt wird, muss Strafe zahlen. Pang Que singt trotzdem täglich in einer Unterführung. Als Nierenkranker wird er von den Behörden geduldet.
Eine Straßen-Unterführung im Pekinger Stadtteil Chaoyang. Straßenverkäufer bieten hier Regenschirme und Hüllen für Smartphones an. Am Ende der Unterführung sitzt Pang Que, ein Mann Mitte 40. Er trägt eine graue Sporthose, ein T-Shirt und eine Mütze. Und er spielt Gitarre und singt.
Pang Que ist fast jeden Tag hier. Er hat ein Mikrofon und einen batteriebetriebenen Verstärker. Auf einem Aufsteller neben ihm steht, dass er an einer Nierenkrankheit leidet. Er singt, um seine Behandlung zu finanzieren.
"Ich brauche was zum Leben und Essen. Ich konnte wegen meiner Krankheit keinen richtigen Job finden, also bin ich Straßenmusikant geworden. Ich hab keine Wahl, sonst hätte ich schon längst aufgehört damit."

Viel lieber würde er Romane schreiben

Pang Que sagt, dass er umgerechnet zwischen 300 und 400 Euro im Monat verdient. Neben seinem offenen Gitarrenkoffer, in den immer wieder Passanten Geld werfen, liegen Bücher. Der Sänger hat sie selbst geschrieben und bietet sie zum Verkauf an.
"Eigentlich mag ich Musik gar nicht so gerne. Ich schreibe viel lieber Romane. Aber es ist sehr schwierig, mit dem Schreiben Geld zu verdienen. Deswegen verdiene ich Geld mit Musik, um weiter schreiben zu können."
Um Straßenmusiker zu finden, muss man in Peking lange suchen. Die Stadt hat was gegen sie, wer erwischt wird, wird vertrieben oder muss eine Strafe zahlen. Auch in der U-Bahn in Peking gibt es keine Musiker. Sie passen nicht ins Bild einer sauberen Stadt. Pang Que sagt, dass ihn die Behörden nur in Ruhe lassen, weil er krank ist.
"Bis 2003 gab es sogar noch Arbeitslager. Ich bin nie festgenommen worden, aber Freunde von mir mussten ins Lager. Wir Straßenmusiker werden wie Bettler behandelt. Die Behörden halten unsere Musik nicht für Kunst."

Die Passanten mögen die Straßenmusik

Auch wenn den Behörden Peking Straßenmusik nicht passt. Die meisten Passanten sind ganz angetan von Pang Ques Musik. So auch der 33-jährige Zhao Xing.
"Er singt nicht schlecht. In dieser Unterführung hat früher auch mal ein kleiner Junge gesungen, der war auch gut. Ich hab ihm oft Geld gegeben. Ich mag Musik sehr gerne. Wenn ich ein guter Sänger wäre, würde ich vielleicht auch auf der Straße singen. Ich hab da schon drüber nachgedacht."
Ganz andere Musik findet man in Pekings Parks, beispielsweise im Tuanjiehu-Park. Jeden Tag treffen sich hier Menschen und musizieren zusammen. Es sind meist alte Leute, die gemeinsam traditionelle chinesische Musik machen. Beispielsweise Stücke aus der Peking-Oper.
Das Hauptinstrument ist dabei eine Erhu, eine zweiseitige Laute, die mit einem Bogen gestrichen wird. Die 66-jährige Li Jianying und ihre 62-jährige Freundin Ye Qi kommen häufig hier in den Park:
"Sie sind oft hier, erzählen sie. Sehr oft. Und dieser Erhu-Spieler kommt auch von Montag bis Freitag in den Park. Wir singen gerne. Die Atmosphäre ist gut, es gibt viele Musiker. Das ist doch eine gute Unterhaltung für uns alte Leute."
Gegen diese Art von Unterhaltung hat die Stadt Peking gar nichts. Schließlich musizieren die Park-Musikanten nicht für Geld, sondern nur zum Spaß. Und Spaß macht es den beiden Rentnerinnen. Sie reden ständig durcheinander und erzählen mit strahlenden Augen, wie sehr sie die Peking-Oper lieben. Was sollen sie denn sonst tun, fragen die beiden? Etwa den ganzen Tag Fernsehen oder die Wohnung putzen? Wenn ihr Freund mit der Erhu hier im Park jedes Lied spielt, das sie sich wünschen.

Tanzen in der S-Bahn, Schlagzeug spielen in der U-Bahn-Station – Straßenmusiker lassen sich immer wieder neue Sachen einfallen, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Unserer Sendung "Tonart" widmet der Straßenmusik eine kleine Serie.

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