Strasser lehnt Bezeichnung "gefallener Soldat" ab
Nach Ansicht des Schriftstellers Johano Strasser sollten die bei Auslandseinsätzen getöteten Bundeswehr-Angehörigen nicht als gefallene Soldaten bezeichnet werden. Dies sei "Eskapismus und eine beschönigende Formulierungen", kritisierte der Präsident des Deutschen PEN-Clubs.
Joachim Scholl: Wie stehen wir zur Bundeswehr? In diesen Tagen steht diese Frage hauptsächlich unter dem Eindruck der Toten in Afghanistan angesichts eines Einsatzes, der Frieden sichern soll, aber immer öfter gewaltsam eskaliert. Wir wollen die Frage im "Radiofeuilleton" grundsätzlicher stellen, über das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft diskutieren. Gestern haben wir den Brigadegeneral Alois Bach, dem Kommandeur des Zentrums Innere Führung gesprochen. Jetzt bin ich mit Johano Strasser, Schriftsteller und Präsident des Deutschen PEN-Clubs. Guten Morgen, Herr Strasser!
Johano Strasser: Guten Morgen!
Scholl: Herr Strasser, wenn ein junger Mann in den 70er- oder 80er-Jahren zur Musterung einberufen wurde, war die Entscheidung, ich gehe zum Bund oder ich verweigere den Wehrdienst und leiste Zivildienst, zugleich eine politisch-ideologische Aussage. Für Sie, Herr Strasser, als aktiver Jungsozialist und Friedensaktivist wäre diese Entscheidung wohl eindeutig gewesen, oder?
Strasser: Ja, das denke ich schon, ja. Ich war damals Ausländer und wurde vor diese Entscheidung gestellt. Aber da ich aus einer pazifistischen Familie komme, wäre es völlig klar gewesen, da geht man nicht hin, zur Bundeswehr nämlich.
Scholl: Frieden schaffen ohne Waffen, war einer der zahlreichen Slogans der pazifistischen Bewegung damals. Wir alle erinnern uns auch noch an die Kontroverse um das Tucholsky-Zitat "Alle Soldaten sind Mörder". Das hört sich heute an wie ferne, auch weltfremde Melodien. Wie hat sich Ihr Verhältnis, Herr Strasser, zur Bundeswehr so als Linker verändert?
Strasser: Zunächst mal muss ich sagen, dass ich nach wie vor der Meinung bin, dass der radikal-pazifistische Ansatz ein ehrenwerter Ansatz ist. Es ist nur so, dass in der Praxis wir allen Grund haben, darüber noch einmal nachzudenken, weil wir heute ja eine andere Alternative haben. Wir haben heute, denke ich, die Notwendigkeit etwa unter dem Dach der UNO friedensstiftende und friedenserhaltende Maßnahmen mit zu unterstützen, die ohne militärische Gewalt in polizeilicher Absicht gar nicht durchzuführen wären und da haben wir Anlass, darüber noch einmal neu nachzudenken. Das ist mittlerweile bei sehr vielen durchgedrungen, dass wir einfach, wenn wir die Welt halbwegs in Ordnung halten wollen und wenn wir grauenhafte Schlächtereien verhindern wollen, wir uns nicht heraushalten können aus Maßnahmen, die eben auch militärische Gewalt implizieren.
Scholl: Stichwort grauenhafte Schlächtereien. Wir hatten diese Bilder, diese furchtbaren Bilder im Jugoslawien-Krieg.
Strasser: Zum Beispiel.
Scholl: Deutschland hat damals nicht mitgekämpft, das muss man betonen. Die Amerikaner haben hier ja Entscheidendes geleistet in diesem Sinne. Man kann sich gut an diese furiose Debatte erinnern, soll man bombardieren, soll man nicht bombardieren. Der Krieg ist dann auf diese Weise entschieden worden. Deutschland hat sich später bei friedenssichernden Maßnahmen beteiligt. Glauben Sie, dass das ein entscheidender Punkt war, der auch ein wenig dieses Feindbild, dieses traditionelle Feindbild aufgebrochen hat?
Strasser: Nein, das glaube ich nicht, dass ausgerechnet der Jugoslawienkrieg mit der Bombardierung, die ich nach wie vor für völlig falsch halte, weil das, was man dann beschönigen, Kollateralschäden nannte, war ja das, was die Hauptwirkung im Grunde war, man hat die Zivilbevölkerung bombardiert. Dies war völlig falsch. Man hätte, wenn schon, dann hätte mit Bodentruppen da reingehen müssen. Es war eine wirklich feige Aktion, die dazu diente, etwas durchzusetzen, was man richtigerweise durchsetzen wollte, nämlich den Schutz von Minderheiten vor ethnischen Säuberungen und ähnlichen Dingen, aber nicht auf Kosten der Zivilbevölkerung, von der man wissen konnte, dass sie auch in großer Zahl eben diesen Krieg auf Seiten der Serben beispielsweise nicht unterstütze. Im Übrigen war es eine einseitige Parteinahme für die Serben und die Schlächter auf der kroatischen Seite wurden zunächst einmal völlig aus dem Blick gelassen. Nein, ich glaube, dass es andere Maßnahmen waren, wo die UNO ganz klar beteiligt war, nicht immer glücklich, das muss man dazu sagen, wo sie aber im Recht war, um den Versuch zu machen, die Mindestvoraussetzungen für zivilen Umgang der Menschen miteinander durch polizeiliche Maßnahmen, die das Militär ausführte, sicherzustellen. Das ist ja überhaupt der Punkt. Wir erkennen immer deutlicher, dass Militär weltweit polizeiliche Aufnahmen wahrzunehmen hat, die die klassische Polizei so nicht wahrnehmen kann. Und ich denke, dass das der entscheidende Punkt ist für die andere Betrachtung des Militärs.
Scholl: Wie empfinden Sie, Herr Strasser, die momentane Diskussion. Gestern hier hat im Deutschlandradio Kultur der Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Brigadegeneral Bach, ein mangelndes Interesse beklagt, die Rolle der Bundeswehr gesellschaftlich stärker zu verankern. Er hat gesagt, es heißt, wenn Soldaten sterben, dann kommen so kurzfristige reflexhafte Reaktionen, Deutsche raus aus Afghanistan. Grundsätzlich werde aber über diese Rolle, die Sie jetzt auch gerade ansprechen nicht diskutiert. Finden Sie das ähnlich?
Strasser: Na, ich habe den Eindruck, dass es nicht so ist. Ich mache ja sehr viele Schullesungen. Das macht man als Schriftsteller häufig und dann komme ich mit sehr vielen Gymnasiasten nun meistens in Berührung. Und dann wird gelegentlich auch über solche Fragen diskutiert mit großem Ernst. Es ist tatsächlich so, dass die große Mehrheit der Gymnasiasten den Zivildienst vorzieht, was übrigens natürlich keine Drückebergerei ist und es ist zum Teil sehr harte Arbeit in der Altenpflege und in ähnlichen Dingen mehr. Aber sie haben durchaus ein realistisches Verhältnis zu diesen Fragen entwickelt, sind überhaupt sehr viel pragmatischer, als ich das etwa in meiner Jugend und wir das in den 70er-Jahren alle waren. Aber man stellt auch fest, dass dort dann der eine oder andere radikal-pazifistische Jugendliche da drunter ist, der dann von den anderen durchaus geachtet wird und auch jemand, der sagt, ich gehe trotzdem zur Bundeswehr, wird nicht diskriminiert in aller Regel. Das ist neu, da ist eine gewisse Entspannung eingetreten, offenbar weil man die Notwendigkeit des Einsatzes von Militär doch heute sehr viel genauer erkennt.
Scholl: Herr Strasser, in letzter Zeit haben zwei deutsche Autorinnen, man merke, zwei Frauen, nämlich die Publizistin Cora Stephan und die Romanautorin Juli Zeh handfeste Vorwürfe gegenüber den deutschen Intellektuellen formuliert in Sachen Bundeswehr. Cora Stephan schrieb in einem Essay für "Die Welt", in Deutschland oszilliert die Wahrnehmung der Bundeswehr immer noch zwischen Verachtung und Überhöhung. Und Juli Zeh brachte es in einem "Spiegel-Essay" auf diesen markigen Satz, tarnen, täuschen und verpissen, und damit meinte sie die Künstler und Schriftsteller, die sich zu diesem Thema eben nicht äußerten. Was antwortet denn der amtierende PEN-Präsident diesen Kolleginnen?
Strasser: Ich glaube, dass es etwas übertrieben ist. Aber da ist sicherlich etwas dran, Schriftsteller haben für dieses Metier nicht gerade eine Begeisterung, was man auch verstehen kann. Denn das Lernen von Töten im Notfall auch ist etwas, was ganz schwer mit einer humanistischen Haltung vereinbar ist. Ich habe mich mühsam aus einer pazifistischen Tradition kommend dahin bringen müssen zu erkennen, dass wir heute die Alternative haben, entweder wir lassen uns auf eine abenteuerliche Politik à la Bush ein, Unilateralismus, werden in entweder objektiv oder auch subjektiv mit hineingezogen in alle möglichen kriegerischen Abenteuer oder wir nehmen das ernst, dass es nur eine Möglichkeit gibt, halbwegs Frieden zu halten in dieser Welt, dass wir unter der Ägide der UNO eben auch solche weltweiten polizeilichen Maßnahmen mit militärischen Mitteln mitmachen.
Scholl: Wie stehen Sie dann, Herr Strasser, zur offiziellen politischen Rhetorik? Die heißt, wir sind nicht im Krieg. Wenn wir jetzt gerade auf Afghanistan blicken, ist das politische Heuchelei?
Strasser: Nein, das glaube ich nicht. Gemeint ist schon, dass es im Wesentlichen eben polizeiliche Maßnahmen sind. Da ist etwas dran. Es ist nicht eine Auseinandersetzung, wo es darauf ankommt, zu siegen. Das ist die Rhetorik, die Amerika die Bush-Administration nach wie vor pflegt. Ich finde es gut, dass die Deutschen diese Rhetorik nicht nachahmen, sondern dass sie sagen, wir wollen im Wesentlichen die zivile Bevölkerung schützen und ihnen die Gelegenheit geben, in diesem zerstörten Land entweder wieder die Strukturen aufzubauen, die eine zivile Gesellschaft braucht. Das ist in der Tat die glaubwürdige Absicht, dass sie hineingezogen werden, zum Teil auch absichtsvoll von den Amerikanern immer wieder hineingezogen werden in andere Formen der Auseinandersetzung, das ist auch richtig. Aber ich halte es nicht für einen längst notwendigen Realismus, jetzt dort von Krieg zu sprechen.
Scholl: Dann würden Sie sich auch gegen die Formulierung vom gefallenen Soldaten wenden, wie sie ja in diesen Tagen auch, diese Formulierung, gefordert wurde?
Strasser: Na ja, gut, das ist ja nun alles andere als größerer Realismus, Eskapismus. Was heißt denn fallen? Wenn man stürzt und sich das Knie aufschrammt, das ist etwas anderes, wenn man getötet wird. Das sind ja beschönigende Formulierungen, die zu Hause an der Heimatfront, wie es so schon immer den Eindruck erwecken sollte, dass ein Soldatenleben etwas ganz Heroisches und besonders Schönes und Abenteuerliches sei. Nein, Krieg ist eine Katastrophe, und wir sollten nach Möglichkeit Krieg verhindern. Dies kann nach Lage der Dinge heute bei dem Zerfall der Staaten, die wir weltweit haben, und der Komplizierung der internationalen Beziehungen nur unter der Ägide der UNO geschehen. Und ich denke, was wir anzielen sollten in der Politik, in Deutschland auch, ist möglichst irgendwann einmal dazu zu kommen, dass wir ein Gewaltmonopol unter der Ägide der UNO haben. Das wäre das große historische Ziel.
Scholl: Wie stehen wir zur Bundeswehr? - Der Schriftsteller und PEN-Präsident Johano Strasser. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Strasser: Vielen Dank!
Das gesamte Gespräch mit Johano Strasser können Sie bis zum 9. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Johano Strasser: Guten Morgen!
Scholl: Herr Strasser, wenn ein junger Mann in den 70er- oder 80er-Jahren zur Musterung einberufen wurde, war die Entscheidung, ich gehe zum Bund oder ich verweigere den Wehrdienst und leiste Zivildienst, zugleich eine politisch-ideologische Aussage. Für Sie, Herr Strasser, als aktiver Jungsozialist und Friedensaktivist wäre diese Entscheidung wohl eindeutig gewesen, oder?
Strasser: Ja, das denke ich schon, ja. Ich war damals Ausländer und wurde vor diese Entscheidung gestellt. Aber da ich aus einer pazifistischen Familie komme, wäre es völlig klar gewesen, da geht man nicht hin, zur Bundeswehr nämlich.
Scholl: Frieden schaffen ohne Waffen, war einer der zahlreichen Slogans der pazifistischen Bewegung damals. Wir alle erinnern uns auch noch an die Kontroverse um das Tucholsky-Zitat "Alle Soldaten sind Mörder". Das hört sich heute an wie ferne, auch weltfremde Melodien. Wie hat sich Ihr Verhältnis, Herr Strasser, zur Bundeswehr so als Linker verändert?
Strasser: Zunächst mal muss ich sagen, dass ich nach wie vor der Meinung bin, dass der radikal-pazifistische Ansatz ein ehrenwerter Ansatz ist. Es ist nur so, dass in der Praxis wir allen Grund haben, darüber noch einmal nachzudenken, weil wir heute ja eine andere Alternative haben. Wir haben heute, denke ich, die Notwendigkeit etwa unter dem Dach der UNO friedensstiftende und friedenserhaltende Maßnahmen mit zu unterstützen, die ohne militärische Gewalt in polizeilicher Absicht gar nicht durchzuführen wären und da haben wir Anlass, darüber noch einmal neu nachzudenken. Das ist mittlerweile bei sehr vielen durchgedrungen, dass wir einfach, wenn wir die Welt halbwegs in Ordnung halten wollen und wenn wir grauenhafte Schlächtereien verhindern wollen, wir uns nicht heraushalten können aus Maßnahmen, die eben auch militärische Gewalt implizieren.
Scholl: Stichwort grauenhafte Schlächtereien. Wir hatten diese Bilder, diese furchtbaren Bilder im Jugoslawien-Krieg.
Strasser: Zum Beispiel.
Scholl: Deutschland hat damals nicht mitgekämpft, das muss man betonen. Die Amerikaner haben hier ja Entscheidendes geleistet in diesem Sinne. Man kann sich gut an diese furiose Debatte erinnern, soll man bombardieren, soll man nicht bombardieren. Der Krieg ist dann auf diese Weise entschieden worden. Deutschland hat sich später bei friedenssichernden Maßnahmen beteiligt. Glauben Sie, dass das ein entscheidender Punkt war, der auch ein wenig dieses Feindbild, dieses traditionelle Feindbild aufgebrochen hat?
Strasser: Nein, das glaube ich nicht, dass ausgerechnet der Jugoslawienkrieg mit der Bombardierung, die ich nach wie vor für völlig falsch halte, weil das, was man dann beschönigen, Kollateralschäden nannte, war ja das, was die Hauptwirkung im Grunde war, man hat die Zivilbevölkerung bombardiert. Dies war völlig falsch. Man hätte, wenn schon, dann hätte mit Bodentruppen da reingehen müssen. Es war eine wirklich feige Aktion, die dazu diente, etwas durchzusetzen, was man richtigerweise durchsetzen wollte, nämlich den Schutz von Minderheiten vor ethnischen Säuberungen und ähnlichen Dingen, aber nicht auf Kosten der Zivilbevölkerung, von der man wissen konnte, dass sie auch in großer Zahl eben diesen Krieg auf Seiten der Serben beispielsweise nicht unterstütze. Im Übrigen war es eine einseitige Parteinahme für die Serben und die Schlächter auf der kroatischen Seite wurden zunächst einmal völlig aus dem Blick gelassen. Nein, ich glaube, dass es andere Maßnahmen waren, wo die UNO ganz klar beteiligt war, nicht immer glücklich, das muss man dazu sagen, wo sie aber im Recht war, um den Versuch zu machen, die Mindestvoraussetzungen für zivilen Umgang der Menschen miteinander durch polizeiliche Maßnahmen, die das Militär ausführte, sicherzustellen. Das ist ja überhaupt der Punkt. Wir erkennen immer deutlicher, dass Militär weltweit polizeiliche Aufnahmen wahrzunehmen hat, die die klassische Polizei so nicht wahrnehmen kann. Und ich denke, dass das der entscheidende Punkt ist für die andere Betrachtung des Militärs.
Scholl: Wie empfinden Sie, Herr Strasser, die momentane Diskussion. Gestern hier hat im Deutschlandradio Kultur der Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Brigadegeneral Bach, ein mangelndes Interesse beklagt, die Rolle der Bundeswehr gesellschaftlich stärker zu verankern. Er hat gesagt, es heißt, wenn Soldaten sterben, dann kommen so kurzfristige reflexhafte Reaktionen, Deutsche raus aus Afghanistan. Grundsätzlich werde aber über diese Rolle, die Sie jetzt auch gerade ansprechen nicht diskutiert. Finden Sie das ähnlich?
Strasser: Na, ich habe den Eindruck, dass es nicht so ist. Ich mache ja sehr viele Schullesungen. Das macht man als Schriftsteller häufig und dann komme ich mit sehr vielen Gymnasiasten nun meistens in Berührung. Und dann wird gelegentlich auch über solche Fragen diskutiert mit großem Ernst. Es ist tatsächlich so, dass die große Mehrheit der Gymnasiasten den Zivildienst vorzieht, was übrigens natürlich keine Drückebergerei ist und es ist zum Teil sehr harte Arbeit in der Altenpflege und in ähnlichen Dingen mehr. Aber sie haben durchaus ein realistisches Verhältnis zu diesen Fragen entwickelt, sind überhaupt sehr viel pragmatischer, als ich das etwa in meiner Jugend und wir das in den 70er-Jahren alle waren. Aber man stellt auch fest, dass dort dann der eine oder andere radikal-pazifistische Jugendliche da drunter ist, der dann von den anderen durchaus geachtet wird und auch jemand, der sagt, ich gehe trotzdem zur Bundeswehr, wird nicht diskriminiert in aller Regel. Das ist neu, da ist eine gewisse Entspannung eingetreten, offenbar weil man die Notwendigkeit des Einsatzes von Militär doch heute sehr viel genauer erkennt.
Scholl: Herr Strasser, in letzter Zeit haben zwei deutsche Autorinnen, man merke, zwei Frauen, nämlich die Publizistin Cora Stephan und die Romanautorin Juli Zeh handfeste Vorwürfe gegenüber den deutschen Intellektuellen formuliert in Sachen Bundeswehr. Cora Stephan schrieb in einem Essay für "Die Welt", in Deutschland oszilliert die Wahrnehmung der Bundeswehr immer noch zwischen Verachtung und Überhöhung. Und Juli Zeh brachte es in einem "Spiegel-Essay" auf diesen markigen Satz, tarnen, täuschen und verpissen, und damit meinte sie die Künstler und Schriftsteller, die sich zu diesem Thema eben nicht äußerten. Was antwortet denn der amtierende PEN-Präsident diesen Kolleginnen?
Strasser: Ich glaube, dass es etwas übertrieben ist. Aber da ist sicherlich etwas dran, Schriftsteller haben für dieses Metier nicht gerade eine Begeisterung, was man auch verstehen kann. Denn das Lernen von Töten im Notfall auch ist etwas, was ganz schwer mit einer humanistischen Haltung vereinbar ist. Ich habe mich mühsam aus einer pazifistischen Tradition kommend dahin bringen müssen zu erkennen, dass wir heute die Alternative haben, entweder wir lassen uns auf eine abenteuerliche Politik à la Bush ein, Unilateralismus, werden in entweder objektiv oder auch subjektiv mit hineingezogen in alle möglichen kriegerischen Abenteuer oder wir nehmen das ernst, dass es nur eine Möglichkeit gibt, halbwegs Frieden zu halten in dieser Welt, dass wir unter der Ägide der UNO eben auch solche weltweiten polizeilichen Maßnahmen mit militärischen Mitteln mitmachen.
Scholl: Wie stehen Sie dann, Herr Strasser, zur offiziellen politischen Rhetorik? Die heißt, wir sind nicht im Krieg. Wenn wir jetzt gerade auf Afghanistan blicken, ist das politische Heuchelei?
Strasser: Nein, das glaube ich nicht. Gemeint ist schon, dass es im Wesentlichen eben polizeiliche Maßnahmen sind. Da ist etwas dran. Es ist nicht eine Auseinandersetzung, wo es darauf ankommt, zu siegen. Das ist die Rhetorik, die Amerika die Bush-Administration nach wie vor pflegt. Ich finde es gut, dass die Deutschen diese Rhetorik nicht nachahmen, sondern dass sie sagen, wir wollen im Wesentlichen die zivile Bevölkerung schützen und ihnen die Gelegenheit geben, in diesem zerstörten Land entweder wieder die Strukturen aufzubauen, die eine zivile Gesellschaft braucht. Das ist in der Tat die glaubwürdige Absicht, dass sie hineingezogen werden, zum Teil auch absichtsvoll von den Amerikanern immer wieder hineingezogen werden in andere Formen der Auseinandersetzung, das ist auch richtig. Aber ich halte es nicht für einen längst notwendigen Realismus, jetzt dort von Krieg zu sprechen.
Scholl: Dann würden Sie sich auch gegen die Formulierung vom gefallenen Soldaten wenden, wie sie ja in diesen Tagen auch, diese Formulierung, gefordert wurde?
Strasser: Na ja, gut, das ist ja nun alles andere als größerer Realismus, Eskapismus. Was heißt denn fallen? Wenn man stürzt und sich das Knie aufschrammt, das ist etwas anderes, wenn man getötet wird. Das sind ja beschönigende Formulierungen, die zu Hause an der Heimatfront, wie es so schon immer den Eindruck erwecken sollte, dass ein Soldatenleben etwas ganz Heroisches und besonders Schönes und Abenteuerliches sei. Nein, Krieg ist eine Katastrophe, und wir sollten nach Möglichkeit Krieg verhindern. Dies kann nach Lage der Dinge heute bei dem Zerfall der Staaten, die wir weltweit haben, und der Komplizierung der internationalen Beziehungen nur unter der Ägide der UNO geschehen. Und ich denke, was wir anzielen sollten in der Politik, in Deutschland auch, ist möglichst irgendwann einmal dazu zu kommen, dass wir ein Gewaltmonopol unter der Ägide der UNO haben. Das wäre das große historische Ziel.
Scholl: Wie stehen wir zur Bundeswehr? - Der Schriftsteller und PEN-Präsident Johano Strasser. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Strasser: Vielen Dank!
Das gesamte Gespräch mit Johano Strasser können Sie bis zum 9. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio