Von rechter Fiktion zu echtem Terror
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Das Internet ist ein Tummelplatz für die Neue Rechte. Sie nutzt die Mechanik des Netzes, um ihre Ideologie zu verbreiten - bis hinein in den Mainstream. Doch es bleibt nicht bei Worten.
Eine Handvoll rechte Aktivistinnen und Aktivisten generieren im realen Leben Content für das Internet: Sie besetzen einen symbolischen Ort, drehen ein Video oder machen ein Foto von ihrer Aktion. Das dauert meist nur ein paar Minuten und wird kaum wahrgenommen. Nach der Veröffentlichung im Internet findet diese vorher kaum beachtete Aktion ihren Weg um ein Vielfaches verstärkt zurück in die reale Welt. Der Weg: offline – online – offline.
Die Künstlerin Hito Steyerl prägte in ihrem Essay "Too much world: Is the internet dead?" 2013 den Begriff "Circulationism". Diesen "Zirkulationismus" bedient die Neue Rechte perfekt. Deren instrumenteller Kulturbegriff, der letztlich auf dem bloßen Kopieren von Bestehendem beruht, passt zur Mechanik des Internets: Die schnelle Verbreitung der Botschaft ist wichtiger als die Perfektionierung der sie transportierenden Kunstform.
Rechts ist gerade "the fun place to say anything"
Rechte Akteure können problemlos journalistische Standards missachten. Dadurch geraten sie zeitlich in einen Vorteil und können das Internet mit Inhalten füllen – lange bevor die etablierten Medien nachziehen können. Aber auch die klassische rechte Ideenwelt aus rechter Science-Fiction und Verschwörungstheorie findet ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft.
Rechts ist gerade "the fun place to say anything", wie die Journalistin Angela Nagle sagt. Die Ironie regiert - Tweets, Memes und Aktionen kommen ironisch verpackt daher und sind so anschlussfähig für die Mitte. Und links scheint man sich noch vom gescheiterten Cyberutopismus der 2010er-Jahre zu erholen.
Emo-Krieg mit Bildern, Geschichten und Emotionen
Hippe rechte Influencer filmen sich beim Kochen, Einkaufen und Sporttreiben. Nebenbei führen sie, wie sie sagen, einen Emo-Krieg, einen Krieg mit Bildern, Geschichten und Emotionen, denn "gegen Fakten gibt es Argumente, gegen Gefühle nicht". Die offene Gesellschaft soll mit ihren eigenen Mitteln geschlagen werden. Dabei wird das Internet vor allem für die Organisation, Verbreitung und Rekrutierung gebraucht.
Ist also das Internet an allem schuld? Geht es überhaupt um Schuld? Oder eher um Kultur? Oder nicht doch letztlich um Politik? Der Erfolg der rechten Kulturbeeinflussung zeugt von größter strategischer und politischer Intelligenz.
Vorbereitung auf den Tag X
In dieser Ausgabe der "Stunde 1" geht es um die Strategien, Methoden und Theorien von rechts - genauso wie um die institutionellen Ausdrücke rechter Kulturbeeinflussung, sei es in Parlamenten, in Think Tanks oder in Vereinen, in denen man sich auf den Tag X, den Bürgerkrieg, vorbereitet, während man zeitgleich im realen Leben Munition hortet, "Feinde" ausspäht und sie auf Todeslisten setzt.
Experten erklären das Ineinandergreifen von On- und Offline-Welt und wie dieses für die Rekrutierung und Radikalisierung einerseits und Normalisierung von extrem rechten Inhalten bis in den Mainstream hinein andererseits genutzt wird. Zu Wort kommen Gideon Botsch, Micha Brumlik, Daniel Hornuff, Sören Musyal, Julia Ebner, Jonas Kaiser und Sebastian Erb.