Stratthaus: Banken sollten staatliche Hilfe annehmen

Gerhard Stratthaus im Gespräch mit Marcus Pindur |
Der stellvertretende Leiter des Leitungsausschusses des neuen Finanzmarktstabilisierungsfonds, Gerhard Stratthaus, hat an alle in Bedrängnis geratenen Banken appelliert, staatliche Finanzhilfen in Anspruch zu nehmen. Zugleich äußerte der ehemalige baden-württembergische Finanzminister Verständnis dafür, dass viele hilfesuchende Institute lieber anonym bleiben wollten.
Marcus Pindur: Mit Gerhard Stratthaus sind wir jetzt telefonisch verbunden. Guten Morgen, Herr Stratthaus!

Gerhard Stratthaus: Guten Morgen!

Pindur: Lassen Sie uns das doch mal am Beispiel der Bayerischen Landesbank durchdeklinieren. Die Einzelheiten sind ja noch nicht ganz klar, aber in Umrissen zumindest. Die Bayerische Landesbank hat ein großes Loch in der Kasse und wendet sich jetzt an diese Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Was passiert dann?

Stratthaus: Ich muss jetzt dazu sagen, dass ich meine Informationen auch aus den Medien habe. Aber alles, was ich da gehört habe, sieht dann folgendermaßen aus. Man will wohl in Bayern eine Bürgschaft haben von diesem Fonds. Es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, zunächst mal eine Bürgschaft in Höhe von 5,4 Milliarden. Das bedeutet, wenn sich die Bank bei einer anderen Bank Geld leiht, dann wird dieser Fonds, letzten Endes die Bundesrepublik Deutschland bürgen und dann gibt es kein Problem, Geld, Liquidität zu bekommen. Die Bayern hätten möglicherweise auch noch eine Kapitalerhöhung bekommen können. Das wollen Sie offensichtlich nicht. Diese Kapitalerhöhungen in Höhe von einer Milliarde, so aus den Medien, wollen die Bayern selbst bringen, 700 Millionen das Land Bayern und 300 Millionen die Sparkassen.

Pindur: Ein Kollege im "Handelsblatt" schreibt heute in seinem Kommentar, das deutsche Hilfspaket sei von der Politik so vergiftet worden, dass sich keine Bank mehr traue, es anzunehmen, weil das eben von den Märkten dann als Eingeständnis des Versagens gewertet werde. Unter diesen Bedingungen werden sich dann Ihrer Ansicht viele Banken melden bei Ihnen?

Stratthaus: Wir hoffen zunächst, dass alle Banken, die es wirklich notwendig haben, sich melden, und zwar auch dann, bevor das Allerschlimmste passiert. Gerade über diese Sache werden wir heute sowohl in Frankfurt bei der Bundesbank wie auch in Berlin sprechen. Nun muss ich Ihnen ganz offen sagen, man kann sicher Lösungen finden, wie es anonym bleibt, wenn eine Bank sich hilfesuchend an den Fonds wendet. Aber ich glaube, in unserer offenen Gesellschaft wird das letzten Endes kaum möglich sein. Es gibt allerdings auch eine Möglichkeit, wie sie die USA gewählt hat, dass im Grunde genommen alle Banken, diese Hilfe nehmen müssen. Man wird sehen, ich sehe auch, dass hier Probleme sind.

Pindur: Zur Markttransparenz gehört ja, dass ich als Kunde oder auch als Aktionär weiß, wie es um das jeweilige Institut bestellt ist, mit dem ich Geschäfte machen will. Da spricht doch einiges dafür, dass dann auch öffentlich zu machen?

Stratthaus: Die Logik ist voll auf Ihrer Seite. Ich muss nun allerdings sagen, wir sind in einer solchen Sondersituation, auch ordnungspolitisch gesehen, dass man nun wirklich nur das eine Ziel einige Zeit verfolgen muss, nämlich wieder Vertrauen zu gewinnen. Deswegen habe ich ein gewisses Verständnis, wenn die Banken gern Wert darauf legen würden, dass es nicht bekannt wird. Ich glaube allerdings, das wird in unserer Gesellschaft kaum möglich sein.

Pindur: Jetzt noch mal zu der Arbeit Ihres Gremiums. Sie sitzen in dem sogenannten Leitungsausschuss der Bankentreuhand bzw., wie das umständliche Wort heißt, der Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Sie wollen die Einzelheiten ja heute noch mit der Bundesbank und Finanzminister Steinbrück absprechen. Aber in den Umrissen stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen staatliche Hilfen dann vergeben werden. Werden alle Risiken einer Bank abgedeckt oder eben nur so weit, dass sie wieder arbeitsfähig ist?
Stratthaus: Es werden alle Risiken abgedeckt. Die Bank muss eben sagen, in welcher Höhe sie Bürgschaften will. Und sie muss sagen, ob sie Eigenkapital braucht. Es gibt noch einen dritten speziellen Fall. Eine Bank kann auch dann, wenn sie Papiere hat, die im Augenblick am Markt überhaupt nicht zu verkaufen sind, diese Papiere diesem Fonds andienen, sie wird dafür dann Staatsanleihen und damit letzten Endes Bargeld bekommen. Man wird schon die Risiken insgesamt abdecken müssen.

Pindur: Wie weit sollte denn Ihrer Ansicht nach der Staat in die Geschäftspolitik einer Bank eingreifen dürfen?

Stratthaus: Ja, ich bin der Ansicht, dass dieser Fonds dann seine Arbeit am besten erledigt hat, wenn er sich bald überflüssig macht. Das heißt, es ist eigentlich nicht der Sinn unserer sozialen Marktwirtschaft, dass der Staat in das operative Geschäft von Unternehmen und von Banken eingreift. Wir haben aber eine Sondersituation. Ich sage immer, Not kennt kein Gebot. Und wenn mich vor einem Jahr jemand gefragt hätte, ob der Staat so eingreifen soll, dann hätte ich das abgelehnt. Aber im Augenblick war das genau die richtige Reaktion. Und ich meine, dass da auch unsere Bundesregierung richtig reagiert hat.

Pindur: Was halten Sie von der Sollbestimmung, dass die Gehälter von Managern von Banken, die Hilfe in Anspruch nehmen, in irgendeiner Form gedeckelt werden? Ist das nicht auch nötig, um das Management spüren zu lassen, ihr habt hier gravierende Fehler gemacht?

Stratthaus: Vom Gefühl her sind wir, glaube ich, alle der Meinung, das ist so in Ordnung. Insbesondere soll ja auch für die Zukunft erreicht werden, dass riskante Geschäfte, für die Bank riskante Geschäfte nicht deswegen gemacht werden, weil da besonders hohe Boni rausspringen. Auf der anderen Seite wird es in der Praxis nicht ganz einfach sein, das durchzusetzen. Wir haben laufende Verträge und vieles andere mehr. Wobei ich sagen muss, dass nur von den drei Fällen, die ich genannt habe, nur im Falle der Eigenkapitalausstattung durch den Fonds und dann, wenn problematische Papiere gekauft werden, diese Möglichkeit bestehen soll, Einfluss auf die Managergehälter zu nehmen. Der häufigste Fall, der wohl kommen wird, nämlich die Bürgschaft, wird das noch nicht auslösen.

Pindur: Zum Schluss eine Frage an Sie als Marktwirtschaftler zu Ihrer Gesamteinschätzung. Haben Sie ein gutes Gefühl dabei, dass wir jeden Mittelständler, der sich verkalkuliert, rührungslos über die Klinge springen lassen, aber jetzt die Banken retten mit Milliarden von Steuergeldern?

Stratthaus: Nein, ich habe kein gutes Gefühl. Ich muss aber sagen, wir müssen in dieser wirklich außergewöhnlichen und für alle gefährlichen Situationen unsere Gefühle ausschalten und müssen hier mit ganz kühlem Kopf arbeiten. Ich bin der Meinung, es ist richtig, dass wir die Banken stützen. Ich bin auch der Meinung, dass das zeitlich begrenzt sein muss. Ich bin drittens der Meinung, dass wir uns Gedanken machen müssen, wenn wir einmal wieder das Problem gelöst haben, dass so was nach menschlichem Ermessen nicht wieder passieren kann.

Pindur: Und was sollten da für Sicherungsseile eingezogen werden, damit das nicht mehr passieren kann?

Stratthaus: Ja nun, es haben ja innerhalb der Bankenwelt in den letzten Jahren so viele Geschäfte stattgefunden, die mit der realen Wirtschaft nichts mehr zu tun haben. Leerverkäufe, wenn man jemand Devisen oder Aktien verkauft, die er gar nicht hat und ähnliche Dinge. Bei denen kann ich nicht einsehen, wo eigentlich der reale Sinn außer dem, dass man eine Wette abschließt, dass man Geld spekulativ gewinnt. Und da bin ich eben der Meinung, dass das zumindest sehr, sehr stark zurückgeführt werden muss. Ich bin überzeugt, das wird auch kommen.

Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!

Stratthaus: Bitte sehr!

Pindur: Gerhard Stratthaus, Mitglied im Leitungsausschuss der sogenannten Bankentreuhand, der Finanzmarktstabilisierungsanstalt.


Gespräch mit Gerhard Stratthaus können Sie bis zum 22. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio