Aufzeichnung vom 6. Juni 2021 in der Philharmonie Berlin
Igor Strawinsky
"Fanfare for a new theatre" für zwei Trompeten
"The Flood" (Die Sintflut) für Soli, Sprechstimmen, Chor und Orchester (in deutscher Sprache)
"Lied ohne Name" für zwei Fagotte
"Renard", Burleske in einem Akt mit Gesang und Musik (in russischer Sprache)
Wiegenlied aus der Oper "The Rake‘s Progress", bearbeitet für zwei Blockflöten
"Tilim Bom" für Gesang und kleines Orchester (in russischer Sprache)
"Katzenwiegenlieder" für Stimme und drei Klarinetten (in russischer Sprache)
"The Owl and the Pussy-cat" für Gesang und Klavier (in englischer Sprache)
Zwei Lieder nach Texten von William Shakespeare für Mezzosopran, Flöte, Klarinette und Viola
"Les Noces" (Die Bauernhochzeit) für Soli, Chor und Orchester
Stefan Kaminski, Sprecher
Sofia Fomina, Sopran
Elena Manistina, Mezzosopran
Alice Lackner, Mezzosopran
Ivan Turšic, Tenor
Alexander Fedorov, Tenor
Bastian Kohl, Bass
Vladimir Ognev, Bass
RIAS Kammerchor Berlin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Klavier und Leitung: Vladimir Jurowski
Ein greller Strawinsky-Abend
Igor Strawinsky ist berühmt für seine Ballette "Der Feuervogel" oder "Le sacre du printemps". Doch es gibt viel mehr in seinem riesigen Oeuvre zu entdecken: Launige Lieder und groteske Miniopern – zumal, wenn Stefan Kaminski in alle Rollen schlüpft.
Chefdirigent Vladimir Jurowski hat in dieser Saison zum 50. Todestag des Komponisten ein mehrteiliges Strawinsky-Festival aufgelegt. Dieses Mal wählte er für sein Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin grotesk-verrückte Werke: Kleinst besetzte, kurze Lieder und Kammermusik-Werkchen neben Bühnenstücken – folkloristisch ausgespielt – mit Sängern und dem genialen Sprecher Stefan Kaminski, der auf der Bühne durch das Programm führt und sämtliche Sprechrollen des Programms übernimmt.
Gleich zu Beginn erklingt eine Theaterfanfare von 40 Sekunden für zwei Blechbläser, die fordernd um die Aufmerksamkeit des Publikums wetteifern. Dann wieder ein Wiegenlied für zwei Blockflöten, das sich melodisch lyrisch in Wiederholungen verfängt.
Kleine Werke auf großer Bühne
Dazwischen tummeln sich Lieder von Katzen, Kindern, Eulen und Verliebten – tief aus der Folklorekiste gegriffen, bizarr zwölftönig gespreizt und ritterlich-vornehm Arm in Arm mit Shakespeare. Oft komponierte Strawinsky diese Kleinode für die schöne Mezzosopran-Stimme seiner zweiten Frau Vera.
Spielerischer Spaß
Drei Werke des Abends sind länger. Strawinsky hat sie größer besetzt. Und doch könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Mit "The Flood" (Die Flut), "Renard" (Reineke Fuchs) und "Les Noces" (Die Bauernhochzeit) präsentiert sich Strawinsky als Bühnen-Chamäleon, der alle stimmlichen und musikalischen Register ziehen kann.
Da wird in herben Tönen die biblische Geschichte um Noah und seine Arche erzählt. Dem steht die rasante Fabel um den schlauen Fuchs gegenüber: Die wilde Gesangspassage gehört hier dem Hahn, der schreit und kräht, um seine Freunde Widder und Katze anzulocken, die ihn retten. Zum Schluss feiern alle ausgelassen ihren Sieg über den Rotpelz.
Wilde Hochzeitsparty
Die Krönung aber bildet die Minioper "Les Noces", die eine russische Bauernhochzeit inszeniert: Von der zaudernden Braut, die ihren Zukünftigen noch nicht kennt, über den stolzen Bräutigam, der von seiner Wirkung überzeugt ist, bis hin zu den vielen Gästen der Hochzeit, die sich zuprosten und die Annäherungen des Paares interessiert verfolgen.
Für dieses Werk engagierte der RIAS Kammerchor sogar eine Sprachtrainerin, die den außergewöhnlichen, russischen Dialekt des Werkes mit dem Chor erarbeitete.
Das Werk ist selten zu erleben, auch wegen der verrückten Besetzung mit zwei Zymbalspielern und einem mechanisch spielenden Pianola, die Strawinsky fordert. Hier ist der Dirigent nicht mehr der Herr des Orchesters, sondern der Verfolger des taktgebenden Klavieres, das, einmal gestartet, nicht auf den Dirigenten wartet.