Kann man verantwortungsvoll Spotify hören?
Da viele beim Streaming das Gleiche hören, lässt das vor allem bei den Stars die Kassen klingeln. Musiker Damon Krukowski kritisiert das und gibt Tipps, wie man im Sinne kleinerer Acts Streamingsdienste nutzen kann.
Martin Böttcher: Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, einen Musikstreamingdienst zu abonnieren? Oder sind Sie da vielleicht sogar schon Kunde? Dann erinnern Sie sich vielleicht an das Versprechen, das da gemacht wurde: Millionen von Songs, auf die man zugreifen kann, aus jedem Genre, aus jeder Zeit.
Tatsächlich aber hören viele Nutzer das Gleiche – der Mainstream regiert also auch bei den Streaming-Diensten. Bei den großen Stars lässt das die Kassen klingeln, für kleinere Bands lohnt es sich kaum.
Damon Krukowski (Galaxie 500) ist selbst Musiker und Schreiber, er hat auf der Internetplattform Pitchfork seinem Ärger darüber Luft gemacht. Und er will uns Tipps geben, wie man korrekt – also im Sinne der kleineren Bands und Musiker – Musikstreamingdienste nutzen kann. Ich habe mit Damon Krukowski gesprochen, wollte zuerst von ihm wissen, ob er sich noch an seinen ersten Scheck von Spotify erinnern konnte.
Damon Krukowski: Ich wünschte, Spotify würde uns einfach Schecks zusenden. Aber so ist das nicht. Die Art und Weise, wie Spotify Musiker bezahlt, ist sehr mysteriös. Wir kriegen zwar etwas von dem Geld, das Spotify mit unserer Musik erwirtschaftet, jedoch erreicht uns das nicht direkt über das Unternehmen, sondern über Dritte: etwa über Verwertungsgesellschaften für Urheberrechte oder über unsere Plattenfirma.
Das macht es für Indie-Bands wie meine sehr schwer, den Überblick zu wahren. Wenn man sich dann mal die Mühe macht und nachrechnet, kommt man nie auf denselben Betrag, den man für die Anzahl der Plays eigentlich hätte bekommen müssen. Es ist sehr nebulös.
Böttcher: Und es nicht nur ein mysteriöser Prozess, sondern es ist auch einer, der am Ende etwas enttäuschend ist, weil nicht so viel dabei rauskommt, oder?
"In der Branche spricht man von Micro-Payments"
Krukowski: Die Bezahlung ist sehr gering, das stimmt. In der Branche spricht man von Micro-Payments, von Kleinstbetragzahlungen. Das mag in der Digitalwirtschaft für manche Güter funktionieren, aber es funktioniert dann nicht, wenn das Geld nur indirekt beim Produzenten ankommt. Mir fehlt bei Spotify in dieser Hinsicht einfach die Transparenz.
Ein anderer Online-Musikhändler, der mir viel besser gefällt, ist Bandcamp. Da kann ich ganz genau einsehen, wie mit meiner Musik Geld gemacht wird. Es geht also - und das ist ein kleiner Anbieter aus dem Independent-Bereich. Bandcamp ist einfach, transparent - und es lohnt sich auch noch für mich als Musiker.
Ich denke, dass die Geheimniskrämerei, die Spotify, dieses 20-Milliarden-Dollar-Unternehmen, betreibt, Teil seines Kapitals ist. Auf diese Weise rechtfertigt Spotify seinen Wert. Denn die Musik, die Spotify anbietet, gehört dem Streaming-Dienst ja nicht. Sie gehört den Plattenfirmen und den Musikern.
Böttcher: "How to be a responsible fan in the age of streaming", so heißt Ihr Artikel für "Pitchfork". Es geht also darum, wie man sich als Musikfan im Streaming-Zeitalter verantwortungsvoll verhalten kann. Was wäre der erste, der wichtigste Tipp in diesem Zusammenhang? Wie soll man sich da als Fan verhalten?
Krukowski: Ich denke, es würde helfen, wenn wir alle ein größeres Bewusstsein dafür hätten, wo das Geld, das wir ausgeben, landet und was wir dafür kriegen. Beim kleinen Tante-Emma-Laden von nebenan ist das noch recht verständlich, aber im Internet sieht das ganz anders aus.
Mein Rat ist: Geh im Internet genauso mit deinem Geld um, wie du es im stationären Handel machen würdest. Wenn dir bei Spotify die Playlisten gefallen, dann schließ ein Abo ab und bezahl Spotify für die Software, die diese Playlisten möglich macht. Aber sei dir darüber klar, dass du kaum die Musiker bezahlst, deren Songs du hörst, denn Spotify gibt das Geld nicht im vollen Umfang an die Urheber weiter. Wir als Musiker, als Musikfans, müssen einfach darüber nachdenken, wo das Geld hingeht.
Böttcher: Das ist ja ein schwieriges Feld, und wir als Konsumenten haben vielleicht gar nicht mehr die Macht, weil diese Firmen so unglaublich groß geworden sind. Spotify, Apple Musik werden größer und mächtiger, und wir, die Nutzer, scheinen eben nicht viele Möglichkeiten zu haben, den Kurs noch mitzubestimmen. Oder gibt es noch etwas, was wir tun können? Müssen wir uns zusammenschließen?
"Ich denke, dass wir schon eine gewisse Macht ausüben können"
Krukowski: Ja, auf jeden Fall. Ich denke, dass wir schon eine gewisse Macht ausüben können, insofern, als wir diesen Unternehmen erst ihren Wert geben. Wenn wir Streaming-Dienste nutzen, sammeln sie unsere Daten und schlagen daraus Profit. Der Wert ergibt sich also erst dann, wenn wir uns daran beteiligen. Nur müssen wir nicht unbedingt immer weiter die ewiggleichen Giganten mit unseren Daten füttern.
Es gibt Alternativen. Ich zum Beispiel bin nicht gegen Piracy, also Raubkopien. Ich habe kein Problem damit, wenn man auf Musikblogs, die von Kritikern und Fans betrieben werden, auch Musik runterladen kann. Ich sehe das als Austausch von Information, unter Ausschluss eines digitalen Riesenkonzerns. Und für mich als Musiker springt dabei ungefähr genauso viel raus wie bei Spotify oder Apple.
Böttcher: Spotify, Apple Music, Tidal - die alle werben ja damit, dass sie zig Millionen Songs im Angebot haben. Songs, die sie zum großen Teil ja kaum ausspielen müssen, weil die Leute einfach diese Songs, diese Nischen-Songs, nicht hören, sondern nur auf die Hits zurückgreifen. Werden die Streaming-Dienste Ihrer Ansicht nach dieses große Angebot aufrechterhalten, auch wenn viele Songs gar nicht gehört werden?
"Diese Entwicklung blüht auch der Musik, das zeigen die Statistiken"
Krukowski: Ja, ich denke, das ist absehbar. Aktuelle Statistiken zeigen, dass in den USA auf 90 Prozent des Musikkatalogs gerade mal 0,8 Prozent der Plays fallen. Für ein profitorientiertes Unternehmen lohnt es sich also nicht, diese 90 Prozent des Musikkatalogs überhaupt anzubieten, wenn der Ertrag daraus so gering ist.
Wenn wir einen Blick in die Welt des Films werfen, wird klar, wohin der Weg geht. Netflix zum Beispiel, der erfolgreichste Video-on-Demand-Service in den USA, hat die unbeliebtesten Filme einfach aus seinem Programm genommen. Das hat dazu geführt, dass das Unternehmen jetzt nur noch 25 Filme anbietet, die vor 1950 entstanden sind. Die ganze Geschichte des Kinos bis zu diesem Zeitpunkt in nur 25 Filmen - das ist doch lächerlich!
Die große Gefahr ist, wenn wir uns auf Giganten wie Netflix einlassen, wenn das Kino in deiner Nachbarschaft schließt, die Videothek nicht mehr rentabel ist, dass wir irgendwann gar nicht mehr wissen können, was es noch alles für Filme vor 1950 gab. Und ich fürchte, diese Entwicklung blüht auch der Musik, das zeigen die Statistiken.
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