Streben nach Perfektion

Von Mareike Knoke |
Die russische Mathematikerin Olga Holtz forscht als Professorin an der TU Berlin. Sie gilt nicht nur als Mathe-Genie, sondern spielt auch konzertreif Klavier und singt im Philharmonischen Chor. Am liebsten trinkt sie Kaffee getreu dem Motto: Ein Mathematiker ist wie eine Maschine. Man füllt Kaffee hinein und es kommt ein Theorem heraus.
"Für mich bedeutet die Musik viele Sachen: Das ist ein Kulturphänomen und auch ein spannendes Hobby für mich. Etwas, das einfach Spaß macht, und auch etwas, wo man nach Perfektion streben kann, und das heißt eine Art von Selbstverwirklichung. Ich finde es nie langweilig, die Musik von Bach zu hören oder zu singen. (…) Bei Bachs Musik gibt es etwas ganz Besonderes. Also, ich kann das wirklich nicht genau beschreiben, aber ich finde, es ist sehr ähnlich wie Mathematik. Es gibt sehr viel Forschung über die Musik von Johann Sebastian Bach und über die Brücken zwischen seiner Musik und der Mathematik."

Natürlich hat Olga Holtz das Standardwerk "Gödel, Escher, Bach" von Douglas Hofstadter gelesen. Es steht in ihrem Bücherregal neben Forschungsliteratur über Algebra und Algorithmen. Klein und fast elfenhaft zart wirkt Olga Holtz hinter ihrem penibel geordneten Schreibtisch, auf dem nur ein Computer steht. Das dunkelblonde Haar trägt die 34-jährige Mathematikerin hochgesteckt. Ihre modisch-elegante Kleidung fällt sofort auf. Kein Wunder: Ihr Büro und das gesamte Mathematik-Gebäude der TU Berlin sind an Hässlichkeit kaum zu überbieten. Schön sind hier nur die Forscherin und ihre Gedanken zur Mathematik:

"Am besten finde ich diese Rätsel, die immer in der Mathematik entstehen. Das heißt, die Probleme, die noch nicht gelöst sind und der Prozess der Lösung, der manchmal sehr, sehr lange dauern kann. Das ist immer so spannend wie in einem Krimiroman. Für die Leute, die sehr wenig über Mathematik wissen, klingt das vielleicht ein bisschen verrückt, aber die Mathematik in der Forschung ist etwas ganz anderes als die Mathematik zum Beispiel in der Schule. Die ganze Idee von einem Wissenschaftsjahr finde ich großartig. "

Olga Holtz‘ Forschungsergebnisse sollen Computern dabei helfen, selbst größte Datenmengen zu verarbeiten. Anwendung finden sie in der Industrie bei der Flugzeugkonstruktion oder bei der Entwicklung von Medikamenten. Für ihre Arbeit bekam sie vor gut einem Jahr den Sofja-Kovalevskaja-Preis für junge ausländische Forscher. Für sie eine besondere Ehre, denn auch Kovalevskaja war eine russische Mathematikerin. Eine Million Euro sind mit dem Preis verbunden, Olga Holtz hat damit bereits ein internationales Team aus Nachwuchswissenschaftlern zusammengestellt.

Auch sonst hat sie sich in Berlin gut eingerichtet: Im vergangenen Jahr kaufte sie sich eine kleine Wohnung in der Friedrichstraße. Lange Zeit lebte und arbeitete Olga Holtz in den USA und forschte zuletzt an der Elite-Uni Berkeley. Aufgewachsen ist sie in Tscheljabinks im Ural-Gebirge. Ihre Familie hat österreichisch-jüdische Wurzeln. Doch diese Herkunft spielt kaum eine Rolle in ihrem Leben:
" "Ich würde sagen, ich fühle mich eigentlich nicht wie eine jüdische Frau oder eine russische Frau unbedingt oder eine amerikanische Frau. Das ist mir ziemlich egal. Es ist mir von allererster Bedeutung, dass ich eine gute Mathematikerin bin."

Beide Eltern sind Informatiker. Die kleine Olga verschlang Fachzeitschriften über Computer und Mathematik wie Comic-Hefte. Doch ihre Eltern sind nicht nur begeistert von der Mathematik, sie sind auch sehr musikalisch. Das hat ihre Tochter geprägt, die sich irgendwann zwischen der Musik und der Mathematik entscheiden musste:

"Ich habe mit dem Klavier ziemlich früh angefangen und zwar mit sechs oder sieben Jahren. Und das war etwas Interessantes zum Probieren. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich auf professionellem Niveau weiterspielen wollte. Und mit 15 oder so habe ich mich dann eigentlich für die Mathematik entschieden."

Doch weil sie sich ein Leben ohne Musik nicht vorstellen konnte, nahm sie nebenbei Gesangsunterricht und belegte Tanzkurse. Kaum war sie in Berlin angekommen, wurde sie gleich in den Philharmonischen Chor aufgenommen.

Seither stehen regelmäßig Chorproben in ihrem ohnehin schon vollen Terminkalender. Und demnächst möchte sie auch wieder mit dem Tanzen beginnen: Standard - auf Wettbewerbsniveau. Das schafft selbst ein immer gut gelauntes Energiebündel wie Olga Holtz nur, wenn sie an der Uni Spätschichten einlegt:

"Also ich arbeite manchmal ganz spät abends bis ein oder zwei Uhr morgens. Das empfehle ich natürlich nicht.(lacht) "

Ihr Lieblings Energy-Drink ist Kaffee, sagt sie. Und zitiert den ungarischen Mathematiker Paul Erdös, der sagte: Ein Mathematiker ist wie eine Maschine. Man füllt Kaffee hinein und unten kommt ein Theorem heraus.

" "A Mathematician is a machine for transforming coffee into theorems (lacht) Daran glauben vielleicht nicht alle, aber ich schon einigermaßen. Kaffee finde ich immer gut für mathematische Forschung."

Service:
Olga Holtz singt wieder im Chor am 24. Februar in der Philharmonie – die Johannes-Passion.