Wandgemälde, die Hoffnung bringen
Tor Marancia ist ein Problemviertel in Rom. Seitdem Kulturmanagerin Francesca Mezzano aber Street-Art an die Hauswände trister Nachkriegsbauten bringen lässt, passiert einiges im Stadtteil.
Ein Hochhaus reiht sich an das nächste, es gibt viele Sozialwohnungen, die Kriminalität ist hoch - Tor Marancia ist eines dieser Viertel in Rom, in die sich kaum ein Tourist verirrt; selbst die meisten Römer waren noch nie hier. Das wird sich ändern, hofft Kulturmanagerin Francesca Mezzano. Sie hat dafür gesorgt, dass Streetart-Künstler großformatige Bilder auf den Hauswänden trister Nachkriegsbauten geschaffen haben. Stolz zeigt sie auf die Einfahrt eines Wohnblocks:
"Das hier ist der Eingang zum Museum. Und dahinter sind die anderen Werke, insgesamt 22."
Auch die Häuserwand neben dem Eingang ist von einer belgischen Künstlerin bemalt; eine vieläugige asiatische Göttin hält ein Origami-Tier in der Hand, darüber steht der Spruch: Welcome to Shanghai. Ein Slogan mit Bedeutung, sagt Francesca Mezzano. Das Viertel hier hatte am Anfang den Spitznamen Shanghai - weil es rasend schnell wuchs, weil die Armut groß war.
"Mit diesem Namen identifizieren sich die Jugendlichen, auch wenn sie in dritter Generation hier leben. Und so waren sie die ersten, die auf diese Mauer 'Willkommen in Shanghai' geschrieben haben. Und wir haben daran festgehalten, wenn auch mit dieser Gottheit, die die Bewohner ein bisschen schützen soll."
Ein kostenloses Freiluftmuseum
Im Innenhof der Häuserblocks leuchtet eine Hauswand farbiger als die andere; viele Kunstwerke sind abstrakt. Auch deutsche Künstler haben mitgewirkt, der Berliner Clemens Behr zum Beispiel hat eine Wand in bunte Formen aufgeteilt - man muss sich anstrengen, die Fenster mit den geschlossenen, braunen Fensterläden zu finden.
"Das ist die neue Schaffensperiode von Clemens Behr. Etwas weniger geometrisch, er hat damit gespielt, dass hier an der Fassade Klimaanlagen hängen, seine Arbeiten verändert sich im Vergleich zu denen von vor einigen Jahren."
"Big City Life", wie das Projekt heißt, ist eine Art kostenloses Freiluftmuseum, rund um die Uhr zugänglich. Aber hinter den bemalten Fassaden leben weiterhin Menschen, unterhalten sich von Fenster zu Fenster... Der Wohnblock hat sich durch das Projekt verändert, sagt Alessandra, die in Tor Marancia geboren und aufgewachsen ist. Früher war es hier ruhig und leer, jetzt kommen immer wieder Besucher aus der ganzen Welt:
"Sie fragen Dich, wie das Museum entstanden ist, wie das Projekt verwirklicht worden ist, sie fragen nach den Künstlern. So wirst du miteinbezogen, und das kommt oft vor und das macht auch Spaß."
Nicht nur künstlerisch wertvoll
Nicht alle Bewohner waren am Anfang begeistert, hatten Angst um ihre Privatsphäre. Überzeugt wurden die meisten dann dadurch, dass das Projekt nicht Kunstwerke, sondern auch soziale Unterstützung nach Tor Marancia bringen sollte, sagt Alessandra. Ein behinderter Jugendlicher hat beispielsweise einen Aufzug bekommen, sagt Francesca Mezzano. Weitere Hilfen sind geplant. Auch die Künstler haben mitgespielt: Der bekannte Streetart-Künstler Bred Downey hat "seine" Wand sogar einfach leer gelassen
"Er hat sich dafür entschieden, das Budget, das ihm für die Bemalung zur Verfügung stand, für die Bewohner zu nutzen. Es gab Leute, die eine Seilwinde wollten, um ihre Einkäufe nach oben zu ziehen, andere wollten, dass er ihre Wände neu bemalt oder die Fliesen auf dem Balkon oder im Bad erneuert."
Die Stadt Rom hat das Projekt Big City Life auch in ihre neue Street-Art-Karte aufgenommen: Auf den Seiten der Stadt Rom oder mit Hilfe einer kostenlosen App können Touristen und Römer 300 Street-Art-Werke finden, verteilt über fast alle Stadtbezirke. Die Karte soll auch ein Zeichen setzen: Die meisten der Bilder sind - anders als bei Big City Life - illegal entstanden, sagt die Kulturbeauftragte der Stadt Rom, Giovanna Marinelli:
"Die Tatsache, dass wir dieses Projekt gestartet haben, hat natürlich das Problem der Illegalität größtenteils erledigt. Ich glaube, wenn es um künstlerische Ausdrucksformen geht, muss man Freiheit gewähren."
Natürlich müsse es auch Regeln geben, sagt sie. Aber diese Street-Art-Bilder seien nicht nur künstlerisch wertvoll: Sie bringen auch Touristen in Gegenden außerhalb des historischen Zentrums, hofft Marinelli. Und zeigen, dass Rom mehr ist als nur archäologische Stätten.