Streichquartett als Lebensform
Das jüdische "Café Leonar" ist mittlerweile mit seinen exzellenten Veranstaltungen nicht mehr wegzudenken aus dem kulturellen Leben Hamburgs. Dass bei der Eröffnung des Cafés vor einem Jahr ein renommiertes Streichquartett spielte, war kein Zufall - denn die Gründerin des Cafés, Sonia Simmenauer leitet das Impresariat Simmenauer - eine Agentur, die die großen Streichquartette der Welt betreut.
Den Tag beginnt Sonia Simmenauer oft mit einem kurzen Besuch in ihrem Café - einem Ort, der zum Wiederkehren einlädt: breite Sessel, ein antikes Sofa. Die Tische in dunklem Holz, die Wände in hellem Grün; darauf Künstlerporträts, Partituren, eine umfangreiche Auswahl an Zeitungen - und dazu ein kleiner Buchladen. Ins Leonar kommt die vielbeschäftigte Konzertagentin nicht nur zum Kaffee zwischendurch. Der Weg führt sie auch in die Küche – zum Backen.
"Mein Backen, das geht schnell. Um einen Käsekuchen zu backen, brauche ich eine halbe Stunde, die Mohnrolle dauert eine Stunde, aber da mache ich noch was dazwischen. Den Käsekuchen, den kann meine Familie nicht mehr ertragen. Bevor wir das Cafe aufgemacht haben, habe ich ja über Wochen jede Woche diesen Kuchen gebacken, um die richtige Mischung zu finden, Jetzt habe ich sie und dann muss das auch so gemacht werden!"
Sonia Simmenauers tiefbraune Augen leuchten. Die 48-Jährige mit den kurzen dunklen Locken und der randlosen Brille wirkt gelöst und genießt die besondere Atmosphäre in ihrem Café. Vor einer halben Stunde noch saß mir dieselbe Frau - ganz Chefin - hochkonzentriert an ihrem penibel aufgeräumten Schreibtisch im höchst gediegenen Impresariat Simmenauer gegenüber - nur wenige hundert Meter trennen diese beiden Welten.
Kaffeehaus wie Konzertagentur befinden sich im ehemaligen jüdischen Viertel Hamburgs – am Grindel, wo feudale Prachtbauten, kreative Läden und das junge Publikum rund um die Universität aufeinandertreffen. Mittendrin die alte Talmud Thora Schule, die jüngst wiedereröffnet wurde. Der Grindel, voll von Geschichte und Geschichten, begleitet Sonia Simmenauers Leben seit langem. Als Kind jüdischer Exilanten, in Paris aufgewachsen, kam sie vor 27 Jahren - der Liebe wegen, und gegen den Wunsch der Familie - in die Heimatstadt ihres Vaters.
"Meine Mutter sprach kein Deutsch. Deswegen war es auch keine Sprache, die wir als Kinder zu Hause sprachen, … aber gehört haben wir sie, mein Vater sprach ja mit seinem Bruder, mit seiner Schwester Deutsch, wir zu Hause nicht, deswegen ein vertrauter Sound, aber kein verständlicher."
"Und es hing eben alles sehr zusammen mit der Musik. Diese Emigranten, wie ich sie nenne, kamen zu uns immer wieder - und dann haben sie musiziert – das war ihre Kommunikation, zwischen diesen Menschen außerhalb dessen, wo sie aufgewachsen waren - eine andere Sprache, die nicht mehr ihre tägliche war - und eben die Musik. Ich habe das sehr viel später festgestellt und verstanden, als ich das Buch geschrieben habe, dass das Quartett und die deutsche Sprache eigentlich die Geschichte war vor meiner Geburt, die meiner Familie gewesen war."
Inspiriert vom Motto in Beethovens letztem Streichquartett nannte Sonia Simmenauer ihr kürzlich erschienenes Buch "Muss es sein?". Einfühlsam denkt sie darin über das Streichquartett als Lebensform nach und schöpft dabei aus vielen Jahrzehnten ihres Kontakts mit Ensembles wie dem Alban-Berg Quartett oder dem Guarneri. Und auch privat blieb Sonia Simmenauer von dieser Gattung geprägt: In den USA lernte die 18-Jährige ihren ersten Mann kennen - einen Quartett-Cellisten aus Hamburg. So begann Sonia Simmenauers "deutsches" Leben.
"Ein Leben, in dem man alles unterbringen möchte, Beruf, Kinder, Beziehung, alles. Ich kann keinen Tag bereuen, aber nochmals will ich es nicht erleben, es ist mir zu anstrengend, es sind immer wieder diese Zufälle, die keine sind …"
… zum Beispiel der, dass Sonia Simmenauer, geboren in Hannover New Hampshire, den ersten Job ausgerechnet in einer Agentur für Streichquartette in Hannover bekam. Mit der Möglichkeit, von zu Hause in Hamburg zu arbeiten, wo die Familie war. Mit dem zweiten Kind aber kam die Trennung vom Ehemann und die pure Notwendigkeit, sich selbständig zu machen - als Alleinerziehende im Wohnzimmer.
"Im Grunde war es eine Katastrophe – aber aus Katastrophen kam man aufstehen, im Grunde sind das die größten Motoren ..."
"Wenn ich jetzt das letzte Jahr betrachte mit all dem, was da passiert ist, dann weiß ich, es kommt schon alles, wie es muss .. und das ist vielleicht die größte Lektion: nicht so strebsam zu sein, weil: es kommt sowieso des Weges, wenn es sein muss."
Ganz wie im Fall des Cafés, wobei da die Willenskraft und Nervenstärke einer Sonia Simmenauer absolut unentbehrlich waren. Die teils baufälligen Räume mit angrenzendem Atelierhaus wurden ihr vom alten Besitzer förmlich angetragen. Er war es auch, der den Namen ins Spiel brachte - "Fotopapier Leonar" hieß ein Betrieb des Großvaters von Sonia Simmenauer. Dass in "Leonar" die Vornamen ihrer Söhne drinstecken, Leonard und Arnold, dieser "Wink des Schicksals" fiel ihr erst auf, als das Café, und auch der gleichzeitig gegründete "Jüdische Salon am Grindel" bereits existierten – ein Salon, der mittlerweile von vielen Menschen mit Inhalt gefüllt wird. Von Juden und Nicht-Juden.
"Wir sehen uns nicht als Ort, um einen Shoa-Kult zu betreiben, sondern wir leben heute, wir leben mit einem Fundus an Literatur, Musik, Gedanken, der älter ist als das Christentum und das möchten wir wieder an uns nehmen, ohne Angst!"
"Mein Backen, das geht schnell. Um einen Käsekuchen zu backen, brauche ich eine halbe Stunde, die Mohnrolle dauert eine Stunde, aber da mache ich noch was dazwischen. Den Käsekuchen, den kann meine Familie nicht mehr ertragen. Bevor wir das Cafe aufgemacht haben, habe ich ja über Wochen jede Woche diesen Kuchen gebacken, um die richtige Mischung zu finden, Jetzt habe ich sie und dann muss das auch so gemacht werden!"
Sonia Simmenauers tiefbraune Augen leuchten. Die 48-Jährige mit den kurzen dunklen Locken und der randlosen Brille wirkt gelöst und genießt die besondere Atmosphäre in ihrem Café. Vor einer halben Stunde noch saß mir dieselbe Frau - ganz Chefin - hochkonzentriert an ihrem penibel aufgeräumten Schreibtisch im höchst gediegenen Impresariat Simmenauer gegenüber - nur wenige hundert Meter trennen diese beiden Welten.
Kaffeehaus wie Konzertagentur befinden sich im ehemaligen jüdischen Viertel Hamburgs – am Grindel, wo feudale Prachtbauten, kreative Läden und das junge Publikum rund um die Universität aufeinandertreffen. Mittendrin die alte Talmud Thora Schule, die jüngst wiedereröffnet wurde. Der Grindel, voll von Geschichte und Geschichten, begleitet Sonia Simmenauers Leben seit langem. Als Kind jüdischer Exilanten, in Paris aufgewachsen, kam sie vor 27 Jahren - der Liebe wegen, und gegen den Wunsch der Familie - in die Heimatstadt ihres Vaters.
"Meine Mutter sprach kein Deutsch. Deswegen war es auch keine Sprache, die wir als Kinder zu Hause sprachen, … aber gehört haben wir sie, mein Vater sprach ja mit seinem Bruder, mit seiner Schwester Deutsch, wir zu Hause nicht, deswegen ein vertrauter Sound, aber kein verständlicher."
"Und es hing eben alles sehr zusammen mit der Musik. Diese Emigranten, wie ich sie nenne, kamen zu uns immer wieder - und dann haben sie musiziert – das war ihre Kommunikation, zwischen diesen Menschen außerhalb dessen, wo sie aufgewachsen waren - eine andere Sprache, die nicht mehr ihre tägliche war - und eben die Musik. Ich habe das sehr viel später festgestellt und verstanden, als ich das Buch geschrieben habe, dass das Quartett und die deutsche Sprache eigentlich die Geschichte war vor meiner Geburt, die meiner Familie gewesen war."
Inspiriert vom Motto in Beethovens letztem Streichquartett nannte Sonia Simmenauer ihr kürzlich erschienenes Buch "Muss es sein?". Einfühlsam denkt sie darin über das Streichquartett als Lebensform nach und schöpft dabei aus vielen Jahrzehnten ihres Kontakts mit Ensembles wie dem Alban-Berg Quartett oder dem Guarneri. Und auch privat blieb Sonia Simmenauer von dieser Gattung geprägt: In den USA lernte die 18-Jährige ihren ersten Mann kennen - einen Quartett-Cellisten aus Hamburg. So begann Sonia Simmenauers "deutsches" Leben.
"Ein Leben, in dem man alles unterbringen möchte, Beruf, Kinder, Beziehung, alles. Ich kann keinen Tag bereuen, aber nochmals will ich es nicht erleben, es ist mir zu anstrengend, es sind immer wieder diese Zufälle, die keine sind …"
… zum Beispiel der, dass Sonia Simmenauer, geboren in Hannover New Hampshire, den ersten Job ausgerechnet in einer Agentur für Streichquartette in Hannover bekam. Mit der Möglichkeit, von zu Hause in Hamburg zu arbeiten, wo die Familie war. Mit dem zweiten Kind aber kam die Trennung vom Ehemann und die pure Notwendigkeit, sich selbständig zu machen - als Alleinerziehende im Wohnzimmer.
"Im Grunde war es eine Katastrophe – aber aus Katastrophen kam man aufstehen, im Grunde sind das die größten Motoren ..."
"Wenn ich jetzt das letzte Jahr betrachte mit all dem, was da passiert ist, dann weiß ich, es kommt schon alles, wie es muss .. und das ist vielleicht die größte Lektion: nicht so strebsam zu sein, weil: es kommt sowieso des Weges, wenn es sein muss."
Ganz wie im Fall des Cafés, wobei da die Willenskraft und Nervenstärke einer Sonia Simmenauer absolut unentbehrlich waren. Die teils baufälligen Räume mit angrenzendem Atelierhaus wurden ihr vom alten Besitzer förmlich angetragen. Er war es auch, der den Namen ins Spiel brachte - "Fotopapier Leonar" hieß ein Betrieb des Großvaters von Sonia Simmenauer. Dass in "Leonar" die Vornamen ihrer Söhne drinstecken, Leonard und Arnold, dieser "Wink des Schicksals" fiel ihr erst auf, als das Café, und auch der gleichzeitig gegründete "Jüdische Salon am Grindel" bereits existierten – ein Salon, der mittlerweile von vielen Menschen mit Inhalt gefüllt wird. Von Juden und Nicht-Juden.
"Wir sehen uns nicht als Ort, um einen Shoa-Kult zu betreiben, sondern wir leben heute, wir leben mit einem Fundus an Literatur, Musik, Gedanken, der älter ist als das Christentum und das möchten wir wieder an uns nehmen, ohne Angst!"